»Von einem der auszog, Agilität zu lernen«, Teil 2

Passen »Agilität« und »Controlling« zusammen? – Der große Münchner »Congress der Controller« 2017 trug den Titel »Agiles Controlling in der digitalen Realität – Umbrüche erfolgreich managen«. Ich habe ein fantastisches Angebot bekommen: Tiefer Eintauchen ins Thema mit einer professionellen Ausbildung zum »Agile Culture Coach«. In Beiträgen für das ICV-ControllingBlog berichte ich davon. Heute: Modul 3: Agile Methoden und Scrum.

War es im ersten Modul I der Ausbildung, wie hier berichtet, um »Agile Führung und Beteiligung« gegangen, folgte im Mai Modul II zum Thema »Agilität und Persönlichkeit«. Hier rückte »Das Konstrukt Persönlichkeit« in den Mittelpunkt, wurden u.a. Struktur- und Persönlichkeitstests behandelt.

Im Juli stand mit Modul III das Thema »Agile Methoden und Scrum« auf dem Programm. Es wurden verschiedene agile Formate, Design Thinking, Strategietools sowie Konferenzformate behandelt. Wir 14 Teilnehmer sollten die Logik agiler Methoden und die damit verbundenen wichtigsten Werkzeuge kennenlernen. Ziel: In Organisationen Scrum-Teams aufbauen und fundiert begleiten können.

Beim Schwerpunkt Scrum ging es zunächst um das Scrum Framework mit Rollen, Artefakten, Regeln etc., es ging um Fragen wie Emergent Architecture und Reporting. Ausführlich wurden Scrum Teams und die Aufgaben des Scrum Masters behandelt. Gut aufpassen war auch deshalb angesagt, weil ein weiteres Ziel dieses Moduls darin bestand, das nötige Wissen für eine erfolgreiche Prüfung zum Professional Scrum Master zu bekommen.

Als Ausbilder hatte Veranstalter SYNNECTA mit Jean Pierre Berchez und Johannes Ries zwei ausgewiesene Experten aufgeboten. Sie führten souverän und fesselnd durch einen ganzen Berg von neuem Wissen. Berchez (Bild) ist seit 1995 mit Scrum vertraut. Der zertifizierte Scrum-Trainer und -Coach organisiert u.a. Scrum-Zertifizierungsworkshops mit den Erfindern von Scrum, Dr. Jeff Sutherland und Ken Schwaber. Johannes Ries hilft Menschen in Organisationen in der unvorhersehbaren VUCA-Welt Antworten zu finden für Unternehmensplanung, Strategie und Organisationsentwicklung.

Potenziale von Teams vereinen

Agile Teams sind VUCA-resilient, wenn sie sich für jede Situation durch ein Höchstmaß an Diversität und Interdisziplinarität gewappnet haben. Schnell können Teams bzw. Projekte »anschwellen«, der »Aufgabendschungel« immer unübersichtlicher werden. Oft arbeiten Team-Mitarbeiter an verschiedenen Standorten, evtl. sogar in diversen Zeitzonen. Da sind wirksame Tools für die Aufgabenverwaltung unerlässlich.

Für »Agiles Projektmanagement« behandelte das Ausbildungsmodul Scrum – eine agile Methode für komplexe Entwicklungsprojekte. Scrum macht effektiv, indem es die Fähigkeit der Beteiligten fördert, ihr Potenzial zu vereinen. Dafür sieht das Scrum-Konzept verschiedene, klar definierte Rollen vor, wie Product Owner, Development Team, Scrum Master. Der aus dem Entwicklungsteam heraus gewählte Scrum Master etwa unterstützt und überwacht den gesamten Prozess. Die Arbeitsabläufe sind klar strukturiert, in einem gemeinsam gepflegten Taskboard sind die zu erledigenden und die erledigten Aufgaben für das Team transparent. Wir Teilnehmer lernen verschiedene Scrum-Tools genauer kennen – und probieren sie selbst mit einem eigenen fiktiven Scrum-Projekt aus. Da ist z.B. das »Product Backlog«, eine vom Product Owner gepflegte Liste mit User Stories bzw. Anforderungen. Da gibt es z.B. die »Sprints« – jedes Inkrement ist eine Time-Box von i.d.R. 30 Kalendertagen – und da ist das »Sprint Backlog«, eine Liste von Aufgaben, die erforderlich sind, um die für den Sprint ausgewählten Anforderungen des Product Backlogs in ein auslieferbares Produkt umzusetzen.

Auch unser Ausbildungsmodul III war in (vier) Sprints gegliedert. Im Sprint 1 bildeten wir Kursteilnehmer Teams, in denen wir in diesen zwei Tagen Scrum aktiv erleben konnten. Im Sprint 2 lernten wir als »Scrum-Team-Member« das »Warum« für Agile und Scrum verstehen, um es später in unseren Organisationen nutzbringend vertreten zu können (Warum Agilität? #Cynefin #VUCA #Simulation). Im Sprint 3 lernten wir Teilnehmer das Scrum Framework verstehen, um es effektiv einsetzen zu können (und die Zertifikatsprüfung zu bestehen) (#Rolle #Practices/Tools #Events #Artefakte #Mythen). Und im Sprint 4 schließlich führten unsere Teams ein Scrum-Übungsprojekt durch, bei dem wir Scrum in Aktion erleben konnten (#Vision #Product Backlog mit User Stories #Priorisieren der Backlog Items #Schätzen).

Einleuchtend, aber keineswegs simpel

Das agile Vorgehen und Scrum leuchten mir nun ein: Durch klare Priorisierungen werden z.B. wirklich jene Produkte verfügbar gemacht, die der Kunde am dringendsten braucht. Auslieferbare (Teil-)Produkte werden in z.B. monatlichen Abständen, am Ende jeder Iteration vorgelegt. In der gesamten Produktentwicklung ist der jeweils erreichte Stand jederzeit transparent. Läuft etwas in die falsche Richtung oder türmen sich Hindernisse auf, kann mit den täglichen Überprüfungen durch das gesamte Team schnell reagiert werden. Dieses häufige, regelmäßige Feedback im Tagesrhythmus sorgt für kontinuierliche Verbesserungen, sowohl im Prozess als auch beim Produkt.

Die Grundprinzipien klingen einleuchtend, Scrum ist aber sicher nicht simpel. Trainer und auch einige Kursteilnehmer mit ersten Scrum-Erfahrungen machen in spannenden Diskussionen deutlich, dass die praktische Umsetzung in komplexen Systemlandschaften und Organisationen alles andere als einfach ist. Denn in der Praxis gibt es keine homogenen Systemumgebungen. Und die größte Herausforderung sehe ich in den notwendigen Veränderungen der Organisation für einen geeigneten Rahmen.

(Berichte von weiteren Modulen der Agile Culture Coach Ausbildung folgen.)

Hans-Peter Sander
blog.icv-controlling.com

Warum Agilität und Diversity zusammengehören, Teil 1

»Noch keine Antwort«

Denken wir uns eine Menschengruppe. Alle sind unterschiedlich, nicht gleich, und sie haben eine Gemeinsamkeit, sie arbeiten zusammen. Man arbeite jetzt agil und mit Diversity, das wurde gesagt. Alle haben genickt. Ausgebildet sind sie alle gleich, kennen die Regeln und Ziele. Aber die Zusammenarbeit gelingt nicht. Sie kaufen neue Methoden, von Experten. Seid doch mal anders. Schneller, agiler. Bloß keiner versteht, was zu tun ist. Alle machen, was sie kennen. Bis jemand eine Frage stellt und gut zuhört. Das ist neu und anders. Es wurde nach dem Sinn gefragt. Und das hat sie inspiriert. Sie merken, Mindsets kann man nicht kaufen. Agilität und Vielfalt auch nicht. Sie sagen sich, wir stellen erst einmal Fragen und hören gut zu. Das ist eigentlich nicht neu, hat sich aber noch nicht flächendeckend etabliert.

Hanna Göhler
Bild: freepik.com

Agiles Talent Management (II): Neue Formate und Interventionen

Im letzten Blogbeitrag zum Thema Talent Management habe ich die Grundlagen des agilen Talent Managements beschrieben: ein entwicklungsorientierter Talentbegriff, das Talent Enabling, die Selbstorganisation und eine unterstützende Talentkultur. Ausgehend davon, möchte ich weitere Überlegungen bezüglich der konkreten Umsetzung in der Organisation anstellen.

Talent Management mit flexiblen Formaten

In agilen Umgebungen gestaltet sich Talent Management, oder besser Talent Enabling, dynamisch und nicht prozesshaft. Die vorgegeben Talent Management-Jahreszyklen sind damit in Frage zu stellen. Mitarbeitergespräche zu einem bestimmen Zeitpunkt im Jahr durchzuführen macht wenig Sinn, wenn Arbeitsstrukturen sich dynamisch ändern und Projektzyklen 30-Tage-Sprints sind. Dennoch ist das Mitarbeitergespräch weiterhin wichtig. Allerdings als prinzipielles Format und nicht als Prozessschritt. Das heißt, Feedback findet statt, individuelle Entwicklungswünsche und Trainingsbedarfe werden besprochen, Mitarbeiter beurteilt, wenn es einen Anlass dazu gibt. Nicht nur der Zeitpunkt, sondern auch die personelle Zusammensetzung der Formate ist variabel. So können bei Bedarf auch Teamkollegen miteinbezogen werden. Mitarbeiter und Führungskräfte müssen befähigt werden, diese Talentformate flexibel anzuwenden und sie sich nach Bedarf zu eigen zu machen.

Noch mehr als in traditionellen Organisationsformen, darf daher das Talent-IT-System nicht strukturgebend für Talententwicklung sein. Die Interaktion und das Erfahrungslernen stehen im Mittelpunkt. Und hieraus ergibt sich eine neue Flexibilität im Talent Management und in den unterstützenden Systemen. Anpassungsfähige und abrufbare Talentformate sind wichtiger als ein durchgängiger Talentprozess.

Neue Rollen im intrinsischen Karrieremanagement

Die im vorherigen Beitrag beschriebene Entwicklungsorientierung und die Selbstorganisation im Talent Management fordert neue Kompetenzen in der Organisation. Mitarbeiter sind nun stärker selbstverantwortlich für ihre berufliche Entwicklung. In traditionellen Unternehmen wird sich in der Karriereplanung häufig noch auf die Mechanismen des Systems verlassen: vorgezeichnete Karrierepfade, Promotionszyklen, Ernennung als High Potential, die den Mitarbeiter bei guter Leistung schon an den richtigen (und wichtigen) Platz in der Organisation bringen werden. In agilen Umgebungen funktionieren solche linearen Formate nicht mehr. Der Mitarbeiter muss selbstständig das eigene Kompetenzprofil herausbilden sowie persönliche Motive und Werte ehrlich und detailliert benennen können, um daraus Karriereziele und Aktionspläne abzuleiten. Diese Innensteuerung an den Tag zu legen verlangt ein Umdenken und neues Handeln. Angebote für Mitarbeiter zur Karriereplanung wie z.B. Standortbestimmung, Peercoaching, Jobhospitationen und Mentoring helfen hier, den Mitarbeiter in seiner Selbstorganisation zu stärken.

Aber auch Führungskräfte müssen umlernen und die Rolle eines Talentcoaches einnehmen. Wie ein professioneller Coach sind sie kein Entscheider in Karrierefragen, sondern begleiten den Mitarbeiter mit regelmäßigem Feedback und ressourcenorientierter Gesprächsführung. Sie helfen Lernfelder zu identifizieren und Lernerfolge zu erzielen, bieten Lernoptionen z.B. über neue Projekte an. Führungskräfte benötigen unter Umständen Unterstützung, z.B. durch Training, um diese Rolle umzusetzen. Allerdings ist hier neben dem Erlernen von konkreten Fähigkeiten auch eine neue Sicht auf die Führungsrolle, wie allgemein in agilen Unternehmen, nötig. Die Führungskraft nimmt nun auch im Talent Management eine moderierende und unterstützende Funktion ein.

Im agilen Talent Management sind also neue Formate und Interventionen gefragt. Neue Haltungen und Rollen müssen eingenommen und angenommen werden, um Flexibilität und Eigenverantwortung erfolgreich umsetzen zu können.

Anke Wolf

Agiles Talent Management (I): Was bedeutet Talent Management im ständigen Wandel?

In vielen Organisationen sehe ich, dass Talent Management vor allem über Talentidentifikation und Prozessmanagement gelebt wird. Die Flexibilität, die in komplexen, agilen Umgebungen benötigt wird, kann über diese starren Modelle aber selten eingelöst werden. Will Talent Management Mitarbeiterpotenziale auch in neuen Organisationsformen fördern und zugänglich machen, muss es das alte lineare Denken und Handeln verlassen und wie das Business auch nicht-linear, agil und flexibel werden.

Entwicklungsorientierter Talentbegriff

Hilfreich erscheint mir hier die Einführung eines entwicklungsorientierten Talentbegriffs. Im Gegensatz zu einem statischen Talentbegriff stehen dabei Kategorien wie Talent oder High Potential nicht im Vordergrund. Ein entwicklungsorientierter Talentbegriff bezieht sich auf alle Mitarbeiter und Talentausprägungen, sozusagen auf die »power of the many« und nicht auf die »vital few«. Ein Weg, um in Unsicherheit und Dynamik durch eine Mobilisierung aller, der Verteilung von Risiko und einer experimentellen Haltung, leistungsfähig und innovativ zu sein.

Leistungs- und Potenzialunterschiede sollen nicht negiert werden, sondern als veränderlich in der Zeit als auch in der Situation verstanden werden. So zeigt die Stanford Professorin Dr. Carol Dweck anhand von Studien und Beispielen aus Unternehmen einen erstaunlichen Effekt: Allein die Überzeugung, dass Fähigkeiten auf Basis von Anstrengung und Erfahrungslernen grundsätzlich immer verbessert werden können, hat einen erstaunlich positiven Einfluss auf den individuellen Lernerfolg und schließlich auch auf den Unternehmenserfolg. Starre Kategorien bzgl. Talent oder Intelligenz führen eher zu Statusdenken und letztendlich Stillstand (Carol Dweck: Mindset. Changing the way you think to fulfill your potential).

Weiterhin bedeutet Entwicklungsorientierung auch das Talent Management in agilen Umgebungen weniger planbar und stärker iterativ ist. Der »Management«-Aspekt im Sinne von Steuerung tritt mehr in den Hintergrund und kann durch »Enabling« ersetzt werden. Talent Enabling beschreibt besser, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter in die Lage versetzen, ihre Potenziale freizusetzen und für die Organisation zur Verfügung stellen.

Selbststorganisation im Talent Management

Im entwicklungsorientierten Talent Enabling sind Konzepte wie die Learning Agility (u.a. Center for Creative Leadership) hilfreich. Learning Agility umfasst Fähigkeiten wie den Status Quo in Frage zu stellen, Erfahrungslernen, Reflexion, Feedback und Risikobereitschaft. Aspekte, die überraschend deutlich an einen SCRUM Sprint erinnern. Starre Formate wie Karrierepfade haben hier wenig Platz. Nicht nur weil Karrierepfade in sich schnell drehenden Umgebungen mit fluiden Rollen wenig sinnvoll erscheinen, sondern vor allem weil agile Organisation von der Selbststeuerung und der intrinsischen Motivation der Mitarbeiter leben. Selbstorganisation heißt hier, Verantwortung für die Entwicklung an den Mitarbeiter zu geben ohne sich als Unternehmen und insbesondere als Führungskraft aus der Pflicht zu nehmen. Wenn Selbstorganisation im Sinne der Learning Agility heißt, dass Mitarbeiter Lernbedarfe identifizieren und durch Erfahrungslernen, Reflexion und Feedback ihre Fähigkeiten ausbauen, dann ist es Aufgabe der Führungskraft als Prozessbegleiter Impulse zu setzen, Feedback zu geben und aktiv Lernoptionen anzubieten. Und auch das Gesamtunternehmen braucht eine übergreifende Talentkultur, die jenseits von Rollenbeschreibungen und Organigrammen, Lernen, Ausprobieren (und damit auch Scheitern) und Reflexion des Mitarbeiters würdigt und fördert.

Talent Management in agilen Organisation braucht also neue Begriffe, Haltungen und eine Kultur, die nicht-lineare Entwicklung im Unternehmen aufgreift und integriert.

Anke Wolf

Wir freuen uns, dass wir gleichzeitig mit diesem Artikel eine unserer Associated Partner vorstellen dürfen: Anke Wolf von Anke Wolf Coaching & Consulting ist eine ausgewiesene Expertin für Talent Management und Leadership.

SYNNECTA Scrumt

Unser Backlog ist ganz schön voll. Die Sprints takten uns. Die User-Storys stehen, unsere Kommunikation ist in Prüfung.

Die Beraterinnen und Berater von SYNNECTA üben sich in Reflektion, Selbstorganisation und Innovation. Dieses Mal, indem sie an einer internen »Scrum«-Weiterbildung teilnehmen.

Unser Kooperationspartner Scrum Events hat diese Weiterbildung auf unsere Bedarfe hin extra maßgeschneidert. Wie gestalten wir unsere Arbeitskultur, wie erlebe ich die Aufforderung zum Change, ist agiles Arbeiten neu oder alt, wie funktionieren wir miteinander? Scrum ist empirisch, inkrementell und iterativ. Es erlaubt uns, Impulse zu haben und sie später zu prüfen, Fehler zu machen, sie zu verbessern, sich zu verändern. Schnell zu sein, nicht hektisch. Einander zuhören.

Die Übersetzung in die Beratungsarbeit erfolgt parallel und weiterhin. Agile Konzepte gehören längst zum Arbeitsmodus einiger Organisationen. Daraus gelebte positive Erfahrung zu machen und Erfolge zu feiern, ist in Teams oft noch neu oder sogar unbekannt. Wir können bestätigen, es ist nicht leicht, aber empfehlenswert sich damit zu beschäftigen.

Die Scrum-Erfahrung bekräftigt unsere These der diesjährigen SophiaWerkstatt: Agil sein kann nur, wer Inhalt, Ziel und sich selbst im Fokus hat.

Hanna Göhler