SYNNECTA und die Peter Drucker Society
SYNNECTA engagiert sich seit einigen Jahren als Mitglied des Internationalen Beirats für die Peter Drucker Gesellschaft und das Peter Drucker Forum. Im Beirat werden sowohl die Zukunftsthemen für die Peter Drucker Society diskutiert, als auch das jährliche Peter Drucker Forum vorgedacht. Gerade konnten 1.000 Teilnehmer aus der ganzen Welt die 11. Ausgabe zum Thema »The Power of Ecosystems« in der Wiener Hofburg erleben. Weitere 1.000 Interessierte verfolgten das Programm im Livestream. Eine diesjährige Besonderheit war, dass alleine aus China nahe 100 Teilnehmende nach Wien kamen und die Konferenz bereicherten.
Das Peter Drucker Forum darf sich der Anerkennung als international führendes Management Forum erfreuen. Es wird nicht nur von der Stadt Wien, dem Geburtsort Peter Druckers, unterstützt, sondern auch von bedeutenden Medien wie Financial Times, Harvard Business Review und The Economist.
Wer die Philosophie und das Wirken der SYNNECTA kennt, wird leicht erkennen, wo die Resonanz zum Werk von Peter Drucker liegt. Peter Drucker hat den Menschen in den Mittelpunkt all seiner Management-Überlegungen gestellt und wir freuen uns, seine weitsichtigen, visionären, aber auch sehr praxisbezogenen Einsichten zu Management, Organisationen und Gesellschaft in den aktuellen Diskurs einzubringen. Seine vielen geistreichen und pointierten Zitate begegnen uns immer wieder, wenn Manager*innen und Leader in ihren Präsentationen grundlegende Sachverhalte erläutern.
Das von der übergewichtigen Bedeutung der Kultur gegenüber der Strategie muss wahrscheinlich nicht einmal mehr ausformuliert werden. Drucker verstand Management als eine »soziale Technologie« und hat die gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen und der Leader und Manager*innen betont. Er hat sehr früh die einseitige Fixierung auf einen Shareholder Value als Irrweg entlarvt und Stellung für einen »shared value« der Unternehmen bezogen. Ein Unternehmen könne nicht nur für sich selbst einen Sinn und Zweck erfüllen, sondern müsse dies auch für die Gesellschaft tun. Einen Mehrwert für alle schaffen und zum höchsten Wohle aller wirken.
Zurück zum Forum. Zurück nach Wien im November 2019.
Das Forum bringt Forschung und Praxis aus der ganzen Welt zusammen. So sprechen Professor*innen der großen renommierten Business Schools und die CEO´s der erfolgreichsten Unternehmen, Vertreter*innen großer Traditionsunternehmen gleichermaßen wie Vertreter*innen von Start-Ups. Und unter den Teilnehmenden finden sich ebenfalls Politik, Unternehmen, Berater*innen und die Akademia wieder; sie setzen sich mit den Impulsen auseinander, gehen in einen durch den vielfältigen Input inspirierten Dialog und vernetzen sich.
Die schiere Zahl an Speakern und Beiträgern von beinahe 100 aus der ganzen Welt ist überwältigend, die Qualität der Beiträge ebenfalls (zumindest größtenteils!). Alleine 11 Speaker gehören der Liga der Top50-Thinker an, mit Amy Edmondson, Alexander Osterwalder und Rita McGrath werden drei von ihnen unter den Top 10 gelistet. Und noch ein bisschen »name dropping«: Vint Cerf (VP Google), Ed Catmull (Gründer von Pixar), Zhang Ruimin (CEO Haier Group), Young K. Sohn (President Samsung), Miriam Meckel (ADA), Jos de Blok (Gründer von Buurtzorg), Tony Tan Keng Yam (früherer Präsident Singapores) und viele andere mehr.
Von den Namen zu den Inhalten.
»The Power of Ecosystems« trifft den Nerv der Zeit. Erfolgreiche Unternehmen mit geschlossenen Außengrenzen lassen sich nicht mehr finden. Ökosysteme und Plattformen sind die neue Organisationsrealität.
Autor: Alexander Osterwalder
Wir leben und arbeiten in Ökosystemen, die in Bewegung sind und ein neues Denken im Management verlangen. Wir entwickeln andauernd und intentional Wertschöpfungspartnerschaften, die Innovationen ermöglichen, Kompetenzen bündeln oder kundenorientierte Verrichtungen skalieren. Wettbewerber werden in bedeutsamen Dimensionen des unternehmerischen Handelns zu Partnern, ohne die grundsätzliche Konkurrenz aufzugeben. Dies geschieht mit einem »win-win«-Versprechen, das nur erfüllt werden kann, wenn Transparenz und Fairness gelebt werden und »Vertrauen« die Zusammenarbeit prägt.
Es steht außer Frage, dass technologische, digitale Fortschritte ein neues Denken und unternehmerisches Handeln erst ermöglichen, und auf dem Forum wurden sehr konkrete Beispiele geschildert, wie Plattformen und neue Geschäftsmodelle entwickelt und realisiert werden. Erläuterte z.B. Carsten Linz (Digital Officer BASF) im Panel »Capitalizing on New Technology and Connectivity« das strategische Vorgehen, so betonte Karennan Terrell (Chief Digital & Technology Officer GSK) die große Bedeutung des Menschen am Erfolg von Plattformen und der Navigation in Ökosystemen.
Wenn die CEO´s auf der Konferenz von ihren Transformationen und der Nutzung neuer Geschäftsmodelle berichten, dann spielen sowohl die Plattformen eine wesentliche Rolle, auf der alle Einheiten ankoppeln und bestimmte Serviceleistungen abrufen können, als auch die Schaffung kleinerer Einheiten, die sich auf ihre Kunden, Produkte und Dienstleistungen fokussieren können. Zhang Ruimin (CEO and Chairman of the Board of Directors, Haier Group) berichtet von über 200 eigenständigen entities, die ihr Geschäft erfolgreich vorantreiben und über eine Service- und Kommunikationsplattform verbunden sind.
Arthur Young (Senior Advisor Tencent Holdings Limited) stellt eine konkrete Transformation dieses chinesischen Internetunternehmens vor, das 1998 gegründet wurde und mittlerweile einen Jahresumsatz von € 20 Mrd. erreicht hat. Tencent hat acht große Studios in 20 kleinere, völlig autonom agierende Studios verändert, die eine gemeinsame Plattform teilen, um auf Marketing und weitere Supportfunktionen zurückzugreifen.
Die vielen unterschiedlichen Unternehmen, die sich vorgestellt haben, erlauben die Schlussfolgerung, dass das aktuelle Erfolgsmodell auf einer radikalen Kundenorientierung bzw. User-Fokus und die Gestaltung spezifischer User-Experiences beruht, hierarchiearmer bzw. agiler Zusammenarbeit, die in kleineren Einheiten verwirklicht wird.
Aber auch die Auswirkungen auf den einzelnen Menschen wurden beleuchtet. In einer Welt, die uns mit Informationen und Daten überflutet und in der viele in immer unsicheren, unvorhersehbaren Situationen Höchstleistungen erbringen sollen, stellt sich die Frage nach Gesundheit und Seelenheil. Michael J.Gelb, einer der Pioniere von Achtsamkeit und Meditation, Kreativität und Innovation machte klar, dass das Wichtigste, was ein Manager managen sollte, seine/ihre eigene Energie sei. Seine Umdeutung des CEO zum Chief Empathy Officer ist dann auch programmatisch.
Von den Kompetenzen des Einzelnen führte uns Amy Edmondson (Harvard Business School) in die »fearless organization«. Da, wo der am wenigsten machtvolle Mensch im Raum frei sprechen und seine/ihre Meinung äußern kann, ein angstfreier Raum vorhanden ist, da können auch außergewöhnliche Leistungen erbracht werden. Dies beweist die Harvard-Professorin natürlich auch mit sehr eindrucksvollen Zahlen und Vergleichen.
Ed Catmull (Co-Founder Pixar Animation Studios) berührte den Saal, als er nach dem Geheimnis des Erfolgs in einem so kreativen Umfeld, wie es Hollywood bietet, gefragt wurde. Sinngemäß antwortete er: Wenn wir zusammengesessen und gearbeitet haben, dann haben wir das Ego aus dem Raum geschickt. Wir sind neugierig, lösungsorientiert und am gemeinsamen Thema interessiert. Es ging eine große Glaubwürdigkeit in diesem Moment von ihm aus und flutete den Saal.
Die Futuristin Amy Webb zeigte konkret auf, wie die Konsument*innen durch die Convenience von Produkten in erster Linie zu Datenlieferanten für die Technologieunternehmen werden. Sie führte uns in die verführerische Welt der Künstlichen Intelligenz als dem dritten Computerzeitalter ein und sieht verschiedene mögliche Szenarien für die weitere Entwicklung, zu dem auch ein Katastrophenszenario gehört. Gleichwohl entscheidet sie sich am Ende für ein optimistisches, in dem KI die Menschheit unterstützen kann, eine bessere Zukunft aufzubauen.
Auch wenn in einem anderen Panel, so machte Young K.Sohn (President Samsung) zu diesem Thema deutlich, dass nach seiner Ansicht die Daten den Menschen und nicht den Unternehmen gehören sollten. Er sah übrigens eine wichtige übergreifende Aufgabe darin, die Fragmentierung der Welt in unterschiedliche Standards in China, den USA oder Europa zu überwinden und eine gemeinsame technologische Sprache zu finden.
Und Miriam Meckel, wieder in einem anderen Panel, schwamm erfrischend gegen den Strom der Diskussion, als sie bei der Lobeshymne auf die convenience digitaler Lösungen und Problemlösungen ein Hoch auf »Probleme« sang, da es dem Menschen nicht guttäte, wenn ihm alle Probleme abgenommen werden. Herausforderungen seien ein wichtiger Teil unserer Entwicklung und unseres persönlichen Wachstums. Als das Panel auf die Vernetzung und das Internet of Things zu sprechen kommt, wirft Miriam Meckel zurecht ein, das es ja mittlerweile schon eher das Internet of Everything geworden sei.
Das Panel zu Beginn des zweiten Tages begeisterte die Teilnehmer und auch mich besonders. Es ging um die Notwendigkeit einer Generalüberholung des Ökosystems Gesundheitswesen und die Sprecher*innen hätten wirklich nicht besser ausgesucht werden können. Als Gastgeberin der Gesprächsrunde spürte man bei Marie Ringler (Ashoka Europe Leader) eine Vertrautheit mit dem Thema und dank ihrer Vorgespräche mit Jos de Blok (Founder & CEO Buurtzorg), Kevin Hrusovsky CEO (Quanterix) und Caroline Kant (Founder & CEO EspeRare Foundation) war sie nicht nur inhaltlich gut vorbereitet, sondern konnte auch die Gesprächsatmosphäre angenehm gestalten. Bei Quanterix und EspeRare ist der radikale Blickwechsel von der Behandlung von Krankheiten zur Vorbeugung von Krankheiten und der vorbeugenden Erhaltung von Gesundheit verwirklicht. Die Integrität und Authentizität der Gründer und Unternehmensführer dieser Organisation waren wohl Grund für die besondere Intensität und Wirkung der Beiträge.
Jos de Blok, der Gründer und CEO von Buurtzorg, auf den wir im Essay »New Leadership for a New World – New Leadership – New Organizations« von 2015 als ein Beispiel für gelungene Selbstorganisation verwiesen hatten, schilderte eindrucksvoll seinen Weg vom Krankenpfleger zu demjenigen, der auf seine Erkenntnis, dass Krankenpflege in Holland falsch organisiert ist, mit der Gründung von »Buurtzorg« reagiert hat. Inzwischen arbeiten 15.000 nurses, die sich selbst in kleinen Einheiten in ihren Wohnvierteln organisieren, für Buurtzorg. 50 Mitarbeitende arbeiten im Backoffice, 21 als Coaches und zwei als Direktoren, von denen Jos einer ist. Eine intelligente IT-Plattform erlaubt die radikale Selbstorganisation. Kleine selbstorganisierte Einheiten betreuen die Patient*innen, und die Krankenpfleger*innen legen großen Wert auf die Beziehungen zu ihren Patient*innen. Die Patientenzufriedenheit liegt bei 9 von 10, genauso wie die Mitarbeiterzufriedenheit. 5mal hintereinander ist Buurtzorg als bester Arbeitgeber in Holland ausgezeichnet worden. Jedes Jahr kommen 1.200 neue Mitarbeiter hinzu. Durch die äußerst flache Hierarchie liegen die Overhead-Kosten mit 8 % extrem günstig. Jos de Blok, als mutiger »Social Entrepeneur« hat eine Industrie revolutioniert und die Verantwortung in die Hände derer gelegt, die das Geschäft auch machen. Dabei half ihm seine eigene langjährige Erfahrung als Nurse und Manager im Gesundheitswesen sehr. Auf die Bemerkung, dass er die Macht an das Pflegepersonal abgegeben habe, antwortet er, dass die Macht eigentlich beim Klienten/Patienten liegen würde. Der Kunde im Mittelpunkt, Vertrauen und Transparenz und Prozesse so einfach wie möglich gestalten, sind sicher einige der Erfolgskriterien. Sein Mantra: »Keep it small, keep it simpel« ist der Bezugspunkt für alle Entscheidungen zum Wohle der Patienten und der Gesellschaft.
Auffällig war, dass in fast allen Panels neben den riesigen technologischen, digitalen Möglichkeiten und Potentialen der KI immer wieder der Mensch, Kultur und ein notwendiger Mindset Change in den Mittelpunkt gerieten. Die Themen, die SYNNECTA seit 20 Jahren kraftvoll vorantreibt.
Die Bedeutung von Leadership wird nochmals erhöht, was uns bereits den Weg zum GPDF20 weist.
Jörg Müngersdorff