Achtsamkeit als mentale Plattform und Nährboden für Agilität

Blogreihe: Agile Transformation braucht Achtsamkeit (1)

Zunehmend erlebe ich eine große Bereitschaft und Offenheit bei Bereichen und Teams, sich auf agile Workframes einzulassen. Das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung. Tatsächlich wird dann jedoch im gemeinsamen Arbeiten erkennbar, dass dieses bewusste Einlassen begleitet wird von einer ebenso großen Kampfbereitschaft, wertvolle Errungenschaften, geschätzte Prozesse und hart erarbeitete Rollen aus der Vergangenheit zu verteidigen.

Diese gegenläufigen Tendenzen, die wir ja auch als Individuen alle in uns haben, werden auch hier in unterschiedlichen Gruppendynamiken auf dem Weg zu neuen Arbeitsformen deutlich. Vorfreude auf Neues – und die Angst vor dem Ungewissen, verbunden mit allen Gefahren für eigene Rollen, Anerkennung, Status und eigene Leistungsmöglichkeiten. Wir könnten diesen Modus Überlebenskampf-Modus nennen.

Werden die damit verbundenen Prozesse auf individueller Ebene bei vielen Akteuren dominant, dann steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass die daraus resultierenden Haltungen und Handlungsvarianten starke Auswirkungen auf gruppendynamische Prozesse im Transformationsgeschehen haben. Insbesondere, wenn Drehpunktfiguren, häufig auch Führungskräfte im Überlebenskampf-Modus agieren.

Gegenmittel Achtsamkeit

Interessant ist dabei die Beobachtung, dass Techniken und Haltungen aus dem Feld der Achtsamkeit einen Veränderungsshift im Klima von Interaktionen unterstützen, so dass Erneuerung, Perspektivenwechsel und Vertrauen in den Vordergrund rücken – nennen wir diesen Modus Kollaborationsmodus. Wie ist das zu erklären?

Dazu müssen wir zunächst auf die Wirkmuster von Achtsamkeit auf unsere Denkmodi schauen. Ellen Langer, die originelle Forscherin von der Harvard-University, hat im Laufe ihrer Forschungsarbeiten mehrere Kennzeichen von Menschen im Achtsamkeitsmodus beschrieben. Hier die wesentlichen Merkmale:

Wenn wir uns die linke Seite anschauen erkennen wir die Denkmuster, die achtsame Akteure prägen. Und genau solche Denkmuster sind sehr hilfreich, um aus einem »Überlebenskampf-Modus« in einen »Kollaborationsmodus« zu wechseln.

Ein wesentlicher Wirkmechanismus scheint dabei zu sein, dass Achtsamkeit dem Einzelnen ermöglicht, sich von eigenen (automatischen) schnellen Bewertungen, Vorurteilen und Routinen zu distanzieren. Dazu gehören bei erprobten Akteuren im Unternehmensumfeld insbesondere die Routinen, um sich durchzusetzen, sich zu verteidigen und zu gewinnen. Sobald diesen »Reflexen« nicht mehr unmittelbar gefolgt wird, entsteht Raum in der Kooperation, neue Gedanken und Ideen gemeinsam zu verfolgen und aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten.

Was kann Achtsamkeit als Selbststeuerungstool bewirken?

Achtsamkeit kann eine mentale Plattform sein, die Energien aus dem Modus der Kampfbereitschaft und Verteidigung in einen Modus der Fokussierung, Entschlossenheit, und gemeinsamen Gestaltungswillen zu transformieren. Eine achtsame Haltung ermöglicht die Distanz zu alten Auto-Pilot-Reflexen und eine Distanz zu Mechanismen, die aus Bedrohung und Angst entstehen.

Offensichtlich empfinden wir Abweichungen von alten Routinen und Mustern in der Selbstorganisation, neben der frohen Erwartung auf schönes Neues, sehr leicht als Bedrohung. Sobald aber interne Bedrohungs- und Angstroutinen unsere Denkmodi beherrschen, werden alte Muster bei Individuen und Kollektiven sehr mächtig und blockieren neue Wege.

Und obwohl wir eigentlich auf der rationalen, bewussten Ebene Veränderung wollen, fallen uns als Reaktionen auf bestimmte Situationen und der Gestaltung der Veränderung nur alte Lösungen ein. Oder noch präziser: Diese alten Reaktionsmuster passieren einfach.

Achtsamkeit ermöglicht die innere Distanzierung von alten Mustern – und ermöglicht so, auch unter Bedrohung, neue Handlungsmöglichkeiten. Damit ist eine gute Voraussetzung geschaffen, um neue Arbeitsformen, anderen Umgang mit Hierarchien und neues Lernen zu erleichtern.

Achtsamkeit als Nährboden für Haltungen, die agile Arbeitsformen unterstützen

Welche Haltungen erleichtern Kooperation, Erneuerung, Veränderung und Selbstverantwortung? Hier können mehrere Haltungen hervorgehoben werden. Da ist mit Sicherheit die Offenheit für Neues hervorzuheben. Achtsamkeit fördert und kultiviert den sogenannten »Anfängerblick«, die Haltung der »Präsenz« und die »nicht-wertende Betrachtung«.

Allein dieses Trio von Haltungen ist ein guter Nährboden für neue Arbeitsformen. Präsenz meint die Haltung, ganz da im Augenblick zu sein. Ergänzt durch den Anfängerblick wird die Bereitschaft erzeugt, Dinge neu und aus anderen Perspektiven zu betrachten. Unterstützt wird dieser Verarbeitungsprozess durch die »nicht-wertende Betrachtung«, die es ermöglicht, Erfahrungen nicht zu schnell in alte Denkschubladen einzuordnen und damit Neubetrachtungen zu unterbinden. Allein diese drei Haltungen sind sehr gute Voraussetzungen, um Geschäftsmodelle, eigene Rollen, Formen der Zusammenarbeit mit positiven emotionalen Bereitschaften neu zu denken.

In diesen Zeilen beschreibe ich meine persönlichen Erfahrungen als Begleiter von agilen Prozessen und setze diese in Beziehung zu den Erkenntnissen aus der Forschung zu Achtsamkeit. In meinem nächsten Blog schreibe ich über archaische Reaktionen von Menschen in agilen Transformationen und was wir tun können, um achtsame Haltungen einzunehmen.

Herbert Bittorf
Titelbild: Sanju M Gurung on Unsplash

1. Achtsamkeit als mentale Plattform und Nährboden für Agilität
2. Wie Menschen in agilen Transformationsprozessen reagieren
3. Achtsamkeit: Individuelle und kollektive Ebenen
4. Achtsamkeit und agiles Arbeiten

Erfolgsfaktoren agiler Führung

Das Umfeld, in welchem Unternehmen erfolgreich wirtschaften müssen, verändert sich seit einigen Jahren radikal. Es wird zunehmend von VUCA – von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität – erfasst. Digitalisierung, Globalisierung und zunehmende Vernetzung generieren eine exponentiell steigende Komplexität, die mit den herkömmlichen Ansätzen von Führung und Zusammenarbeit nicht mehr beherrschbar ist. Damit verändern sich die Grundregeln von Wertstiftung und Wertschöpfung fundamental.

Gleichzeitig sehen sich Unternehmen mit einem zunehmenden Fachkräftemangel in einen War for Talent geworfen. Arbeitgeberattraktivität und Mitarbeiterbindung werden in verschärfter Weise zu zentralen Wettbewerbsvorteilen. Junge Menschen der viel zitierten Generationen Y und Z stellen dabei gesteigerte Erwartungen an ihre Arbeitgeber. Vor dem Hintergrund einer generellen gesellschaftlichen Entwicklung hin zu mehr Autonomiebestreben und Individualismus möchten sie sich lebenslang lernend unter optimalen Arbeitsbedingungen intrinsisch motiviert als sinnstiftend erleben, ohne von Autoritäten dominiert zu werden.

Somit werden die Antworten auf die beiden folgenden Fragen für Unternehmen zu zentralen Erfolgsfaktoren: Wie gestaltet sich Wertschöpfung, in der unter komplexesten Bedingungen Aufgaben sinnvoll verteilt und effizient bearbeitet werden können? Und wie lässt sich im Unternehmen der Faktor Mensch stärken und sinnstiftend das Potenzial intrinsischer Motivation heben?

Führung spielt in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle. In neuer Form kann sie die Basis legen, um die oben genannte doppelte Wertstiftung möglich zu machen. Die Motivationsforschung hat Sinnstiftung, Autonomie und das Gefühl, besser zu werden, als zentrale Faktoren intrinsischer Motivation identifiziert (siehe z.B. Dan Pink). Die selben Faktoren erlauben es geleichzeitig, Komplexität beherrschbar zu machen. Die Gestaltung eines Umfelds, in welchem diese drei Faktoren sowohl für den Menschen als auch für den Unternehmenserfolg maximal wirken können, ist damit zentraler Bestandteil agiler Führung.

Durch Purpose und Rahmensetzung in der Unübersichtlichkeit orientieren

Wo in der VUCA-Situation die Komplexität der Stakeholderinteressen und der Auftragslage Eindeutigkeit zunichte machen und Mitarbeitende jeden Tag vor einer neuen Situation stehen, verlieren eindeutige, feste Ziele sowie die Einhaltung von Regeln und Prozessen an Wirkkraft. Anstelle eines fixen Fernziels, das hierarchisch »nach unten« kaskadiert wird, spannt agile Führung ein offeneres Zielfeld auf, dem man sich iterativ annähert und das sich erst Schritt für Schritt konkretisiert. Unter Nutzung der aktuell günstigsten Faktoren wird kurzfristig fokussiert ein Nahziel angesteuert, das mit einer präzisen Taktik erfüllt wird. Zentrale Bedeutung für die Orientierung der Mitarbeitenden erlangt dabei Purpose: Dieser »Sinn-Zweck« wird als richtungsweisende, sinnstiftende Vision klar und stabil gesetzt, ohne den Freiraum zu beschneiden, wie er erlangt werden kann. Da er nicht nur Wert, sondern auch Sinn stiftet, wirkt der Purpose nicht nur richtungsweisend, sondern motiviert Mitarbeitende intrinsisch und erlaubt starke Identifikation. An die Stelle von engen Regeln und starren Prozessen setzt agile Führung Frameworks und arbeitet mit Prinzipien. Rahmenwerke stecken dabei einen Freiraum ab, innerhalb dessen von den Mitarbeitenden autonom Sinn gestiftet und Wert geschöpft werden können. Prinzipien definieren einen klaren Spielraum für Verhalten, in dem jedoch ebenfalls auf die jeweilige individuelle Situation reagiert werden kann.

Selbstorganisation ermöglichen, um Komplexität zu beherrschen

Dem Ashbyschen Gesetz folgend kann man sagen: Je komplexer das Umfeld ist, desto komplexer muss die Steuerung gestaltet sein, um das Umfeld beherrschen zu können. In der VUCA-Situation wird das klassische Modell einer Hierarchie, deren oberste Führungsperson alle Entscheidungen trifft, problematisch. Der Fachexperte an der Spitze wird zum Flaschenhals; und das hierarchische Modell ist »zu einfach gestrickt« für die Komplexität der Situation. Zentrale Aufgabe agiler Führung ist es daher, selbstorganisierte Teams aufzubauen, die in autonomer Ausgestaltung eigenverantwortlich Entscheidungen treffen können. In selbstorganisierten Teams erhöht sich die Varianz der Modalitäten von (temporärer) Führung, Zusammenarbeit und Entscheidungsfindung enorm, womit gesteigerte Komplexitätsbeherrschung möglich wird. Gleichzeitig wirkt die Autonomie der Selbstorganisation intrinsisch motivierend. Es obliegt dabei der agilen Führungskraft, selbstorganisierte Team zu ermächtigen, zu befähigen und in Selbstverantwortung zu halten.

Ein kontinuierlich lernendes System schaffen

In einfachen und überschaubaren Umfeldern ist es bewährt, zuerst die Situation zu analysieren um anschließend auf Basis der Einschätzung in ein sinnvolles Handeln zu gehen. In der VUCA-Situation verliert dieses Vorgehen seine Wirkkraft, da Komplexität und Dynamik die Halbwertzeit von Analysen radikal verkürzen. Hier hat sich folgendes Vorgehen bewährt: Zuerst handeln und damit eine empirische Basis der Erfahrung schaffen, dann kurzzyklisch auswerten, welches Handeln sich bewährt (und welches nicht) und schließlich kontinuierlich lernend Handlungseffizienz und Wertstiftung optimieren. Selbst lernen und andere weiter bringen wird hierbei zum zentralen Erfolgsfaktor und Grundmotivator. Die Implementierung regelmäßiger Reviews (bezogen auf das Produkt/Konzept), Retrospektiven (bezogen auf die Art der Zusammenarbeit) sowie eine dauernde Identifikation von Hürden (Impediments) und klares (Leistungs- und Beziehungs-)Feedback sind zentrale Werkzeuge agiler Führung. All dies ist nicht möglich, ohne die Etablierung einer Lernkultur, in der jeder Fehler als wertvolle Lernchance angesehen und genutzt wird. Fail fast wird zu einem zentralen Leitspruch agiler Führungsarbeit.

Cultivating Leadership

In der klassisch-hierarchischen Organisation wird die Führungskraft als direkt gestaltender Treiber des Erfolgs gesehen, der seinen Führungsbereich maschinengleich optimal konfiguriert, einstellt, steuert und geschmiert hält. Die Leitmetapher für die agile Führungskraft dürfte im Gegensatz dazu der Gärtner sein, der ein lebendiges Ökosystem am Wachsen und Gedeihen hält. Agile Führung gestaltet das Umfeld, etabliert Rahmenbedingungen, schafft Hürden aus dem Weg, unterstützt den Eigenantrieb, fördert Synergien… und agiert damit vor allem indirekt. Sie ermächtigt und verpflichtet zur Selbstverantwortung, ohne die Mitarbeitenden allein zu lassen. Sie sorgt dafür, dass Mitarbeitende in Selbstsorge adäquat mit Belastung, Konflikt und Spannung umgehen können. Sie verhilft zur Selbsthilfe. In diesem Sinne ist agile Führung immer auch Kultur- und Entwicklungsarbeit.

Agile Transformationsarbeit

Was in den oben stehenden Absätzen für die agile Führung von Teams gilt, hat gleichermaßen Relevanz für die Führung ganzer Organisationen. Statt Organisationen mit einem eng gefassten und langfristigen Zielbild durch hierarchisch gesteuertes Change Management von A nach B zu verändern, hält agile Führung das eigene Unternehmen unter dem Leitstern eines klaren Purpose als lernende Organisation in dauernder Transformation. Wo früher strategische Themen in einem Top-Down Deployment ins Unternehmen getrieben wurden, lässt agile Führung sie in der VUCA-Situation idealiter aus der selbstorganisierten Kraft aller Mitarbeitenden emergieren; Geschäftsfelder werden co-kreativ geboren, im Kleinen getestet, dann iterativ weiterentwickelt und bei Erfolg sukzessive ins Große skaliert. Wie auch in der klassischen Organisation kommt der agile Führungskraft hierbei eine Vorbildfunktion zu: Wer agile Werte wie Commitment, Offenheit, Fokus, Mut und Respekt ins Unternehmen bringen möchte, muss sie zuallererst in die eigene Führungsarbeit integrieren und in seinem Verhalten lebendig machen.

Johannes Ries
Foto: Hanna Göhler

Nachbemerkung: Dieser Text entstand als erster Entwurf im Rahmen einer laufenden co-kreativen Initiative zum Thema Agile Leadership der Robert Bosch GmbH und der SYNNECTA. Über die Ergebnisse der Initiative werden wir in diesem Blog weiter berichten. Der Autor dankt den Mitgliedern des Co-Creation Teams Michael Knuth, Jörg Jockel, Dennis Heine und Martin Hurich sowie Christian Fust für die wertvollen Anregungen.

Mental Change? Agile Organisationen brauchen neue »Identitäten«

Betrachten wir das agile Dreieck (Methoden, Struktur, Kultur), dann bleibt der Aspekt kulturelle Veränderung einer der schwierigsten – was weder neu noch überraschend ist. Was wir Kultur nennen ist ein Zusammenspiel vieler Faktoren, die sich über ein kausales Denken nicht erfassen lassen und so von den üblichen Methoden des Change Managements kaum zu beeinflussen sind. Kultur ist kein Ding, welches man verändert, es ist etwas, was wir leben, was wir durch uns selbst und das Zusammenspiel mit anderen zum Leben bringen.

Blickt man auf das Bild des Menschen, des Mitarbeitenden, das wir den agilen Arbeitsmethoden, dem Arbeiten und Leben in agilen Organisationen zu Grunde legen, dann ist es in der Regel ein Konstrukt über junge Menschen der Generation Y oder Z. Agile, demokratischere, Hierarchie reduzierte, selbstorganisierte Strukturen haben, wen sie gelingen sollen, viel mit den Lebenskonzepten von Individuen zu tun. Und es ist nicht verwunderlich, wenn man konstatieren muss: Diese »Identitäten« sind in Unternehmen heute selten. Man kann Identitäten nicht einfach austauschen oder eine neue Identität annehmen und doch erwarten wir von Mitarbeitenden genau dies zu tun. Und damit erleben wir, dass die so zukunftsweisenden Modelle der »neuen« Arbeit oft an den Menschen, die heute die Leistung in den Unternehmen erbringen, vorbeisehen.

Wir stehen vor der Herausforderung neue Identitäten für die modernen Organisationen zu entwickeln – eine Aufgabe, die nicht nur Unternehmen leisten können, sondern eine, die die sozialen Identitätskonstruktionen unserer Gesellschaft betreffen.

Identität ist eher ein kontinuierlicher Prozess, indem Menschen ihr Leben verstehen und gestalten – in psychologischer, sozialer, politischer und philosophischer Dimension. Das Verständnis von Arbeit und die Bedeutung von Arbeit für die Identitätsbildung ist dabei ein zentraler Aspekt, der alle Dimensionen durchzieht. Genau in diesen Prozess müssen wir eingreifen. Und das heißt, wir müssen uns auch um die Bedeutung von Status, von Aufstieg, von Lebenssinn, die durch die Arbeit in einer akzeptierten Struktur vermittelt wird, kümmern. Auch da wo Mitarbeitende heute Hierarchie abbauen wollen, der Gedanke einer lateralen Karriere passt nicht in ihre Identitätsbildung, da hängen sie an der Aussicht von hierarchischem Aufstieg und Statusgewinn.

Da Identität ein Prozess ist, eine Verhandlung zwischen Akteuren und von Akteuren mit Strukturen, lässt sich an einem für die neuen Organisationsformen passenden Identitätsprozess arbeiten – hier aber fällt die Grenze von Arbeitsidentität und gesellschaftlicher Identität – die Bedingungen hierfür sehe ich derzeit nur in den urbanen Lebensumständen.

Und es ist ein Prozess, was heißt, er durchläuft verschiedene Stadien. Sie umfassen Momente der Konfusion, des wertenden Vergleichs mit anderen, einer Toleranz für die neuen Formen des sich Ausprobierens, eine Akzeptanz der neuen Identitätsstufe, eine Entwicklung von Stolz und schließlich die Integration der »Arbeitsidentität« in das ganze Spektrum der personalen Identität. Es ist sinnvoll dies als eine Reise zu beschreiben, die dann leichter wird, wenn sie mit Partnern gemeinsam unternommen wird. Und es ist wohl notwendig, dass diese Prozesse begleitet werden. Dafür stehen neben dem individuellen Coaching vor allem Supervisionskonzepte für Gruppen zur Verfügung. Und sucht man nach einem Einstieg in diesen Prozess, dann ist es aussichtsreich auf das Thema Diversity und Inklusion zu schauen – eine Auseinandersetzung mit diesen Aspekten öffnet Menschen und lässt Offenheit auch für den eigenen Prozess der Identitätsbildung entstehen. Gleichwohl sollte man nicht überschätzen, was Unternehmen hier leisten können, die gesellschaftlichen Bedingungen und Wertungen sind hier dominant. Daher wird man wohl auch Menschen suchen müssen, die bereits auf dem Weg sind, eine andere Arbeitsidentität zu leben.

Rüdiger Müngersdorff

Wachstumsschmerzen agiler Organisationen

Die Gruppe schwieg. Sie blieb still, obwohl die einladende Führungskraft versuchte, eine optimistische und aufbauende Botschaft zu senden. Fragen würden ignoriert oder die Antworten waren vage und irrelevant. In kleineren Gruppen wurden die Gespräche ein wenig lebhafter und doch gab es keine klaren Aussagen, die das für eine Gruppe im Arbeitsumfeld sehr ungewöhnliche Verhalten hätten erklären können. Ich saß vor dem, was von einer Gruppe, einer Organisation nach einem gescheiterten agilen Experiment übrig geblieben war: Schweigen, Enttäuschung, Trauer, Zerwürfnis. Was war hier schiefgegangen?

Es war nicht einfach die Führungskraft, die man als Verursacher hätte betrachten können. Er hatte ein sehr klares Verständnis von agilen Methoden, agilen Organisationsformen und er zeigte deutlich, dass er seine Position, sein Verhalten reflektiert hatte und es auch weiterhin tat. Dennoch hatte er ein paar soziale und psychische Dynamiken seines Experiments unterschätzt.

Später am Tag konnten wir ein paar Gründe für den Zustand dessen, was von einer Organisationseinheit geblieben war, besprechen. Es führte nicht aus der tiefen Enttäuschung und dem Verlust an Vertrauen in sich selbst und in das Unternehmen, aber es half zu einer realistischeren Einschätzung. Was waren die nicht förderlichen Umstände, also das Lernpotenzial?

1. Es wurden brilliante Menschen mit guter Ausbildung, hohem Engagement und leidenschaftlich verfolgten Ideen eingestellt. Sie sollten anders sein als die Mehrheit der Mitarbeiter in diesem globalen, sehr gut organisierten Unternehmen. Es wurde ihnen ein Ort versprochen, an dem sie ihre Ideen verfolgen könnten, ihre Herzensprojekte umsetzen könnten. Der Anfang war enthusiastisch, Teams entwickelten sich, die Arbeit war hoch befriedigend. Dann aber griff die Organisation mit ihren eigenen strategischen Vorstellungen ein. Sie entsprachen oft nicht den Träumen, den Hoffnungen der eingestellten Menschen. Einigen Projekten wurde die Finanzierung genommen – logisch und sinnvoll aus der Sicht des Unternehmens, ein brutaler Stopp einer doch aussichtsreichen, neuen Idee, mit deren Realisierung man in kurzer Zeit große Fortschritte gemacht hatte. Die Mitarbeiter_innen konnten, wollten den Begründungen nicht folgen, bezweifelten auch die ökonomischen Bedenken. Sie wurden in andere Projekte, andere Anfänge verschoben – was sie einst mit einem so tiefen Sinn erfüllt hatte, war weg. Nun fanden sie sich in einer genauso freien und selbstorganisierten Struktur wieder, aber sie hatte nicht den Inhalt, nicht die emotionale Attraktion. Andere verließen schon an diesem Punkt das Unternehmen. In unserem Workshop war die Trauer über die verlorenen Projekte zu spüren, sie lag schwer über allem. Doch es wurde darüber nicht gesprochen, es war so etwas wie ein von allen gewusstes Geheimnis. In Organisationsformen, die so vom Engagement, von der Leidenschaft der Teilnehmer bestimmt ist, sind Abschiednehmen, sind Trauerrituale notwendig, sollen die Menschen wieder frei für Neues, für eine neue Begeisterung werden. Und es ist schwierig in einem Umfeld abhängiger Beschäftigung für eine Produktidee zu brennen, es ist wohl aussichtsreicher mit Menschen zu arbeiten, die sich für Problemstellungen, für Kunden, für Möglichkeiten engagieren wollen.

2. Wie in den Lehrbüchern beschrieben bestimmten sie einen Scrum-Master, einen ebenfalls brillianten jungen Mann, lebendig, fluide Intelligenz, der Abschlüsse mehrerer Spitzenuniversitäten vorlegen konnte. Er war gut, doch konnte nicht aufhören der Beste der Besten zu sein und er konnte sich nicht zurückhalten, in jedem Thema mit seinem Wissen, seinen Ideen, Teil der inhaltlichen Arbeit zu sein. Er versuchte, recht dogmatisch, die Regeln zu vermitteln und forderte die Disziplin ein. Was fehlte, war soziale Kompetenz, ein beherrschter Narzissmus und ein Verständnis für die Aufgabe und Rolle eines methodischen und sozialen Begleiters. Er war der Falsche für diese Aufgabe. Soziale Kompetenz erlernt man eher selten an Spitzenuniversitäten.

3. Ohne tieferes Verständnis für die Dynamiken einer agilen, selbstorganisierten Struktur wurden die Menschen in einen agilen Arbeitskontext positioniert. Ihr eigener psychologischer Vertrag mit dem Unternehmen beinhaltet jedoch viele nicht agile Elemente: So das Verständnis, mit dem Eintritt in das Unternehmen Teil eines Systems geworden zu sein, welches fürsorglich einen sicheren Ort bereitstellt und so von den Sorgen der unsicheren Zukunft entlastete. Sie waren in eine Sicherheitszone eingetreten, die ihnen eine lange Karriere versprach. Sie erwarteten alle Freiheiten und zugleich eine Führungskraft, die die Richtung vorgab, die die Last der Entscheidung übernahm und in Konfliktfällen Lösungen herbeiführte. Was sie bekamen, war eine generelle, strategische Ausrichtung, einen Diskussionspartner und jemanden, der sich darum kümmerte, dass die Zusammenarbeit mit der Gesamtorganisation funktionierte, aber sie bekamen keine Entscheidungen, wenn es Inhalte ihres Themas, ihres Projekts betraf. Schon das war eine Überforderung. Völlig überfordernd war es dann, als beschlossen wurde, dass die Feedbackgespräche nun in den Gruppen selbst geführt werden sollten. Da niemand in dem System über gruppendynamische Kenntnisse und Erfahrungen verfügte, eskalierten Situationen und/oder es legte sich ein lähmendes Schweigen über das System.

4. Während des Beginnens wurden alle Zweifel, Widersprüche und Unsicherheiten von der eigenen Begeisterung für das eigene Thema kompensiert. Mit der Zeit und dem Verlust von Projekten, der Notwendigkeit, Träume als Illusionen zu erkennen, kamen Fragen auf, Fragen nach der eigenen Zukunft, nach der Sicherheit, wenn die Begeisterung nicht mehr trägt. Waren Karriere, Sicherheiten, Belohnungen am Anfang irrelevant, so nahmen sie jetzt mehr und mehr Raum ein. Nun wurden Fragen nach der Zukunft, dem Karriereweg wichtig. Und es ging um Aufstieg – die Idee von lateralen Karrieren löste nur Enttäuschung aus. Ein Unternehmen, das keine nach oben führende Karriere anbieten konnte, wurde unattraktiv.

Nach langen Perioden des Schweigens konnten wir die Bruchstücke der Schmerzen und Enttäuschungen zusammenfügen und zumindest einen höheren Grad von Wahrhaftigkeit etablieren. Es wurden Szenarien für einen Neustart entworfen und es öffnete sich für Einige die Chance noch einmal, nun mit mehr Verständnis, in eine agile Welt einzutauchen. Für Andere stellte es die Klarheit her, zu wissen, dass agile Selbstorganisation kein Platz für sie ist. Und einige verlassen die Organisation – Headhunter warten schon. Die gewonnene Klarheit machte es den Einzeln möglich, Entscheidungen zu treffen und so den Weg frei zu machen, das Gelernte und Erfahrene in einem neuen Versuch umzusetzen.

Klarheit und Wahrhaftigkeit über eine agile Organisation sollten von Anfang an deutlich vermittelt werden, es sollte verstanden sein, dass ohne eine hohe soziale Kompetenz der Beteiligten diese Reise kaum gelingen wird. Die Position eines Agile Culture Coaches sollte selbstverständlich sein. Und wir sollten uns eingestehen, dass wir noch wenige Ideen haben, wie wir Menschen in solchen Organisationsformen Zukunftswege aufzeigen können, die das Modell einer vertikalen Karriere attraktiv herausfordern.

Rüdiger Müngersdorff

Ein Plädoyer für gruppendynamisches Erfahrungslernen und gegen die Übermethodisierung agilen Vorgehens

In letzter Zeit begegnen uns immer häufiger Mitarbeiter und Führungskräfte, die in einem agilen Umfeld arbeiten und uns fragen, wie geht man mit dominanten informellen Führern um. Informelle Führung ist sowohl in der Soziometrie als auch in der Gruppendynamik ein wesentliches Phänomen, das oftmals zu erheblichen sozialen Spannungen in Gruppen und Teams führt.

Es geht um Gruppen- und Organisationsmitglieder, die keine andere Legitimation haben, als ihre Durchsetzungskraft in Gruppen. Sie dominieren durch ihr Verhalten. Ihre Motivation zur Dominanz hat oft wenig mit einem sachlichen Vorsprung zu tun. Informelle Führung wäre unproblematisch, wenn sie der Sache dienen würde, jedoch geht sie oft mit negativen Nebenwirkungen einher: Motivationsverlust, Frustration und Leistungsminderung bei den anderen Teammitgliedern.

Selbstorganisation ist eine sehr anspruchsvolle Form der Zusammenarbeit – in ihr fällt die regelnde Funktion eines formellen Führers oft weg oder sie wird aus Unsicherheit nicht mehr wahrgenommen. Es entfalten sich gruppendynamische Prozesse mit den bekannten Nebeneffekten – Stressphänomene, Rückzug Einzelner, Rangkämpfe und oft bleibt das Ganze dann in einer dysfunktionalen Normierung der Gruppe stecken. Hier wird dann gerne auf methodische Reinheit verwiesen und die Methoden werden in klassischem Organisationsdenken weiter verfeinert und werden bürokratisiert. Jedoch der Glaube trügt, dass methodische Reinheit dem Phänomen beikommt. Rationale Regeln können ein emotionales Phänomen kaum begreifen und schon gar nicht in sie sinnvoll eingreifen. Emotionalität, wenn sie denn beeinflusst werden soll, braucht Emotionalität.

Es gibt ein gutes Beispiel für die negative Wirkung der Übermethodisierung. Wir haben in den letzten Jahren beobachten können, wie Continious Improvement Ansätze durch eine Übermethodisierung und durch Regulationseifer an Kraft und Wirkung verloren haben. Ihr ursprünglicher Impuls mit wenigen einfachen Methoden, Menschen lustvoll zu einer Beteiligung einzuladen, wurde erstickt. Wer Leidenschaft, Gestaltungswillen und Selbstwirksamkeit in ein methodisches Korsett zu zwingen versucht, erstickt diese emotional so wirksamen und wichtigen Kräfte.

In allen agilen Methoden und Arbeitsformen sind durch den Aspekt der Selbstorganisation und das Zurücknehmen einer formal mächtigen Führungsrolle deutlich gruppendynamische Aspekte zu bemerken – sie haben viel positive Energie, wenn sie die Teilnehmer einbinden, ihnen eine gemeinsame Mitte geben können und das Spiel der Dominanz in der Gruppe reflektiert werden kann. Genau dies aber geschieht häufig nicht und die Gruppendynamik entfaltet ihre negativen Wirkungen. Wenn wir agil erfolgreich arbeiten wollen, dann brauchen wir gemeinsam ein hohes Verständnis für die sozialen Phänomene und eine gemeinsame Sprache, um mit ihnen umgehen zu können.

Die in den Arbeitsbeschreibungen vorgesehenen Begleiter achten auf die Einhaltung der Methoden, können in gruppendynamische Phänomene aber kaum eingreifen – ihnen fehlt Ausbildung und Erfahrung. Agile Coaches können hier helfen, wenn sie über gruppendynamische Erfahrungen verfügen. Das kommt jedoch in den meisten Ausbildungen zu kurz.

Und will man Gruppen helfen einen Weg zu einer gelingenden Selbstorganisation zu finden, dann brauchen die Gruppen begleitende Erfahrung über das, was mit ihnen und anderen in Gruppen geschieht. Wir sind heute oft in Gruppencoachings aktiv, in Gruppen, die agil arbeiten oder doch zumindest agil arbeiten sollen und wollen. In diesen Coachings reichen bereits wenige Erfahrungen, die in der Gruppe reflektiert werden, aus, um aus manchen der negativen Dynamiken aussteigen zu können und so das Potenzial einer Gruppe zu entfalten.

Eine unreflektierte, dominante informelle Führerschaft macht die potenziell so reichen Gruppen ärmer als es der Einzelne sein könnte. Damit verlieren wir Engagement, Wissen und Können. Deshalb hier ein Plädoyer für ein breiteres gruppendynamisches Lernen in Organisationen und eine Warnung vor einer Übermethodisierung von Arbeitsformen, deren Grundlage ein emotionales Engagement bilden.

Rüdiger Müngersdorff

»Von einem der auszog, Agilität zu lernen«, Teil 3

Passen »Agilität« und »Controlling« zusammen? – Im ICV-ControllingBlog berichtet Hans-Peter Sander, Leiter ICV-Team PR/New Media, von seiner Agile Culture Coach Ausbildung, die er in fünf Bausteinen im Jahr 2017 bei SYNNECTA absolviert hat. Heute: »Agile Teams und Collaboration«.

Will ein Unternehmen am Markt erfolgreich sein, braucht es kreative, gut arbeitende Mitarbeiter. Gut arbeiten Menschen dann, wenn sie es gerne tun. Dazu müssen sie in ihrem Tun Befriedigung finden. Sie brauchen vor allem eine sinnvolle Aufgabe, eine Chance arbeiten zu können, wann und wie viel sie wollen. Und sie brauchen Anerkennung der Community. Für agile Teams gilt: Die Führung muss für entsprechende Bedingungen sorgen. Denn agiles Arbeiten ist keineswegs Beliebigkeit, sondern hat klare Frames und Aufträge. – Wie das alles geht, vermittelt Baustein 4 der Agile Culture Coach Ausbildung unter der Überschrift »Agile Teams und Colaboration«. Mit Renate Standfest und Fetiye Sisko, beide sind Prinzipale bei SYNNECTA, leiten zwei erfahrene weibliche Coaches diesen elementaren, spannenden, lehrreichen, wie auch bereits in der Teilnehmergruppe tiefe Einblicke schaffenden Ausbildungsteil.

Zum Einstieg geht es um die Frage, wie ein »agiles Team« zusammengesetzt ist, und welche Faktoren seinen Erfolg bestimmen. Interessante Diskussionen entspannen sich u.a. um das skizzierte Idealbild vom »crossfunktionalen« und »selbstorganisierten« Team, in dem eine so genannte »Musketier-Haltung« (»Einer für alle – alle für einen!«) herrscht, und in dem der so genannte »Bus«-Faktor gilt (keine Kopf-Monopole, Pair-Programming) und in dem »T-Shaped Professionals« wirken; Mitarbeiter, die die Stärken des Generalisten und des Spezialisten in sich vereinen.

Viele spannende Gespräche ranken sich in diesem Workshop, der auf Baustein III »Agile Methoden und Scrum«, aufbaut, um die Erfolgsfaktoren agiler Teams:

  • Klarer abgegrenzter Auftrag für das Team
  • Gemeinsames Lernen (z.B. den Umgang mit fehlender Hierarchie)
  • Rollenklarheit, Rolleneindeutigkeit
  • Impediments werden identifiziert, aber ignoriert
  • Retros/Reviews nicht nach Schema F!
  • Schlüsselfähigkeiten: Selbstreflexion, Selbstkritik, Alles hinterfrage!
  • »Rollen statt Stellen« (flache bzw. keine Hierarchie, Verantwortlichkeiten)

Nahrung zum Nachdenken liefert eine lebhafte Diskussion zum Thema »Grundordnungen in sozialen Systemen«. Welche Konsequenzen ergeben sich zum Beispiel daraus, wenn »Zugehörigkeit Vorrang« hat (im Sinne von: »jeder Mitarbeiter ist gleichwertig«)? Alle Mitglieder sind bei wichtigen Entscheidungen zu berücksichtigen; auch schwierige. Und wird das zweite »Prinzip der zeitlichen Reihenfolge« (»Wer länger da ist, hat Vorrang«) nicht bei Veränderungsprozessen häufig verletzt, indem nur noch bevorzugt und gelobt wird, was neu ist?

Das nächste Prinzip, »Höherer Einsatz hat Vorrang«, weist vor allem darauf hin, dass Führung bzw. Führungskräfte nicht in Frage gestellt werden dürfen; Führungskräfte aber ihre Stellung durch höheren Einsatz, Führungskompetenzen und -verhalten erarbeiten müssen. Und wenn das Prinzip, »Kompetenz und Leistung haben Vorrang«, gilt, und also für besondere Leistung, Effektivität, Fähigkeiten besondere Anerkennung gezeigt werden soll; wie werden daraus erwachsende (Macht)konflikte gelöst? Das nächste Prinzip, »Anerkennen, was ist«, meint nicht mehr zu ändernde Realitäten anzuerkennen: Persönliche Energie zu sparen, Altes loszulassen hilft, sich leichter Neuem zuzuwenden. Und schließlich hat auch das Prinzip, »Ausgleich von Geben und Nehmen«, seinen tiefen Sinn: Dort, wo Geben und Nehmen ausgeglichen sind, können soziale Beziehungen auch harmonieren.

Agilität und Konflikte

Großen Raum nehmen in diesem Ausbildungsbaustein Konflikte im agilen Kontext ein. Der Einstieg erfolgt über eine interessante Diskussion zum Umgang mit Konflikten bezüglich der Kultur – Unternehmens-, Führungs- bzw. Fehlerkultur. Intensiv wird dann – wie in allen Bausteinen der Ausbildung auch wieder mit spielerischen Übeungen – gelehrt, wie mit Konflikten innerhalb agiler Teams umgegangen werden kann. Die Teilnehmer erfahren z.B. etwas über »systemisches Konsensieren«: Anstatt nach der Holzhammermethode »Der Stärkere gewinnt« vorzugehen mit dem Ansatz »Was ist uns gemeinsam wichtig?« eine Lösung zu finden. Ich notiere ein interessantes Zitat: »Die Achtung vor einem Menschen zeigt sich im Umgang mit seinem Nein.«

»Conflict Dojo« ist schließlich ein Höhepunkt am ersten Seminartag. Bei dem spielerischen Konflikttraining treffen die Mitspieler in kleinen Gruppen in mehreren Runden auf verschiedene Charaktertypen und müssen mit diesen umgehen: vom hartnäckigen Widerständler über den Konfliktignorant oder auch den Mitfühlenden bis zum Lösung-Suchenden. (Bild: Rollenspiel beim »Conflict Dojo«)

Diversity: elementares Thema für erfolgreiche agile Teams

Einen wichtigen Teil des Bausteins IV nimmt »Diversity« ein. Die Seminarleiterinnen überzeugen einfühlsam, dass es ein elementares Thema für erfolgreiche agile Teams ist. Ihnen gelingt es, für die einfach klingende und im Alltag herausfordernde Aufgabe, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erkennen und anzuerkennen, jegliche Diskriminierung zu unterbinden, in verschiedenen Übungen zu sensibilisieren. Die Seminarteilnehmer machen sich damit vertraut, die nötige Transparenz auch bei Tabuthemen zu schaffen und lernen formelle wie informelle Regeln sowie Tools für agile Teams kennen.

Zum Beispiel geht es bei der Arbeit mit einem »Diversity Einsichtsbild« um die Reflexion der Teilnehmer über Diversity in sich selber, aber auch im Erleben, im Beruflichen, wie auch in der Welt überhaupt. In Organisationen kann dies ein Analyseinstrument sein, Bedarfe im Kontext der Unternehmensziele auszuloten. Es kann bei der Diversity-Strategie-Entwicklung bis hin zum Change der Unternehmenskultur helfen. In einer anderen Übung wird die Diversity-Aufstellung erprobt: Für einige Teilnehmer ein höchst emotionales Erlebnis.

Ein Wochenendseminar mit vielen Gruppenübungen – in malerischer Umgebung, dem Seminarhotel Schloss Wissen.

Hans-Peter Sander
blog.icv-controlling.com