Bangalore, 27 Grad Celsius, reges Treiben auf vollen Straßen, die Sonne scheint durch eine urbane Geräuschkulisse. Davon bekommen wir, die Teilnehmenden der Konferenz, nichts mit. Die fensterlosen Konferenzräume sind von Klimaanlagen auf sechzehn Grad abgekühlt. Zu kalt für hitzige Schlagabtausche, dafür eine Atmosphäre kritischer und konstruktiver Auseinandersetzung mit brandaktuellen Fragen um das Thema »Beyond Learning – L&D as architect of Sustained Organization Development«. Die Atmosphäre und die Gespräche sind konzentriert, neugierig, offen und freundlich.

Im Oktober waren wir vom indischen NHRD zum 2nd National Summit on Learning & Development in Bangalore als offizieller Knowledge-Partner eingeladen. Umgeben von indischen HRlern, Psychologen, Führungskräften, Entscheidern und Entscheiderinnen, Leadership Architects, Organisationsberatern und Studierenden einer Business School, fallen wir als einzige Nicht-Inder auf. Was bedeutet es, als deutscher Knowledge-Partner auf einer indischen Konferenz eingeladen zu sein? Was haben wir dort erlebt, und was heißt das für unsere Arbeit?

Auf der Konferenz bewegen Fragen nach dem Umgang mit VUCA in globalen Zuständen und Fragen nach dem Sinn täglichen menschlichen Handelns und organisationalen Gestaltens. In den Antworten liegt eine Annahme zugrunde: dass organisationale Strukturen durch Menschsein und Sich-Miteinanderverhalten entstehen. In Bezug auf nachhaltiges Handeln in Organisationen ist dann Beziehungsgestaltung bedeutender als die Verteidigung eigener Absichten. In Rüdiger Müngersdorffs Panel »Transformation – Role of L&D- From Solution provider to Proactive influencer of change« waren sich die SprecherInnen einig, dass proaktives Verhalten von Einzelnen Wandel und Veränderung in Organisationen erst ermöglicht und dass L&D-Abteilungen mit entsprechenden Werkzeugen und Kompetenzen ausgestattet sein müssen, um handlungsfähig zu sein. Dazu gehört die Fähigkeit, Beteiligungskonzepte als Bottom-up-Architekturen implementieren zu können – ein Können, das in Zeiten von top down gestalteten, kaskadierenden Konzepten derzeit eher verlernt wird. Lebendigkeit, Agilität, Wachheit, Geschwindigkeit wird sich, da waren sich die Teilnehmer einig, nur aus der Organisation, also middle-bottomup entwickeln lassen.

Inspiration gaben uns Erkenntnisse/Aussagen wie diese:

  • Partizipation: VUCA kann nur unter Beteiligung aller Menschen im Unternehmen adäquat begegnet werden, denn VUCA ist kein Problem des Subjekts, sondern ein strukturelles globales Phänomen, mit dem aus der Logik des Kollektivs heraus umgegangen werden muss. Die Performanz des Einzelnen erhält erst Bedeutung im Kontext der Anderen und muss motiviert sein von der Frage nach geteilten Werten.
  • Spiritualität: der Sinn täglichen Handelns ist spirituell motiviert und gemeinsame Werte sind eine zentrale Voraussetzung für die Gestaltung von Organisationen. Spiritualität ist kein Selbstzweck.
  • Veränderungsbereitschaft: Lernen geschieht unter einer wichtigen Voraussetzung: des Verlernens. Dazu gehören das Bewusstmachen bestehender Zustände und der Wille zur proaktiven Transformation.

Was hat uns überrascht? Der Begriff VUCA in all seinen Bedeutungsebenen war ein zentrales Thema. Merkmal aller Panels war das kritische Beleuchten herkömmlicher, konventioneller L&D-Strategien: Klassische Führung und Senior-Leadership mit all ihren dominanten Elementen wurden hinterfragt und Partizipation sowie organisationale Entwicklung über funktionale und Hierarchiegrenzen hinweg befürwortet.

Die Begegnungen mit Menschen, ihren Themen und Haltungen bedeuten für uns inter- oder transkulturelles Lernen. Sie bringen uns, weitweg von theoretischen Analysen, unmittelbar ins direkte Erleben und nehmen Einfluss auf unsere Weltenbilder. Mit neuen Geschichten, bereichernden Perspektiven auf uns und Andere lassen wir den Pashmina an und sind gut gestärkt für den Winter in Deutschland.

Hanna Göhler

www.nationalhrd.org