Anlässlich unseres Seminars »Sexuelle Identitäten am Arbeitsplatz. Diversität wahrnehmen, anerkennen, nutzen« lesen wir den Roman »Vielen Dank für das Leben«. Sibylle Berg beschreibt mit Toto die Biographie eines intersexuellen Menschen, der ohne eindeutiges Geschlecht geboren wird. Oder wird dieser Mensch mit einem uneindeutigen Geschlecht geboren? Oder mit einem dritten Geschlecht? Oder schlicht und einfach mit einem Geschlecht.

Es ist ein Nichts. Sagte der Doktor.

Dieser Mensch ist ein Mensch. Und bei diesem Menschen ist alles vorhanden, ein Körper, Gedanken, Gefühle und der Wille zu leben. Ein Geschlechtsteil ebenso, jedoch ist das nicht einzuordnen in »typisch männlich« oder »typisch weiblich«, sondern erscheint in eigener besonderer Form, die nicht in das übliche binäre/heteronormative/normale Muster passt.

All das Gequatsche von Würde. Die würdevollen Menschen, ihrer Anzüge entledigt, hier auf den Boden gesetzt und dann geschaut, was da so übrig bleibt.

Die Welt ist geprägt von Vielfalt, das gilt für Geschlechter, Geschlechtsidentitäten und damit einhergehend für sexuelle Orientierungen. Intersexuelle Menschen sind Teil dieser Vielfalt, wobei Intersexualität selbst vielfältige Formen kennt und damit Zeichen biologischer Diversität ist. Menschen mit intersexuellem Geschlecht sind natürlich auch Teil von Unternehmen und Firmen, es muss zur Selbstverständlichkeit werden, sie mitzudenken.

Dieser Roman ist eine radikale Abrechnung mit den Menschen, mit dem Schlechten, der Tristesse und gedämpften Atmosphäre in deutsch-deutschen Leben, mit den abscheulichen Gesetzen der Ungerechtigkeiten.

Toto, der sang, der schrie, von einem Leid, dessen er sich nicht bewusst war, und der die Menschen, die ihn zu verspotten suchten, nicht wahrnahm. Toto schien über allem zu schweben, was die Welt zu einem widerlichen Ort machte.

»Vielen Dank für das Leben« ist eine Quelle und ein Plädoyer für die Wahrheit. Ingeborg Bachmann sagt: »Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar.«

Sibylle Berg: Vielen Dank für das Leben
Hanser 2012 | 400 Seiten

Hanna Göhler