Schon über einen Neustart nachgedacht?

Werden wir ein #KickIn brauchen, wenn wir die analoge Welt wieder betreten?

Gruppen leben neben der formellen Struktur, die sich in Regeln, Organigrammen und Prozessen festlegen lässt, immer auch eine informelle Struktur. Sie ist von Zuneigung und Abneigung, von Einfluss, Zugehörigkeit und Ablehnung bestimmt. Wenn beide Strukturen harmonieren, gelingt Zusammenarbeit. Rollen und Erwartungen sind klar, es gibt ein gemeinsames Verständnis über die Aufgaben und über die Art und Weise, wie sie erledigt werden. Unterscheiden sich beide Systeme deutlich, klaffen gar auseinander, dann stockt die Kooperation und die gemeinsame Leistungsfähigkeit ist reduziert.

Äußere Ereignisse haben Einfluss auf die Bildung der informellen Struktur und auf das Zusammenwirken der formellen und der informellen Ebenen. Das Home Office und der notwendig gewordene digital-virtuelle Kommunikationsweg sind kraftvolle Ereignisse, die die Potenz haben die Gewichte und die Beziehungen innerhalb der informellen Struktur zu verändern. Es bilden sich neue Einflusskonstellationen, es gibt Machtverschiebungen und es treten neue Konfliktlinien auf.

Mit der neuen Form der Kommunikation, der Veränderung der Bühne der Zusammenarbeit, verändert sich die informelle Struktur. Mit den Hinweisen zu #remoteleadership haben wir die Rolle der Führung in dieser Dynamik beschrieben. Nun geht es jedoch darum, wieder in die analoge Welt zurückzukehren. Und da treffen in mannigfaltiger Weise die alte informelle Struktur, die formelle Struktur und die neu gebildete informelle Struktur aufeinander.

Die formelle Struktur muss sich wieder neu positionieren und legitimieren, die informellen Strukturen müssen sich wieder harmonisieren. Man kann diese Prozesse der Zeit überlassen, sie werden sich schon irgendwann wieder zurechtruckeln. Jedoch bezahlt man dies mit einer längeren Zeit der Unsicherheit und einer deutlichen Reduzierung der Leistungsfähigkeit der Gruppe. Ein strukturierter KickIn kann diese Phase effektiv gestalten – man vergewissert sich miteinander, wo man nun steht, was sich verändert hat und was Bestand hat. So wie sich ein Transition Workshop bei einem Führungswechsel bewährt hat, so ist ein KickIn für den Neustart ein Mittel, mit einem Kickstart in die analoge/digitale Arbeitswelt zurückzukehren.

Rüdiger Müngersdorff

Respect for the stranger is respect for your own learning self

Mit Besorgnis sehen wir die aufkommenden Meinungen, den Tratsch, der sich gegen die »Fremden« richtet. Es formuliert sich ein Nationalismus, der sich vor allem aus Schuldzuweisungen, Verdächtigungen und Hass gegenüber anderen definiert. Gerade sind es Chinesen, die diese negative Selbstdefinition zu spüren bekommen. In Italien sind es, hoffentlich vorübergehend, die Deutschen. In beiden Fällen können die sich Abgrenzenden auf einer historischen Vorbelastung aufbauen. Die Haltungen, die sich in den sozialen Medien viral verbreiten, bleiben auch für den »Restart« nicht folgenlos. Wir beschädigen gerade eine gewachsene Vertrauensbasis und den Respekt vor dem Anderssein der Anderen.

Es steht zu befürchten, dass diese Haltungen stärker werden je länger die verschiedenen Gemeinschaften die Einschränkungen und Verluste der gegenwärtigen Pandemie spüren. Und damit gefährden wir einen wichtigen, in der Regel übersehenen positiven Effekt der Globalisierung.

Mit den offenen Märkten, der engen Kooperation zwischen unterschiedlichen Kulturen und Denktraditionen, haben alle Seiten die Chance erhalten, sich im Anderen zu spiegeln. Dieser Prozess diente nicht nur dem besseren Verständnis der anderen Kultur, sondern in großem Maße dem erweiterten Verständnis des Eigenen und war und ist so ein Sprungbrett für die eigene Entwicklung – im Jargon der Organisationsentwickler- zur gelingenden Transformation. Wir lernten unser jeweiliges intuitives Welt- und Selbstverständnis als nicht bewussten Hintergrund unserer Handlungen verstehen und konnten mit diesem Verständnis anders auf unseren Weltausschnitt schauen, was wiederum verändertes Handeln ermöglichte.

Es ist eine der Grundlagen unserer Innovationsfähigkeit, die es so, ohne die Herausforderungen des Fremden, nicht geben würde. Es sind reflexive Prozesse, die es uns ermöglichen sowohl unser Selbst- als auch unser Weltverständnis zu erweitern. Konkret: Diversität, mit dem Recht der Diversen zu sprechen und gehört zu werden, ist ein Beschleuniger der reflexiven Selbst- und Weltvergewisserung und so die Basis von Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit.

In einem »Restart« werden wir auch auf diesen Aspekt achten müssen und miteinander an dem gegenseitigen Vertrauen in den jeweils anderen arbeiten müssen und dürfen.

Rüdiger Müngersdorff

Paränese? Wie bitte?

In unseren Coachings tritt etwas Neues in den Vordergrund. Es ist wie ein Einbruch in die Personenstabilität der Menschen. Angst, Furcht und Sorge dominieren, dazu gesellen sich Ohnmachtsgefühle oder ziellose Aktivität. Die mögliche andere Reaktion auf die derzeitige Situation ist eine radikale Verleugnung. Menschen mit dieser Bewältigungsstrategie hören und sehen wir in unseren Coachings nicht. Sie werden wohl später kommen.

Wir begegnen reflektierten Menschen mit einer guten und manchmal beeindruckenden Bildungsgeschichte, die sich derzeit nur zögerlich den eigenen Gefühlen von Furcht, Sorge und Hilflosigkeit stellen können. Sie spüren jedoch, dass sie etwas benötigen, was sie für sich selbst allein nicht tun können. Manche beginnen zu grübeln, andere geben eher irrationalen Verdächtigungen, Unterstellungen bis hin zu Verschwörungstheorien Raum.

Allen ist gemeinsam, dass sie in einer Situation sind, in der die äußere Struktur schwach wird und sie sich schwertun zu einer flexiblen Anpassung an eine sich ändernde partiell bedrohliche Situation zu finden. Viele wollen eine Ursache, die sich abstellen lässt, zur Not auch eine starke Autorität, die das Rettende tut. Der Weg zu einer Gelassenheit, die sich den wechselnden Bedingungen flexibel (agil) anzupassen weiß, ist noch selten.

Für uns als Coaches kommt hier zum Tragen, was in der antiken Philosophie und später in den christlichen Lehren Paränese genannt wurde: Der ermutigende, der mahnende und tröstende Zuspruch. Und das ist derzeit unsere Aufgabe – Menschen helfen, zu ihrer eigenen Gelassenheit zu finden, ihnen für eine Zeit die Stabilität zu geben, die sie benötigen, um ihre eigene wieder zu finden. Es ist eine schöne Aufgabe und eine die sich sehr gut auch digital gestalten lässt.

Rüdiger Müngersdorff
Foto: Pratik Gupta by unsplash.com

Kulturarbeit in Organisationen ist Arbeit am kollektiven Mindset

Radikale Kollaboration, Transformation, neues Denken, Digitalisierung – kaum ein Thema, welches nicht durch Mindsetarbeit bewegt und unterstützt werden soll. Auffällig dabei, es geht immer um die Mindsetarbeit des einzelnen Mitarbeiters. Aber kann man durch die Summierung der Veränderung individueller Mindsets wirklich eine Organisationskultur bewegen?

Die sich derzeit durchsetzende Arbeit am Mindset konzentriert sich vor allem auf individuelle Muster der Wahrnehmung, Bewertung und Beurteilung von Situationen. Mit vielfältigen Methoden werden Individuen die Möglichkeit gegeben, eigene Prädispositionen in der Begegnung mit der Welt zu erkennen und zu verstehen, wo diese Vorannahmen hilfreich sind und auch wo sie das Feld möglicher Antworten auf die Herausforderungen der Welt einschränken. Dieses Vorgehen hat sich in Coachingsettings als sehr hilfreich erwiesen. Und so ist die Arbeit an einem individuellen Mindset auch ein Baustein in der Arbeit von MyndLeap. MyndLeap geht aber darüber hinaus.

Der Begriff Mindset ist in der Mentalitätsforschung verankert. Hier wurde verstanden, wie sich die Einstellungen, Wahrnehmungen und Wertungen sozialer Schichten in Bezug auf Situationen und Ereignisse unterscheiden, was gravierende Auswirkungen auf die jeweilige Stellung innerhalb der gesellschaftlichen Strukturen hat. Auch hierdurch wird die Durchlässigkeit der gesellschaftlichen Schichten vermindert (ein Aspekt, den SYNNECTA in den eigenen Diversitätsansätzen verankert hat). Dieser Arbeitsansatz wurde dann auch auf das Verständnis unterschiedlicher Lebensräume und Nationen ausgedehnt und ist bis heute Grundlage der Modelle interkultureller Zusammenarbeit.

MyndLeap ist sich dieser Verankerung der Mindsetarbeit in primär kollektiv gedachten Prädispositionen bewusst und hat sich so auch auf Arbeitsformen konzentriert, die es möglich machen, kollektive Wahrnehmungs- und Bewertungsmuster zu erkennen und Chancen zu deren Beeinflussung zu öffnen. MyndLeap kann so effektiv kollektive »Mindsets« wahrnehmen und Arbeitsformen zur Verfügung stellen, die es Kollektiven ermöglichen, den jeweiligen Nutzen und die Begrenzungen dieser kollektiven Prädispositionen zu erkennen. Und wie in jeder Kulturarbeit öffnet das Bewusstsein die Chance zur Veränderung und Entwicklung. MyndLeap stellt so der eher psychologisch orientierten Mindsetarbeit eine soziologisch fundierte Perspektive zur Seite und bietet damit die Chance zu einer effektiven Arbeit an der Kultur eines Kollektivs, einer Organisation.

(In der Organisationsentwicklung ist die von Didier Eribon und Annie Ernaux angestoßene Verschiebung von einer dominant psychologischen Perspektive hin zu einer soziologisch politischen Perspektive noch kaum angekommen. Dabei bietet diese Perspektive für die Anstrengungen einer transformativen Kulturarbeit und speziell einer wirksamen und effektiven Erhöhung der Diversität in Organisationen eine große Chance.)

www.myndleap.com

Rüdiger Müngersdorff
Foto: GoaShape by unsplash.com

SYNNECTA im Lexikon

Dass Sprache Wirklichkeit schafft, war eine meiner ersten Lernerfahrungen nach meiner Schulzeit, als ich in einer Ausbildung bei Rüdiger Müngersdorff war.

Dass Wirklichkeit auch (neue) Sprachlichkeiten hervorbringt, ist eine logische Schlussfolgerung daraus. Mit SYNNECTA liegt so eine besondere Sprachlichkeit vor.

Nach nun 20 Jahren hoch erfolgreicher Tätigkeit, zu der ich besonders den Geschäftsführern Dr. Rüdiger Müngersdorff und Dr. Jörg Müngersdorff, und allen bei SYNNECTA herzlich gratuliere, wäre es eigentlich Zeit für den Eintrag dieser etablierten Sprachlichkeit im Duden-Fremdwörterlexikon.

Als Vorschlag würde ich dazu gerne formulieren:

Synnecta, -ae, m./pl. -ae; (lat.); die (!) Erfahrungswelt im Kontext von Beratung, Bildung, Arbeit und Leben, Horizonterweiterung durch interdisziplinäre Zugänge und Diversity-Orientierung auf höchstem, menschlichen Niveau; Verb: synnecare (lat.), zusammenbringen.

Danke für die vielfältigen Angebote des Lernens und der vielen Perspektivenwechsel und Wissenszuwächse in den vergangenen Jahrzehnten!

Susanne Guski-Leinwand
Bad Honnef im Mai 2019