Industrie 4.0

Es ist das aktuelle Wirtschaftsthema schlechthin und es gibt kaum ein Thema, bei dem die Auswirkungen auf die Industrie und die Gesellschaft so kontrovers diskutiert werden. Geht es um die Frage, wie die Digitalisierung die Arbeitswelt verändert, bestimmen unterschiedliche Meinungen die öffentliche Debatte. Pessimisten befürchten die Vernichtung von Jobs, Optimisten sehen Industrie 4.0 als Wachstums- und Beschäftigungsmotor. In welche Richtung es auch geht, eines steht fest: Der Veränderungsdruck auf Beschäftigte, Arbeitgeber und Staat wird deutlich steigen.

Nach Mechanisierung, Elektrifizierung und Informatisierung der Industrie läutet der Einzug des Internets der Dinge und Dienste in die Fabrik eine 4. Industrielle Revolution ein. Unternehmen werden zukünftig ihre Maschinen, Lagersysteme und Betriebsmittel als Cyber-Physical Systems (CPS) weltweit vernetzen. So lassen sich die industriellen Prozesse in der Produktion, dem Engineering und der Supply Chain grundlegend verbessern. In neu entstehenden Smart Factories herrscht eine völlig neue Produktionslogik. Die eingebetteten Produktionssysteme sind mit betriebswirtschaftlichen Prozessen innerhalb von Fabriken und Unternehmen vernetzt und zu Wertschöpfungsnetzwerken verknüpft – von der Bestellung bis zur Ausgangslogistik. Gleichzeitig ermöglichen und erfordern sie eine durchgängige Betrachtung über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg.

Durch Industrie 4.0 entstehen neue Formen von Wertschöpfung und neuartige Geschäftsmodelle. Gerade für Start-ups und kleine Unternehmen bietet sich hier die Chance, nachgelagerte Dienstleistungen zu entwickeln und anbieten.

Der Arbeitskreis Industrie 4.0 sieht für die Unternehmen unter anderem Handlungsbedarf in folgenden Handlungsfeldern:

  • Beherrschung komplexer Systeme: Produkte und Produktionssysteme werden immer komplexer. Adäquate Planungs- und Erklärungsmodelle sind eine Basis, um die zunehmende Komplexität zu beherrschen. Ingenieuren müssen Methoden und Werkzeuge an die Hand gegeben werden, um solche Modelle zu erstellen.
  • Sicherheit: Die Betriebs- und Angriffssicherheit sind in den intelligenten Produktionssystemen erfolgskritische Faktoren. Zum einen sollen von den Produktionsanlagen und Produkten keine Gefahren für Menschen und Umgebung ausgehen; zum anderen müssen die Anlagen und Produkte selbst vor Missbrauch und unbefugtem Zugriff geschützt werden – insbesondere die darin enthaltenen Daten und Informationen. Dazu sind zum Beispiel integrierte Sicherheitsarchitekturen und eindeutige Identitätsnachweise zu verwirklichen, aber auch Aus- und Weiterbildungsinhalte entsprechend zu ergänzen.
  • Arbeitsorganisation und -gestaltung: Die Rolle der Beschäftigten erfährt in der Smart Factory einen erheblichen Wandel. Die zunehmende echtzeitorientierte Steuerung verändert Arbeitsinhalte, -prozesse und -umgebungen. Das bietet Chancen für eine stärkere Eigenverantwortung und Selbstentfaltung der Arbeitnehmer, die durch einen sozio-technischen Gestaltungsansatz verwirklicht werden können. Dazu sollten eine partizipative Arbeitsgestaltung sowie lebensbegleitende Qualifizierungsmaßnahmen in den Blick genommen und Referenzprojekte mit Vorbildcharakter initiiert werden.
  • Aus- und Weiterbildung: Die Aufgaben- und Kompetenzprofile der Mitarbeiter werden sich in Industrie 4.0 stark verändern. Das macht adäquate Qualifizierungsstrategien und eine lernförderliche Arbeitsorganisation notwendig, die lebensbegleitendes Lernen und eine arbeitsplatznahe Weiterbildung ermöglichen. Dazu sollten zum Beispiel Modellvorhaben und »Netzwerke guter Praxis« gefördert sowie digitale Lerntechniken erforscht werden.

Dies bedeutet für die Unternehmen sich schneller als bisher zu verändern, schneller auf Impulse zu reagieren und kompetent mit der gestiegenen Komplexität umzugehen. Die Führungskräfte und die HR-Bereiche in den Unternehmen sind gefordert, die Entwicklung ihres Personals schneller und stärker als bisher auf neue und veränderte Anforderungen anzupassen und Arbeitsorganisationen zu etablieren, die wesentlich mehr Freiräume als bisher bieten. Feste Schichten und harte Abteilungsgrenzen werden ebenso auf dem Prüfstand stehen wie rigide Stellenbeschreibungen. Entscheidungen werden zunehmend dort getroffen werden müssen, wo die zu entscheidende Situation entsteht. Eine Vertrauenskultur und der Ausbau von Entscheidungsfähigkeiten sind dafür unbedingte Voraussetzung. Industrie 4.0 führt so zu mehr selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und damit höher motivierten Mitarbeiter*innen. Um das zu erreichen bedarf es neuer und innovativer Ideen und Möglichkeiten der Weiterbildung, der schulischen und universitären Ausbildung sowie für das duale Ausbildungssystem und die Organisationsentwicklung.

Wilhelm Dick

SYNNECTA Scrumt

Unser Backlog ist ganz schön voll. Die Sprints takten uns. Die User-Storys stehen, unsere Kommunikation ist in Prüfung.

Die Beraterinnen und Berater von SYNNECTA üben sich in Reflektion, Selbstorganisation und Innovation. Dieses Mal, indem sie an einer internen »Scrum«-Weiterbildung teilnehmen.

Unser Kooperationspartner Scrum Events hat diese Weiterbildung auf unsere Bedarfe hin extra maßgeschneidert. Wie gestalten wir unsere Arbeitskultur, wie erlebe ich die Aufforderung zum Change, ist agiles Arbeiten neu oder alt, wie funktionieren wir miteinander? Scrum ist empirisch, inkrementell und iterativ. Es erlaubt uns, Impulse zu haben und sie später zu prüfen, Fehler zu machen, sie zu verbessern, sich zu verändern. Schnell zu sein, nicht hektisch. Einander zuhören.

Die Übersetzung in die Beratungsarbeit erfolgt parallel und weiterhin. Agile Konzepte gehören längst zum Arbeitsmodus einiger Organisationen. Daraus gelebte positive Erfahrung zu machen und Erfolge zu feiern, ist in Teams oft noch neu oder sogar unbekannt. Wir können bestätigen, es ist nicht leicht, aber empfehlenswert sich damit zu beschäftigen.

Die Scrum-Erfahrung bekräftigt unsere These der diesjährigen SophiaWerkstatt: Agil sein kann nur, wer Inhalt, Ziel und sich selbst im Fokus hat.

Hanna Göhler

Tischrunde: Von Bingo zur Vielfalt

Diese Person: hat 3 Kinder, ist nicht hetero, spricht drei oder mehr Sprachen, hat schon mal im Ausland gelebt, ist jünger als ich, hat nicht studiert, kann Golf spielen, lebt alleine, ist Führungskraft von über 100 MitarbeiterInnen.

Bingo spielen wir nicht mit Zahlen, sondern mit Beschreibungen. Eine Beschreibung, die »auf den ersten Blick« auf eine andere Person im Raum zutrifft. Ich gehe auf die Person zu und frage sie, ob meine Annahme wirklich stimmt. Meine Bilder im Kopf über andere. Die Beschreibungen werden zu Zuschreibungen. Manche Fragen sind unverfänglich, einige kritisch und manche sind echte Tabuthemen. Was ist schwieriger: fragen oder gefragt zu werden?

In der SYNNECTA Tischrunde »Wachsende Vielfalt – von Barrieren zur Ressource. HR als Initiator für mehr Diversity Awareness« am 21. April 2016 in Köln kommen Menschen zusammen, die in der HR, PE, OE kleiner und großer Organisationen tätig sind. Von eigenen Erfahrungsberichten, über Role-Model-Funktion der HR Abteilungen, zu harten Fakten der Strategie: wir diskutieren Faktoren eines umfassenden Diversity Managements und was wir als SYNNECTA in diesem Feld beraterisch anbieten.

In unserer Rolle als BeraterInnen richten wir den Blick auf Organisationsstrukturen, und auf die Handlung von Menschen, wir fragen nach dem Warum und Wie. Diversity Management ist Teil von OE/Change Management, es erfordert ein Umdenken, ein Erneuern von Prozessen und individuellem Verhalten. Weil Vielfalt so vielfältig ist, widmen wir uns drei Diversity-Kategorien: Alter, sexuelle Orientierung, kulturelle Herkunft.

Wie können Unternehmen mit der demographischen Entwicklung umgehen? Was bedeutet eigentlich alter(n)sgerechte Führung? Wie können Unternehmen mögliche Benachteiligungen aufgrund des Alters bereits in ihrer Personalplanung entgegenwirken? Wertvollen Input gibt uns die Gastreferentin Dr. Anna-Maria Aldorf zu Alter und Demographie.

Zur Kategorie der sexuellen Orientierung, ein großes Tabuthema in deutschen Unternehmen, geben Magnus Anschütz und Julia Steding bedeutende Gedankenanstöße. Als ReferentInnen unseres Kooperationspartners anyway e.V. (SchLAu-Team) machen sie deutlich, dass sexuelle Orientierung wesentlicher Teil menschlicher Identität ist: Wer das volle Potential der Menschen nutzen möchte, muss die Kategorie der sexuellen Orientierung integrieren und mitdenken.

A.Krishna, Financial Director of Bosch RBEI India, zuvor in leitender HR Funktion in Indien, inspiriert mit seinen Erfahrungen aus inter-/transkulturellen Arbeits- und Lebenswelten in Indien und Deutschland. Wie passen Globalisierung und local habits zusammen? Wie lassen sich koloniale Denkweisen und Arbeitsstrukturen aufbrechen und neue, gerechte globale Arbeitswelten schaffen? Wie funktioniert kultursensible Leadership und was kann HR beitragen, damit Herkunft und Kultur keinen Grund zur Diskriminierung darstellt, sondern als Bereicherung wahrgenommen und genutzt wird?

Diese Tischrunde zeigt einmal mehr, dass es in der OE um die persönlichen Erfahrungen von Menschen geht. Als Beratung stellen wir essentielle, teilweise unbequemen Fragen, holen Menschen aus der Komfortzone heraus, jedoch immer die »Sicherheit« aller im Blick. Beim Diversity Management können keine Standardlösungen aufgefahren, sondern zusammen mit den Menschen die Bedarfe im Kontext der Unternehmenziele analysiert werden. Unser Diversity Management-Start beginnt auf Ebene des menschlichen Bewusstseins. Prozesse und Struktur wie bspw. Bewerbungsverfahren können angepasst werden. Zwar sind für einen HRler diese Elemente ein wichtiges Hilfsmittel, er oder sie muss aber insbesondere sensibel interagieren (eigene Sozialkompetenz und Diversity Awareness) und geschult (Wissen) sein. Im Personalgespräch oder Job-Interview ist es die Aufgabe der HRlerIn, diversitykompetent zu sein und Entscheidungen entlang der Diversity-Strategie des Unternehmens zu treffen. Die individuelle Verantwortung und Eigenverantwortung (free radicals) von staff und leader kommen im Anschluss zum Tragen.

Es ist deutlich, diversity ist ein sensibles Thema, Vermeidung ist eine klassische Form des Umgangs mit Unterschieden. Dies vermeidet Konflikte. Zugleich wird klar, Vermeidung bedeutet, die Reduzierung von Leistungspotential und es vermindert das Engagement von Mitarbeitern. Deshalb, sensibles Vorgehen, ja – aber wer etwas bewegen will muss sich auch der Auseinandersetzung stellen und sich aus den Schaufensteransätzen herauswagen. Wirkliche Agilität wird es ohne diversity nicht geben.

Die Produktion eines »diversity tree« mit bunten Fingerabdrücken aus Wasserfarben macht noch keine neue Unternehmensstrategie. Sie bildet die Individualität ab, die im Raum ist, Symbol für das gemeinsame Wachsen an solchen Tischrunden-Tagen, für die Verästelung von Meinungen, Erfahrungen, Inhalten, Interessen, und zugleich für den »menschlichen Stamm«, der uns alle verbindet.

Eine Frage wird noch diskutiert: Ist es sinnvoll und notwendig, am CSD teilzunehmen, auch wenn ich selber dieses Event eigentlich gerne meiden würde? Überzeugen Sie sich selbst im Juli 2016 und nehmen Sie am Kölner SYNNECTA Sommerseminar »Diversity und sexuelle Identitäten« teil.

Hanna Göhler

Sophia 2015 – agile takte

Vorabend, große Runde, Kulturstätten und Esstempel, gepflegte Speisen, diverse Kontakte, lebendige Gespräche, kurzweiliger Abend – zufrieden.

Erster Tag, Ankommen auf der Praterinsel, überraschend andere Lokation, Irritation, Abbruchcharakter, keine Türen, Graffiti und Mauerbrocken, Aufputzleitungen, chaotisches Ambiente, Freiraum erkennen, Einlassen wollen, Horizont erweitern, Vielfalt nutzen, erfreulich anders, spannende Workshops, von Gefühlen, Beteiligungsprozessen und Flüchtlingskrisen, Stadtentwicklung in Scrum-Logik mit einem Koffer voll Lego, Improtheater vom Feinsten mit Ulan & Bator, volle Aufmerksamkeit, kurzweilig, humorvoll und überraschend, Farbspiele und wunderbares Dinner, Ausklang mit Tangoimpressionen – beflügelt…

Zweiter Tag – Kontrastprogramm, CityBound in der AllianzArena, Back to the roots, klassische Tagungsatmosphäre, Kissen statt Stühle, Gespräch mit dem Orchestervorstand der Münchner Philharmoniker, Hierarchie und Demokratisierung, inspirierende Workshops, von Persönlichkeiten, Cyclic Intelligence bis hin zu Tribes, voller Spannung aufbrezeln, luftiges Abendessen in der Sky-Bar, Interview mit dem Intendanten der Münchner Philharmoniker Paul Müller, große Vorfreude, vibrierendes Eröffnungskonzert, weiter geht’s in den Martini Club, Cocktails und Tanz – verzaubert…

Mitten in der Nacht, zurück im Hotel, Ausklang an der Bar, erschütternde Nachrichten aus Paris, aus der Traum, todmüde und hellwach – verstört…

Letzter Tag – Trotz allem Start im Hotel, agile Transformation im Eröffnungsplenum, von Ansprüchen und Wirklichkeiten, Trends und Bodenhaftung, Ortswechsel Richtung Gasteig, Warten auf den Maestro, beeindruckender Valery Gergiev, innere Motivation, kraftvolle Agilität, ein Leben voller Musik, fern und doch so nah, Jazz und Beteiligung, im Konzert offiziell daddeln, Abschlussplenum voller Dankbarkeit, Lust auf mehr, frische Luft und Abstand, Genuss in der Umgebung, jetzt erst recht, zwei Konzerte am Abend, gehaltvoll und leicht, Andreas Hofmeir an der Tuba, ein gelungenes Crossover, großartiger Till Brönner meets MPhil, atemberaubend, die Sinne geschärft, die Körper wippen im Takt, Improvisation und Perfektion, die Luft brennt, das Publikum enthusiastisch, und wir – völlig beseelt…

Und was bleibt – Warten auf die Sophia 2016!

 

Renate Standfest

»Wenn die Musik der Liebe Nahrung ist«

»Wenn die Musik der Liebe Nahrung ist, spielt weiter!«
(William Shakespeare)

Die SophiaWerkstatt bedeutet uns viel

Ein Symbol des Kreierens, der Geselligkeit und Ausgelassenheit, des gemeinsamen Weiterbildens. Bildung, das Wesen der Aufklärung. Die Räume, in denen wir uns auf der diesjährigen Sophia bewegen, können unterschiedlicher nicht sein. Das Haus 3 der Praterinsel, abgerockt bohème, das 4-Sterne-Hotel, konventionell gediegen, der Konzertsaal, holzig bürgerlich, die Arena, aufregend nüchtern. Die Räume haben Farben, die sich als Gefühl in uns ausbreiten. Den selben Raum erlebt der eine Mensch als milchig warm und der andere als kristallblau. In diesem Moment treffen wir aufeinander.

Mittels Improvisationstheater zeigen uns Ulan & Bator aka Sebastian Rüger und Frank Smilgies: der Geist ist Energie, und wir können sie steuern. Wir lernen von ihnen zu spielen, einander zu achten, sich zu erden, und zugleich dem Gegenüber Aufmerksamkeit zu schenken. Die eigenen Auffassungen, Positionen und Positionierungen – und zugleich die der anderen – bewusst wahrnehmen und verstehen und ihnen aktiv begegnen.

Das Sophia-Programm ist abwechslungsreich, agil, kreativ. In Workshops zu Effectuation, Person und Persönlichkeit, Gefühle in Gruppen, Beteiligung, Cyclic Intelligence, Tribes und im Scrum-Planspiel lernen wir neue Dimensionen des Agilitätsbegriffs kennen. Und erfahren, dass agile Arbeitsmethoden nicht unmittelbar agiles Handeln hervorrufen.

Eine unfassbare Mischung geschichtsträchtiger und monumentaler Kompositionen

Am 13. November 2015 sitzen wir abends im Konzertsaal der Münchner Philharmoniker. Das Orchester durchflutet den Raum mit Klängen von Schönberg, Skrjabin, Wagner. Eine unfassbare Mischung geschichtsträchtiger und monumentaler Kompositionen. Gergievs entschlossene Zurückhaltung wirkt unerwartet berauschend. Zum selben Zeitpunkt wird in das Herz aufgeklärter Milieus getroffen. Wir sind in Trauer, voll Bitterkeit, Erschütterung. Noch vor jeder wirklichen Erkenntnis beginnt die Welt mit Positionierungen, Diagnosen und Schuldzuweisungen. Adorno sagt, die fast unlösbare Aufgabe besteht darin, weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu lassen.

Die Entwicklung von Menschen und Organisationen braucht Lernformen, die Perspektiven öffnen und Standpunkte verschieben. Sie braucht wissbegieriges Staunen und ehrliche Freude an Anderen. Mit der Sophia positionieren wir uns und nutzen wir die ganze Breite kultureller Möglichkeiten, um lebendiges Lernen zu gestalten. Kultur und Kunst ermöglichen Erkenntnis.

Sophia heißt Weisheit

Unsere Leben sind geprägt von Freiheit, auch wenn sie uns jetzt nicht schützen kann. Wir verpflichten uns dem Humanismus, Wir lassen uns nicht betäuben. Ob in Unternehmen, im Freundeskreis, in der Familie, in mir. Es sollen Räume entstehen, in denen wir Freude, Scham, Furcht, alle Gefühle benennen dürfen, so dass Sinn und Geist für Gemeinschaft entsteht. Wir lassen uns nicht beschämen. Die Sophia bekommt in diesen Tagen die neue Bedeutungsebene der Solidarität.

Hanna Göhler

Rundum vernetzt – 2. SYNNECTA Tischrunde

Unternehmen 2.0 führen – Transformation zu mehr Offenheit

Was wir schon vor der Tischrunde wussten: Das Internet ist nicht kollabiert. So hatte es Robert Metcalfe, Erfinder des Ethernet, in den 1990ern prophezeit. Das Internet hat sich sogar weitesgehend durchgesetzt. Es gilt, sich dieser Tatsache zu stellen und ein Bewusstsein für die Bedeutung und Deutung digitaler Sphären zu schaffen. Unternehmen und Konzerne sind aufgefordert, die digitale Entwicklung verantwortungsvoll zugestalten und Transformation hin zum E 2.0 zu ermöglichen. Dazu müssen sich Menschen in Bewegung setzen.

Unternehmen 2.0 (Enterprise 2.0 / E 2. 0) steht für das hoch vernetzte Unternehmen. Im optimalen Sinne bedeutet dies, dass Kommunikation und Zusammenarbeit weiterentwickelt werden, bis hin zu einer agilen, flexiblen und offenen Kollaboration. Was sind notwendige Voraussetzungen und günstige Bedingungen für E 2.0, mit welchen unmittelbaren und unvermitteltenden Konsequenzen müssen Unternehmen rechnen? Und was hat Personalentwicklung eigentlich damit zu tun?

Um Fragen wie diese zu diskutieren, hatten wir im Oktober zur zweiten Tischrunde eingeladen. Ort der Inspiration war uns der raum13 Zentralwerk der schönen Künste in Köln-Deutz. Ein symbolträchtiger Ort der Industrialisierung. Hier wurde der Ottomotor gebaut und das bewegt seither die Welt. Die Geschichte und das Jetzt des raum13 nimmt uns mit auf eine Reise in ambiges Leben mit verunsichernden Umbrüchen, wir tauchen ein in vorige Jahrhunderte und in vucarisierte Zustände der Industrialisierung. Die zweite Tischrunde thematisiert und kommentiert die aktuellen Entwicklungen von Vernetzung, Digitalisierung und die Rolle von HR in dieser Transformation.

»Die weltweite Nachfrage nach Kraftfahrzeugen wird eine Million nicht überschreiten – allein schon aus Mangel an verfügbaren Chauffeuren«, sagte einst Gottlieb Daimler (1834 – 1900). Heutzutage mangelt es eher am Verständnis für Abgas-Skandale; massenhafte Überproduktionen gehören zur post-industriellen Normalität kapitalistischer Ordnung. In heutiger globaler Landschaft geht es um viel Virtuelleres, wenngleich nicht weniger reales: um Information und Daten. Das Spektrum reicht von Big Data, Verschlüsselung, Industrie 4.0 bis hin zu Persönlichkeitsrechten, Transparenz oder dem individuellen virtuellen Dasein. In Unternehmen werden neue Ausbildungen und Stellen geschaffen, etwa die des »Community Managers«, wie uns Katharina Perschke berichtet, eine der ExpertInnen, die wir zur Tischrunde eingeladen hatten.

Das technische Vehikel für offene Kollaboration liefern Web 2.0-Technologien: soziale Netzwerke, virtuelle Communities, Blogs, Wikis oder File-Sharing. Solche technischen Innovationen sind den kulturellen ein Stück voraus. Die Teilnehmenden der Tischrunde sind sich einig, dass die Möglichkeiten der Technik einen tiefgreifenden Wandel von Unternehmenskulturen bedeuten. Diese Kulturen sind häufig jedoch noch von geschütztem Wissen, funktionaler und hierarchischer Positionsmacht und starrem Silo-Denken geprägt. So fragen sich die Teilnehmenden der Tischrunde, ob sich die eigenständigen Dynamiken auf Plattformen top down beinflussen lassen oder ob eingesehen werden muss, dass Einflussnahme gemindert ist und längst eine Machtverschiebung stattgefunden hat.

Dass wir Autos fahren und währenddessen auf einem mobilen Telefon per Email erreichbar sind, ist für viele von uns mittlerweile normal. Obwohl sich die Umwelten seit der industriellen Revolution geändert haben, wie uns im raum13 noch einmal bewusst wird, die Effekte für die Menschen bleiben. Neu-Gier, VUCA, Interesse an Progress und Kreation, ein Getriebensein. Unterscheiden sich die Fragen? Früher: Ab welcher Geschwindigkeit platzt der Mensch? Heute: In welchem Bewusstsein gestalte ich virtuellen Raum und meine digitale Identität? Diese Fragen sind Ausdruck einer grotesken Situation, in die Menschen sich begeben; und sie müssen gestellt werden.

Strukturen müssen sich ändern. HR muss flexibel und agil werden und gelassen werden. Bewegung durch Zeit und Raum verändert ihre innere Dynamik, ihre Schnelligkeit und ihre Art, wenn sie digital wird. Digitale Bewegungen im vernetzten Unternehmen werden Teil ständiger Erneuerung und Veränderung von Unternehmensstrukturen und -kulturen. Auf der Datenautobahn geht es nicht mehr um die Frage, ob man selber, sondern ob die Dotcom-Blase platzt. Mit anderen Bewegungen in digitalen Räumen bekommt die Dimension Zeit ebenfalls eine neue Bedeutung. Wann ist der richtige Zeit-Punkt, wer ist schneller: eine Entscheidung in der Führungsetage oder der Informations-Einfluss der digitalen Community? Was teile ich wann? Wer kontrolliert? Wann gehe ich mit wem wohin und welchen Weg nehmen wir?

Wir streben nach der Befähigung und Beteiligung der Mitglieder einer Organisation, und nach der Etablierung einer neuen »2.0 Führungskultur«. Es braucht eine Führung, die die Transformation hin zu mehr Offenheit zulässt und fördert. Es braucht eine Unternehmenskultur, die HR ermöglicht, tatsächlich neue Prozesse zu gestalten. Es braucht Mitarbeitende, die sich mit E 2.0 identifizieren. Kollaboration in einem Unternehmen 2.0 heißt, dass Menschen Verantwortung unter weniger autoritärer Führung annehmen können und wollen. Wege gehen und gehen lassen, die bisher allenfalls als Trampelpfade in Erscheinung treten.

»Computer sind nutzlos. Sie können nur Antworten geben.« (Picasso, 1946). Wie der Flieder im raum13 seinen Weg durch den Asphalt findet, durch Ritzen wächst und in Zwischenräumen blüht, den Ort re-naturiert und zu einem anderen macht, müssen Menschen ihre Organisationen und ihre Arbeitsweisen neu gestalten, sich im digitalen Raum zurechtfinden, darin Zwischenräume aufmachen und (sich) weiterhin Fragen stellen.

Wir danken dem raum13, Anja Kolacec, Marc Lessle, Verena Bildhauer, Ellen Spiegel sowie allen Teilnehmenden und den Gästen Rüdiger Schönbohm, Katharina Perschke (BOSCH), Björn Preußer (CBTL) für ihre Perspektiven und die Bereitschaft zum angeregten und offenen Austausch.

Hanna Göhler

In seinen Blogartikeln gibt Rüdiger Schönbohm einen spannenden Einblick in den Arbeitsbereich E 2.0: