Pathfinder 2016 – Leading the Future – Berlin, 1. Mai 2016

SYNNECTA und die Pathfinder sind nun schon beinahe Tradition! Auch dieses Jahr waren wir am 1. Mai zusammen mit den CEO’s führender Unternehmen, inspirierenden Rednern und rund 800 Talenten von Allianz, Daimler, Siemens, Deutsche Bank, Deloitte und Techniker Krankenkasse in Berlin. Die CEO’s wählen einen Redner zu einem für ihn relevanten Thema aus und laden ca. 100 Talente aus dem eigenen Unternehmen ein, um den 1. Maifeiertag im intensiven Dialog zu Zukunftsthemen zu verbringen.

Joe Kaeser (CEO Siemens AG) hatte Dr. Jonas Ridderstraele, Autor des Buches Funky Business aus dem Jahr 2000 und Reenergizing the Corporation, How Leaders make Change Happen von 2008 eingeladen. Die Kulturen der erfolgreichen Unternehmen schaffen Räume, wo Kreativität sich entfalten kann und Risikofreude und Unternehmertum als prägende Werte sich entfalten. Die erfolgreichen Unternehmen sind hochinnovativ, schnell experimentierfreudig und heterachisch. Der Wandel von der hierarchischen Führung hin zu Selbstorganisation, der Abschied von der Orientierung nach oben hin zu lateraler Aufmerksamkeit waren nur einige der Einsichten, die Ridderstraele in lebendiger und unterhaltsamer Weise präsentierte.

Dieter Zetsche (CEO Daimler AG) hatte den renommierten Tänzer Eric Gauthier vom Theaterhaus Stuttgart mitgebracht, der mit dem Auditorium im Tempodrom zum Thema »Spirit« arbeitete bzw. tanzte. Gauthier brachte auf sehr überzeugende Art die Menschen in Bewegung und ins Schwingen.

Jürgen Fitschen (Co-CEO Deutsche Bank), deutlich entspannter als auf der letztjährigen Veranstaltung und seine letzten beiden Dienstwochen genießend, hatte die »Pferdeflüsterin« Linda Weritz eingeladen, die auf Pferde spezialisierte Kommunikationswissenschaftlerin und Psychologin aus Düsseldorf. Als leidenschaftliche und erfolgreiche Dressurreiterin hat Linda Weritz ein weltweit einzigartiges Trainingskonzept entwickelt, das die Natur der Pferde konsequent respektiert und würdigt und es möglich macht, Pferde auf diesem Weg völlig gewaltfrei auszubilden. Es war sehr deutlich, inwieweit sich die Prinzipien ihres Trainingskonzepts auf die Führung in Unternehmen übertragen lassen und welche entscheidende Bedeutung Empathie und Vertrauen im Führungsprozess besitzen.

Jens Baas (CEO Techniker Krankenkasse) führte den Informatiker und Künstler Prof. Jürgen Schmidhuber ein. Seine bahnbrechenden Forschungen haben die Idee der optimalen Zukunftsvorhersage aus bisher beobachteten Daten revolutioniert. Er beschäftigt sich mit maschinellem Lernen, neuronalen Netzen, Kolmogorow-Komplexität, Digitalphysik, Robotik, Kaum Komplexe Kunst und Theorie der Schönheit.

Mit der Gödelmaschine zur Lösung beliebiger formalisierbarer Probleme hat Schmidhuber einen extrem mutigen Wurf gewagt. Über einen asymptotisch optimalen Theoreembeweiser überschreibt die Gödelmaschine beliebige Teile ihrer Software, sobald sie einen Beweis gefunden hat, dass dies ihre zukünftige Leistung verbessern wird. Nicht nur, dass wir Menschen sehr viel länger an alten Verhaltensweisen und Denken festhalten, obwohl wir längst erkannt haben, dass Anderes uns in der Zukunft leistungsfähiger machen würde, also ein »deutlich anderes Programm« fahren, sondern auch die sich über die enormen digitalen Möglichkeiten und Robotik aufreißenden Perspektiven haben uns im wahrsten Sinne an das Thema »Leading the Future« geführt.

Oliver Bäte (CEO Allianz) hatte Gary Hamel von der London Business School eingeladen und dieser redete über »Added Value«. Dabei wiederholte er intensiv die wertvollen Gedanken aus seinem letzten Buch von 2012: What Matters Now: How to Win in a World of Relentless Change, Feroucious Competition, and Unstoppable Innovation. Es geht um Umdenken und Neu-Denken, um Selbstorganisation und Experimentieren in einer Organisationswelt, die sich von Hierarchie und Bürokratie immer mehr lösen muss, um einerseits den Ansprüchen der Kunden und andererseits der jungen Generationen gerecht werden zu können.

Markus Kerber (BDI) und Martin Pleindl (Deloitte) hatten sich als Paten für Prof. Dr. Yasmin Mei-Yee Weiss entschieden. Die deutsch-chinesische Wissenschaftlerin sprach über Digital Talent und Digital Leadership. Sie zitierte in ihrem Vortrag bisher unveröffentlichte Ergebnisse einer umfangreichen Studie zu Kompetenzen im digitalen Zeitalter. Eine eigene technologische und digitale Kompetenz gehört zu den Bedingungen für Digital Leadership. In der Studie wird allerdings eine ganz andere Kompetenz als die wichtigste identifiziert: Das Zusammenstellen und Führen von »truly diverse«-Teams. Wir sind auf die Veröffentlichung der Studie im Sommer sehr gespannt und werden im Blog darüber berichten.

Einen besonders eindringlichen, goldenen Augenblick gab es gleich zu Beginn, als Julia Engelmann mitten in die Herzen der Anwesenden sprach. Ein lichtvoller Moment, den die junge Schauspielerin und Poetry Slammerin aus Bremen uns mit ihrem Gedicht schenkte! Es war ein anregender, sonniger Sonntag in Berlin.

Es ist jedoch am Ende der Pathfinder 2016 schon sehr verlockend, sich vorzustellen, wie es wohl wäre, wenn wir die Ausgangslage umdrehen würden und nicht die CEO’s, sondern die Talente die Inspiratoren und Redner bzw. Beiträger und ihre CEO’s einladen würden und ein bisschen mehr Zeit für Interaktion, Beteiligung und Dialog möglich wären. Auch hier liegen Chancen den so dominierenden Ruf nach Loslösung von der Hierarchie und nach Selbstorganisation und Beteiligung auch im Design der Veranstaltung abzubilden.

Das Handelsblatt als Veranstalter feierte an jenem Wochenende sein 70-jähriges Jubiläum und auch SYNNECTA gratuliert herzlich zu diesem stolzen Jubiläum und der gelungenen Veranstaltung in Berlin.

Jörg Müngersdorff

Sophia 2015 – agile takte

Vorabend, große Runde, Kulturstätten und Esstempel, gepflegte Speisen, diverse Kontakte, lebendige Gespräche, kurzweiliger Abend – zufrieden.

Erster Tag, Ankommen auf der Praterinsel, überraschend andere Lokation, Irritation, Abbruchcharakter, keine Türen, Graffiti und Mauerbrocken, Aufputzleitungen, chaotisches Ambiente, Freiraum erkennen, Einlassen wollen, Horizont erweitern, Vielfalt nutzen, erfreulich anders, spannende Workshops, von Gefühlen, Beteiligungsprozessen und Flüchtlingskrisen, Stadtentwicklung in Scrum-Logik mit einem Koffer voll Lego, Improtheater vom Feinsten mit Ulan & Bator, volle Aufmerksamkeit, kurzweilig, humorvoll und überraschend, Farbspiele und wunderbares Dinner, Ausklang mit Tangoimpressionen – beflügelt…

Zweiter Tag – Kontrastprogramm, CityBound in der AllianzArena, Back to the roots, klassische Tagungsatmosphäre, Kissen statt Stühle, Gespräch mit dem Orchestervorstand der Münchner Philharmoniker, Hierarchie und Demokratisierung, inspirierende Workshops, von Persönlichkeiten, Cyclic Intelligence bis hin zu Tribes, voller Spannung aufbrezeln, luftiges Abendessen in der Sky-Bar, Interview mit dem Intendanten der Münchner Philharmoniker Paul Müller, große Vorfreude, vibrierendes Eröffnungskonzert, weiter geht’s in den Martini Club, Cocktails und Tanz – verzaubert…

Mitten in der Nacht, zurück im Hotel, Ausklang an der Bar, erschütternde Nachrichten aus Paris, aus der Traum, todmüde und hellwach – verstört…

Letzter Tag – Trotz allem Start im Hotel, agile Transformation im Eröffnungsplenum, von Ansprüchen und Wirklichkeiten, Trends und Bodenhaftung, Ortswechsel Richtung Gasteig, Warten auf den Maestro, beeindruckender Valery Gergiev, innere Motivation, kraftvolle Agilität, ein Leben voller Musik, fern und doch so nah, Jazz und Beteiligung, im Konzert offiziell daddeln, Abschlussplenum voller Dankbarkeit, Lust auf mehr, frische Luft und Abstand, Genuss in der Umgebung, jetzt erst recht, zwei Konzerte am Abend, gehaltvoll und leicht, Andreas Hofmeir an der Tuba, ein gelungenes Crossover, großartiger Till Brönner meets MPhil, atemberaubend, die Sinne geschärft, die Körper wippen im Takt, Improvisation und Perfektion, die Luft brennt, das Publikum enthusiastisch, und wir – völlig beseelt…

Und was bleibt – Warten auf die Sophia 2016!

 

Renate Standfest

»Wenn die Musik der Liebe Nahrung ist«

»Wenn die Musik der Liebe Nahrung ist, spielt weiter!«
(William Shakespeare)

Die SophiaWerkstatt bedeutet uns viel

Ein Symbol des Kreierens, der Geselligkeit und Ausgelassenheit, des gemeinsamen Weiterbildens. Bildung, das Wesen der Aufklärung. Die Räume, in denen wir uns auf der diesjährigen Sophia bewegen, können unterschiedlicher nicht sein. Das Haus 3 der Praterinsel, abgerockt bohème, das 4-Sterne-Hotel, konventionell gediegen, der Konzertsaal, holzig bürgerlich, die Arena, aufregend nüchtern. Die Räume haben Farben, die sich als Gefühl in uns ausbreiten. Den selben Raum erlebt der eine Mensch als milchig warm und der andere als kristallblau. In diesem Moment treffen wir aufeinander.

Mittels Improvisationstheater zeigen uns Ulan & Bator aka Sebastian Rüger und Frank Smilgies: der Geist ist Energie, und wir können sie steuern. Wir lernen von ihnen zu spielen, einander zu achten, sich zu erden, und zugleich dem Gegenüber Aufmerksamkeit zu schenken. Die eigenen Auffassungen, Positionen und Positionierungen – und zugleich die der anderen – bewusst wahrnehmen und verstehen und ihnen aktiv begegnen.

Das Sophia-Programm ist abwechslungsreich, agil, kreativ. In Workshops zu Effectuation, Person und Persönlichkeit, Gefühle in Gruppen, Beteiligung, Cyclic Intelligence, Tribes und im Scrum-Planspiel lernen wir neue Dimensionen des Agilitätsbegriffs kennen. Und erfahren, dass agile Arbeitsmethoden nicht unmittelbar agiles Handeln hervorrufen.

Eine unfassbare Mischung geschichtsträchtiger und monumentaler Kompositionen

Am 13. November 2015 sitzen wir abends im Konzertsaal der Münchner Philharmoniker. Das Orchester durchflutet den Raum mit Klängen von Schönberg, Skrjabin, Wagner. Eine unfassbare Mischung geschichtsträchtiger und monumentaler Kompositionen. Gergievs entschlossene Zurückhaltung wirkt unerwartet berauschend. Zum selben Zeitpunkt wird in das Herz aufgeklärter Milieus getroffen. Wir sind in Trauer, voll Bitterkeit, Erschütterung. Noch vor jeder wirklichen Erkenntnis beginnt die Welt mit Positionierungen, Diagnosen und Schuldzuweisungen. Adorno sagt, die fast unlösbare Aufgabe besteht darin, weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu lassen.

Die Entwicklung von Menschen und Organisationen braucht Lernformen, die Perspektiven öffnen und Standpunkte verschieben. Sie braucht wissbegieriges Staunen und ehrliche Freude an Anderen. Mit der Sophia positionieren wir uns und nutzen wir die ganze Breite kultureller Möglichkeiten, um lebendiges Lernen zu gestalten. Kultur und Kunst ermöglichen Erkenntnis.

Sophia heißt Weisheit

Unsere Leben sind geprägt von Freiheit, auch wenn sie uns jetzt nicht schützen kann. Wir verpflichten uns dem Humanismus, Wir lassen uns nicht betäuben. Ob in Unternehmen, im Freundeskreis, in der Familie, in mir. Es sollen Räume entstehen, in denen wir Freude, Scham, Furcht, alle Gefühle benennen dürfen, so dass Sinn und Geist für Gemeinschaft entsteht. Wir lassen uns nicht beschämen. Die Sophia bekommt in diesen Tagen die neue Bedeutungsebene der Solidarität.

Hanna Göhler

Rundum vernetzt – 2. SYNNECTA Tischrunde

Unternehmen 2.0 führen – Transformation zu mehr Offenheit

Was wir schon vor der Tischrunde wussten: Das Internet ist nicht kollabiert. So hatte es Robert Metcalfe, Erfinder des Ethernet, in den 1990ern prophezeit. Das Internet hat sich sogar weitesgehend durchgesetzt. Es gilt, sich dieser Tatsache zu stellen und ein Bewusstsein für die Bedeutung und Deutung digitaler Sphären zu schaffen. Unternehmen und Konzerne sind aufgefordert, die digitale Entwicklung verantwortungsvoll zugestalten und Transformation hin zum E 2.0 zu ermöglichen. Dazu müssen sich Menschen in Bewegung setzen.

Unternehmen 2.0 (Enterprise 2.0 / E 2. 0) steht für das hoch vernetzte Unternehmen. Im optimalen Sinne bedeutet dies, dass Kommunikation und Zusammenarbeit weiterentwickelt werden, bis hin zu einer agilen, flexiblen und offenen Kollaboration. Was sind notwendige Voraussetzungen und günstige Bedingungen für E 2.0, mit welchen unmittelbaren und unvermitteltenden Konsequenzen müssen Unternehmen rechnen? Und was hat Personalentwicklung eigentlich damit zu tun?

Um Fragen wie diese zu diskutieren, hatten wir im Oktober zur zweiten Tischrunde eingeladen. Ort der Inspiration war uns der raum13 Zentralwerk der schönen Künste in Köln-Deutz. Ein symbolträchtiger Ort der Industrialisierung. Hier wurde der Ottomotor gebaut und das bewegt seither die Welt. Die Geschichte und das Jetzt des raum13 nimmt uns mit auf eine Reise in ambiges Leben mit verunsichernden Umbrüchen, wir tauchen ein in vorige Jahrhunderte und in vucarisierte Zustände der Industrialisierung. Die zweite Tischrunde thematisiert und kommentiert die aktuellen Entwicklungen von Vernetzung, Digitalisierung und die Rolle von HR in dieser Transformation.

»Die weltweite Nachfrage nach Kraftfahrzeugen wird eine Million nicht überschreiten – allein schon aus Mangel an verfügbaren Chauffeuren«, sagte einst Gottlieb Daimler (1834 – 1900). Heutzutage mangelt es eher am Verständnis für Abgas-Skandale; massenhafte Überproduktionen gehören zur post-industriellen Normalität kapitalistischer Ordnung. In heutiger globaler Landschaft geht es um viel Virtuelleres, wenngleich nicht weniger reales: um Information und Daten. Das Spektrum reicht von Big Data, Verschlüsselung, Industrie 4.0 bis hin zu Persönlichkeitsrechten, Transparenz oder dem individuellen virtuellen Dasein. In Unternehmen werden neue Ausbildungen und Stellen geschaffen, etwa die des »Community Managers«, wie uns Katharina Perschke berichtet, eine der ExpertInnen, die wir zur Tischrunde eingeladen hatten.

Das technische Vehikel für offene Kollaboration liefern Web 2.0-Technologien: soziale Netzwerke, virtuelle Communities, Blogs, Wikis oder File-Sharing. Solche technischen Innovationen sind den kulturellen ein Stück voraus. Die Teilnehmenden der Tischrunde sind sich einig, dass die Möglichkeiten der Technik einen tiefgreifenden Wandel von Unternehmenskulturen bedeuten. Diese Kulturen sind häufig jedoch noch von geschütztem Wissen, funktionaler und hierarchischer Positionsmacht und starrem Silo-Denken geprägt. So fragen sich die Teilnehmenden der Tischrunde, ob sich die eigenständigen Dynamiken auf Plattformen top down beinflussen lassen oder ob eingesehen werden muss, dass Einflussnahme gemindert ist und längst eine Machtverschiebung stattgefunden hat.

Dass wir Autos fahren und währenddessen auf einem mobilen Telefon per Email erreichbar sind, ist für viele von uns mittlerweile normal. Obwohl sich die Umwelten seit der industriellen Revolution geändert haben, wie uns im raum13 noch einmal bewusst wird, die Effekte für die Menschen bleiben. Neu-Gier, VUCA, Interesse an Progress und Kreation, ein Getriebensein. Unterscheiden sich die Fragen? Früher: Ab welcher Geschwindigkeit platzt der Mensch? Heute: In welchem Bewusstsein gestalte ich virtuellen Raum und meine digitale Identität? Diese Fragen sind Ausdruck einer grotesken Situation, in die Menschen sich begeben; und sie müssen gestellt werden.

Strukturen müssen sich ändern. HR muss flexibel und agil werden und gelassen werden. Bewegung durch Zeit und Raum verändert ihre innere Dynamik, ihre Schnelligkeit und ihre Art, wenn sie digital wird. Digitale Bewegungen im vernetzten Unternehmen werden Teil ständiger Erneuerung und Veränderung von Unternehmensstrukturen und -kulturen. Auf der Datenautobahn geht es nicht mehr um die Frage, ob man selber, sondern ob die Dotcom-Blase platzt. Mit anderen Bewegungen in digitalen Räumen bekommt die Dimension Zeit ebenfalls eine neue Bedeutung. Wann ist der richtige Zeit-Punkt, wer ist schneller: eine Entscheidung in der Führungsetage oder der Informations-Einfluss der digitalen Community? Was teile ich wann? Wer kontrolliert? Wann gehe ich mit wem wohin und welchen Weg nehmen wir?

Wir streben nach der Befähigung und Beteiligung der Mitglieder einer Organisation, und nach der Etablierung einer neuen »2.0 Führungskultur«. Es braucht eine Führung, die die Transformation hin zu mehr Offenheit zulässt und fördert. Es braucht eine Unternehmenskultur, die HR ermöglicht, tatsächlich neue Prozesse zu gestalten. Es braucht Mitarbeitende, die sich mit E 2.0 identifizieren. Kollaboration in einem Unternehmen 2.0 heißt, dass Menschen Verantwortung unter weniger autoritärer Führung annehmen können und wollen. Wege gehen und gehen lassen, die bisher allenfalls als Trampelpfade in Erscheinung treten.

»Computer sind nutzlos. Sie können nur Antworten geben.« (Picasso, 1946). Wie der Flieder im raum13 seinen Weg durch den Asphalt findet, durch Ritzen wächst und in Zwischenräumen blüht, den Ort re-naturiert und zu einem anderen macht, müssen Menschen ihre Organisationen und ihre Arbeitsweisen neu gestalten, sich im digitalen Raum zurechtfinden, darin Zwischenräume aufmachen und (sich) weiterhin Fragen stellen.

Wir danken dem raum13, Anja Kolacec, Marc Lessle, Verena Bildhauer, Ellen Spiegel sowie allen Teilnehmenden und den Gästen Rüdiger Schönbohm, Katharina Perschke (BOSCH), Björn Preußer (CBTL) für ihre Perspektiven und die Bereitschaft zum angeregten und offenen Austausch.

Hanna Göhler

In seinen Blogartikeln gibt Rüdiger Schönbohm einen spannenden Einblick in den Arbeitsbereich E 2.0:

»Sexuelle Identitäten am Arbeitsplatz: Diversität wahrnehmen, anerkennen, nutzen«

Diversity Management ist populär und hochmodern. Gender, Interkultur und Alter sind die Dimensionen, mit denen sich beschäftigt wird. Die Diversity-Kategorie »Sexuelle Identitäten« offen in Unternehmen anzusprechen, ist jedoch meist ein Tabu. Wir denken, das sollte sich ändern und haben im Juli 2015 ein Seminar zu diesem Thema durchgeführt.

Das Wort »sexuell« ist in Unternehmen verpönt, bei gleichzeitigem Anstieg sexualisierter Performanz von Geschlechterrollen in Kultur, Medien und Gesellschaft. Der öffentliche Diskurs ist weitestgehend heteronormativ, das gezeichnete Bild entspricht nicht der Realität. Zwar wird der Arbeitsplatz durchweg als asexueller Raum konstruiert, wie etwa Dominic Frohn in seiner Studie »Out im Office?!« (2007) darlegt, zugleich sind in der Berufswelt aber Heteronormativität, Heterosexismus und Homophobie in einem auffälligen Maß präsent. Das lähmt Menschen und macht unproduktiv.

Ein Unternehmen kann nur die Märkte verstehen und bedienen, die es nach Innen hin selbst abbildet. Warum sollte es gerade diese intime Dimension sein, mit der sich unternehmensintern und nach Außen hin präsentiert wird? Weil wir vielfältiger sind, als angenommen. Weil wir vielfältiger als nur hetero sind. Wer Vielfalt zulässt und sichtbar macht, hat mehr: Vielfalt ist Bedingung für die Innovationsfähigkeit von Unternehmen.

Es geht dabei nicht darum, das private Sexualleben zu beschreiben. Sondern vielmehr geht es darum, zu erkennen, dass die sexuelle Orientierung einen wesentlichen Teil der persönlichen Identität ausmacht und damit bedeutende Aspekte des Privatlebens betrifft. Kaum etwas wie die Dimension der sexuellen Orientierung prägt so tiefgreifend unser menschliches Dasein. Privat- und Berufsleben lassen sich unterscheiden, aber nicht trennen: Wer zentrale Aspekte seiner Persönlichkeit verbergen und verschleiern muss, weil es die Unternehmenskultur anders nicht zulässt, Sanktionen oder Karrierestopp drohen, unterdrückt sich und damit die eigene Handlungsfähigkeit. Etwa, zu erzählen, dass es der/die gleichgeschlechtliche Partner oder Partnerin ist, mit dem/der man in den Urlaub fährt oder am Wochenende eine Radtour unternommen hat.

Das Befassen mit Vielfalt bedeutet die Konfrontation mit sich und den Anderen. Das hat Skandalisierungspotenzial und kann Angst auslösen. Daher sollten Maßnahmen dosiert in ein Unternehmen eingeführt werden. Unser Ansatz ist, über Freiwilligkeit, emotionale Zugänge und Vernunft Menschen einzuladen, zu neuem Bewusstsein zu gelangen und ihre Aufmerksamkeit und Blicke zu öffnen für (möglichweise neue und fremde) Lebenswelten. Alternative Wege sind, O-Ton aus dem Seminar: »Wenn es anders nicht geht, dann muss zu radikalen Mitteln gegriffen werden und die Auseinandersetzung mit Vielfalt verpflichtend sein.«

Das Seminar begleitete unsere inneren Prozesse der Selbstreflektion, deckte Vorannahmen auf, löste eigene Blockaden und Bilder über die Anderen. Im weiteren Verlauf führte es zu Erkenntnissen über Handlungsspektren auf Management-Ebenen, indem es die Erschließung neuer Kundengruppen, Märkte und den Sinn einer Corporate Social Responsibility thematisierte.

Der CSD wirkte als Lernraum und ließ uns eine besondere Form der Zusammengehörigkeit, ein unfassbar starkes Wir-Gefühl, eine andere Mehrheit spüren. Die Euphorie übertrug sich, überwältigte uns und unsere Bilder, die eigenen Bilder über uns selbst und die Anderen.

Wie funktioniert »Diversity-Lernen« entlang der Kategorie »Sexuelle Identitäten«? Die eigenen Ängste, das Unverständnis und die Vorbehalte gegenüber anderen Lebensentwürfen dürfen und sollen formuliert werden, um dadurch ein Kennenlernen des anderen Menschen zu ermöglichen und gemeinsam einen kreativen Raum entstehen zu lassen. Was abstrakt klingt, ist in der Realität gar nicht so schwer herzustellen: Miteinander im Gespräch sein und sich gegenseitig Fragen stellen. Ein feiner Unterschied in der Formulierung gibt meiner GesprächspartnerIn Freiraum.

Ein Unternehmen, das auf der Suche nach einer Kultur der Kreativität, Innovation und Agilität ist, wird schnell merken, dass der Schlüssel für die Reise dahin der Grad der Freiheit und Akzeptanz unter den Mitarbeitenden ist. Diversität ist der Hebel für eine tiefgehende Kulturveränderung: Für das Unternehmen entsteht Systemflexibilität, eine anregende Atmosphäre, in der es durch erhöhte Kreativität im Team (weil Vielfältigkeit und Hetereogenität) zu weniger Fehlentscheidungen kommt. Allein aufgrund des demografischen Wandels müssen Unternehmen aus ökonomischer Sicht mit einer zukünftig diverseren Belegschaft »rechnen«.

Was das Thema also mit dem Arbeitsplatz zu tun hat, liegt auf der Hand. Menschen, die nicht zur (hetero-)Norm gehören, müssen sich häufiger als andere verstecken und einen wichtigen Teil ihrer Persönlichkeit verbergen und unterdrücken, weil sie ansonsten Ablehnung und Diskriminierungen zu befürchten haben. In seinem Buch Bemerkenswerte Vielfalt: Homosexualität und Diversity Management (2010) stellt Dr. Thomas Köllen aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht fest, wie sich in Betrieben ungerechte Machtachsen manifestieren, individuelle Wirkungsfähigkeiten lähmen und Potenziale schwächen. Daher ist es wichtig, die Diversity-Dimension »Sexuelle Identitäten« zu thematisieren. Mittlerweile erkennen immer mehr Menschen in Unternehmen, dass ein aufgeschlossener Umgang mit dieser Dimension besondere Motivation und Leistungsenergie freisetzen. Eine offene Unternehmenskultur bedeutet Attraktivität für neue Talente.

Im Seminar lernten wir voneinander, was es bedeutet, Anders zu sein, abzuweichen von der Mehrheit, mutig zu sein und individualistisch. Sexuelle Identitäten besprechbar zu machen, bedeutet, Fragen an die eigenen Identitäten und Zugehörigkeiten zuzulassen und sowohl klare Positionierungen zu akzeptieren als auch Uneindeutigkeiten und Ambiguität auszuhalten. Diversity-Lernen findet im echten Leben statt. Diversitykompetente Menschen sind bereichernd für Unternehmen.

Wir danken unseren PartnerInnen: anyway e.V., SCHLAu-Team, Eike Reinhardt und Daniel Goetz von agateno. Dieses Sommer-Seminar war weit mehr als ein buntes Event oder Tanz auf dem CSD-Vulkan. Es hat Bewusstsein für Menschen und ihre Lebenswelten geschaffen und ein Zeichen gesetzt, ins Innen und Außen. Wir bleiben dran.

Hanna Göhler

HR als Co-Creator einer neuen Führung

15 HR-Entscheider aus unterschiedlichen Unternehmen setzten sich in abwechslungsreichen Methoden mit dem Input und den Thesen der SYNNECTA zu »Neue Führung – auf dem Weg in eine zukunftsfähige Arbeitswelt« – HR als Co-Creator einer neuen Führung – auseinander.

Die dynamischen Veränderungsbewegungen, wie Krise der hierarchischen Organisationen, die deutlich sichtbaren Folgen der Globalisierung, die sich in ganz anderen Dynamiken entwickeln, als es die kolonialen Denkweisen westlicher Unternehmen erwartet hatten, der digitale Umbruch und die Sinnsuche der Menschen, besonders stark ausgedrückt und gelebt von den jüngeren Generationen, wie der Gen Y and X, prägen das Umfeld und verstärken den Veränderungsdruck.

Schnell bildeten sich in den Diskussionen die kulturellen Voraussetzungen für Neue Führung heraus: Offenheit und Vertrauen als Voraussetzung für die neuen Arbeitsweisen, die auf »Sharing« angewiesen sind. Volability und Resilienz als persönliche Voraussetzungen, um die anstehenden Transformationen souverän mitgestalten zu können. Welche neuen Führungskompetenzen werden in Zukunft die bestehenden Kompetenzmodelle ergänzen oder ersetzen müssen. Die Modernisierung der Organisationen über die Ergänzung der Hierarchie durch Netzwerke, die Entwicklung und Pflege der entstehenden hybriden Organisation, das Verstärken eher begleitender Massnahmen, wie Supervision und Coaching, intensive Nutzung aller Formen von Beteiligungsansätzen, z. B. Appreciative Inquiry, FutureSearch, BarCamp, Open Space, die die direktiven TopDown-Interventionen mehr und mehr ablösen, und die Bewahrung des emotionalen Zusammenhalts des Unternehmens trotz agiler Teams und fluiden Arbeitseinheiten wird maßgeblich von HR zu initiieren und zu veranstalten sein.

Obwohl die Teilnehmer (AXA, BASF, Bosch, Generali, Rexroth, Gira, Kuka, Sparkasse u.a.) schnell feststellten, dass sie alle eine unterschiedliche Ausgangslage und Dringlichkeit für ihr Unternehmen sehen, gab es erkennbar eine große Inspiration, den Weg, der nur im Gehen entstehen wird, mutig zu beschreiten!

Jörg Müngersdorff