Mindset: Grenzen und Chancen einer Arbeitsform

Das Konzept Mindset/Glaubenssätze hat sich im Kontext von Coaching bewährt. Es unterstützt wirkungsvoll kognitive Flexibilität und ermöglicht es Coachees mit einer breiteren Handlungspalette den Herausforderungen der Lebens- und Arbeitswelt zu begegnen. Es ist gut zu sehen, dass sich viele Schulen der Mindsetarbeit von einem normativen Konzept verabschieden, wie sie unter den Begriffen Growthmindset oder Agilemindset gerne an Unternehmen verkauft wurden und ja noch werden. Unter Begriffen wie mindset plasticity oder -flexibility wird deutlich, dass es eher um die Fähigkeit geht, situativ zu handeln und nicht, wie es die Transaktionsanalyse formulieren würde aus der Gebundenheit an alte Skripte zu handeln. Es geht um Freiheitsgrade und wie seit den Anfängen der Psychoanalyse um das Credo: Bewusstheit öffnet den Raum von Möglichkeiten. Möglichkeiten auch anders reagieren und agieren zu können.

Trotz dieser dynamischen Entwicklungen in der Mindsetszene gibt es einige blinde Flecken – nicht überall, aber doch dominant findet man sie in den jeweiligen Verkaufsfoldern. Ich habe bereits in früheren Artikeln (@myndleap @rüdigermüngersdorff @synnecta) auf die Quellen von Mindset hingewiesen und dabei die viel breitere Basis dieses Ansatzes skizziert. Hier möchte ich im Folgenden auf zwei der nicht ausgeschöpften Aspekte von Mindset hinweisen.

Ich treffe immer wieder auf die Formulierung »emotional charged belief sets«. In der Fixierung auf kognitive Strukturen und Inhalte werden Emotionen, wie so oft in der westlichen Kultur, zu sekundären Erscheinungen, die etwas aufladen. In der nun doch schon langen Geschichte der Psychotherapie haben wir zumindest gelernt, dass Emotionen eigene Dynamiken sind und als solche auch wahrgenommen und angesprochen werden müssen. Alle Studien zur Wirksamkeit von Psychotherapie und von Coaching belegen, dass die Beziehung zwischen den Beteiligten der wichtigste Wirkfaktor ist. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass in der Beziehung zwischen Menschen, Emotionen spürbar und wahrnehmbar werden. Hier liegt ein großer Wert der Entdeckung der Übertragungsphänomene, die nicht nur eine Fehlwahrnehmung beschreiben, sondern den Ort bilden, an dem sich Emotionen ereignen, die dann in Kognitionen oder in Reden übersetzt werden können. In der Methodenfixiertheit der meisten Mindsetschulen wird dieser Aspekt der Arbeit dramatisch unterschätzt. In meinem im asiatischen Raum stattfindenden Projekten spreche ich daher nicht nur von Mindset sondern auch von Heartset. Das löst in diesen Kulturen große Zustimmung aus und gibt den Zugang nicht nur kognitive Flexibilität zu erhöhen, sondern auch emotionale. Der Wiederholungszwang, der einer flexiblen, angemessenen Wahrnehmung und Handlung entgegensteht, ist ja nicht vorwiegend an Erkenntnis-, Bewertungs- und Entscheidungsstrukturen gebunden, sondern vor allem an die emotionale Reaktion auf einen inneren und äußeren Kontext – auf eine Szene. Hier entstehen die Bindungen und Limitierungen, hier erhalten dann Glaubenssätze die Kraft ihrer handlungsleitenden Botschaft und wenn wir nicht in der Lage sind die szenischen Gefühle von Furcht, Scham und Schuld emotional anzusprechen (Qualitäten der Übertragung und Gegenübertragung) bleibt die Mindsetarbeit Flickschusterei.

Konfrontiert mit der kognitiven Fixiertheit und Methodengläubigkeit vieler Mindsetschulen fällt mir immer wieder die Frage ein: Wer hat dir eigentlich erzählt, dass du im Kopf denkst und nicht vielmehr in deinem ganzen Leib? Ohne Wahrnehmung der Leiblichkeit gibt es keine Wahrnehmung der Emotionalität und ohne die Erfahrung des Heartsets bleibt die Mindsetarbeit oberflächlich.

Ein anderes auffälliges Manko der Diskussion über Mindset ist ihre Blindheit gegenüber den wesentlichen Bedingungen einer wirksamen Organisationsentwicklung. Während wir in der Kulturwissenschaft einen cultural turn oder sociological turn beobachten, verstärkt sich in der weichen Beratungsszene der psychologische Ansatz. Der Satz: Ich lebe mein Leben ist genauso wahr wie der Satz: Mein Kontext lebt mich. So wie bei den gängigen Resilienzkonzepten die Veränderungslast auf das Individuum verlagert wird, so geschieht das auch in der Organisationsentwicklung. Der dahinterstehende Glaube, wenn alle Mitarbeitenden wahlweise ein growth-mindset, agile-mindset oder xxx-mindset haben, dann sind wir erfolgreich, dann ändert sich unsere Kultur und unterstützt unsere Unternehmensziele. Alle Praxis zeigt, dass dies eine Illusion ist. Alle Unternehmen haben eine spezifische Kultur, man kann dies auch ein kollektives Mind- und Heartset nennen. Sie reproduzieren diese Kultur selbst dann, wenn man Mitarbeitende austauscht. (Es ist ja eine der ernüchternden Erfahrungen, dass eine Führungskraft in einem Training anders ist, als dieselbe Führungskraft in ihrem unternehmerischen Kontext.) Während es in der individuellen Mindsetarbeit klar zu sein scheint, dass die Glaubenssätze im Gehirn lokalisiert sind – wobei ich sagen würde im Leib) so stellt sich in der Organisationsentwicklung die alte Kulturfrage, wo und wie ist die Beständigkeit von Kulturmustern in Unternehmen verortet? Auf diese Frage hin hat die Kulturwissenschaft eine Reihe von Ansätzen formuliert, die es in die Organisationsentwicklung zu integrieren gilt. Sie sind meistens relational und lassen sich mit dem klassischen Ursache- wirkungsdenken kaum erfassen. Es geht darum; dass Bedingungsgefüge, in dem Wahrnehmen, Entscheiden und Handeln geschieht wahrnehmbar zu machen. Denn auch hier ist der erste Schritt wie in der individuellen Arbeit: Bewusstheit. Mit diesen Gedanken kehrt das Mindsetkonzept zu seiner Quelle in der Mentalitätsforschung sozialer Schichten zurück und versteht, wie Mindsetarbeit kollektives Verhalten in seiner Gebundenheit zu verstehen hilft und zugleich die Chance zu Emergenz öffnet. Mit einer Formulierung Musils könnte man sagen, Arbeit am kollektiven Mindset stellt dem Wirklichkeitssinn den Möglichkeitssinn an die Seite.

#myndleap #mindset #mindsetarbeit #mindsetcoaching #organisationsentwicklung #synnecta #denksinnlich #kollektivesmindset

Der Artikel erschien ursprünglich auf www.myndleap.com
© Artwork: Mitra Art, Mitra Woodall

Virtual OD by SYNNECTA – Go digital!

Die digitale Welt bietet Organisationen neue Möglichkeiten, den Kulturwandel demokratischer und zukunftsgerecht zu gestalten, um die Herausforderungen einer zunehmend komplexen und dynamischen Welt anzugehen. Kultur wird in Zukunft einen noch höheren Stellenwert in Organisationen erhalten. Kultur füllt Lücken, die durch Strukturen und klassische Prozesse allein nicht überbrückt werden können.

Virtuelle Organisationsentwicklung – Virtual OD by SYNNECTA – unterstützt diesen Aspekt nachhaltig.

Kulturwandel zielt darauf ab, das Engagement zu steigern, die Performance zu erhöhen, Kollaboration zu verbessern, Diversität effektiv zu nutzen und agiler zu werden, um die Organisation langfristig weiterzuentwickeln. Nur die Organisation, die sich so fortlaufend weiterentwickelt, ist zukünftig in der Lage schnell und angemessen mit Veränderungen umzugehen und langfristig erfolgreich zu bleiben.

Kulturwandel kann aus zwei Richtungen geschehen

Ansatz 1: Zentrale Perspektive – Ein Leitthema schafft »top down« ein durchdringendes Gemeinsames, welches Unterschiede integriert (unterschiedliche Ausprägungen, Metaphern, …). Im Weiteren bilden sich Inseln heraus, die sich selbstorganisiert vernetzen und die zentral durchdringende Aussage beeinflussen.

Ansatz 2: Synchron-Laterale Perspektiven – Nützliches bildet sich automatisch heraus. Periphere Perspektiven entwickeln sich lateral und ermöglichen von Beginn an die notwendige Multiperspektive. Über Resonanz und über erfolgreiches Handeln bilden sich neue Strukturen aus, die wiederum Resonanz erzeugen und sich damit verstärken (spiralförmige Entwicklung) – Selbstorganisation. Insbesondere hier liegen die Chancen von Virtual OD by SYNNECTA.

Im Alltag der Organisationsentwicklung finden beide Ansätze immer gekoppelt statt, jedoch mit unterschiedlicher Ausprägung.

Verbundenheit unter den Mitarbeitenden und die Identifizierung mit der Organisation wirken als sozialer Kitt. Eine starke Kernidentität einer Organisation verhindert, dass diese auseinanderdriftet. Ein wesentliches Steuerungselement ist dabei eine kontinuierliche dialogische Kommunikation, die emotional berührt.

Organisationsentwicklung heute: Begrenzungen und Herausforderungen

Klassischerweise beginnen Kulturtransformationen »zentral«, also im Headquarter der Organisation, und breiten sich von diesem »Epizentrum« auf andere Bereiche oder das gesamte Unternehmen »global« aus. Die Veränderungsrichtung ist also von »zentral« zu »lokal«.

Es wird von Beginn an aus einer zentralen Perspektive des Headquarters heraus gedacht und umgesetzt. Dadurch entwickelt sich von Beginn an eine Asymmetrie, mit einem Gefälle vom Zentrum zur Peripherie. Die Folgen können sein:

  • Mangelnde Identifikation in der Peripherie, also den Regionen, die nicht zur Zentrale gehören.
  • Schwächere Akzeptanz und mangelndes Commitment.
  • Schwierige Steuerung der Transformation auf globaler bzw. internationaler Ebene.
  • Unterschiedliche Durchdringungstiefen und Geschwindigkeiten in der Umsetzung zwischen Zentrale und Regionen.
  • Der Unterschied zwischen Zentrale und Regionen bleibt bestehen und wird ggf. verfestigt bzw. verstärkt (Insider-/Outsider-Denken).
  • Wichtige Perspektiven und Potenziale aus der Peripherie werden nicht genügend eingebunden und genutzt.

Erfolgreiche Kulturentwicklung beinhaltet immer selbstorganisierte Dynamiken und braucht daher einen Ansatz »auf der Fläche«, der wegführt von den Begrifflichkeiten »top-down« und »bottom-up«, da diese ein hierarchisches Mindset verfestigen. Die eigentliche Kraft der Erneuerung liegt daher in der Peripherie. Der digitale Raum bietet die Möglichkeit die genannten Aspekte zu stärken beziehungsweise zu verbessern.

So kann die Digitalisierung eine neue Organisationsentwicklung unterstützen

Grundsätzlich verfügt eine Organisation über das implizite Wissen, um zukunftsfähig zu sein. Sie erkennt jedoch häufig nicht, wie dieses Wissen explizit zu nutzen ist. Durch Virtual OD by SYNNECTA wandert die Dynamik von zentral zu lokal. Zugleich bietet sie die Chance aus dem beherrschenden Bild von »top-down« und »bottom-up« auszusteigen. Organisationsentwicklung auf Augenhöhe!

Die drei klassischen Hebel in der OE sind Sinnstiftung, Musterveränderung und Verbundenheit. Diese drei Hebel können durch Virtual OD by SYNNECTA ausgestaltet werden. Das Leitthema kann auf diese Weise überzeugender verbreitet werden (siehe Ansatz 1), insbesondere aber kann die Selbstorganisation effektiver gestaltet werden (siehe Ansatz 2).

Die höhere Effektivität in der virtuellen Organisationsentwicklung entsteht im Wesentlichen durch:

  • Öffnung von Zeit und Raum, wodurch ein gleichzeitiges Geschehen möglich wird, welches Asymmetrien aufhebt.
  • Synchrone und asynchrone Veranstaltungen/Kommunikation/Zusammenarbeit auf globaler Ebene.
  • Schnelle und hohe Vernetzung der Menschen im digitalen Raum.
  • Die Kraft der schwachen Bindungen. Schwache Bindungen sind die Grundlage einer reichhaltigen Kooperation. Virtual OD by SYNNECTA nutzt die Kraft der schwachen Bindung.
  • Mehr Outcome durch fokussiertes Zusammenarbeiten.
  • Ein höheres Maß an Selbstorganisation, stärkerer Interaktion und Beteiligung.
  • Wirkungsvollere Dynamiken bei der sich Themen schneller viral verbreiten.
  • Bildung virtueller Communities (of Practice).
  • Stärkere Nutzung kreativer Spannung durch multiperspektivisches Arbeiten im digitalen Raum (Nutzung von Diversity).

Was bewegt Sie?

  • Remote Work wird bleiben!
  • Wie wird die Dominanz des Headquarters reduziert?
  • Wie wird höheres und nachhaltigeres Engagement der Mitarbeiter*innen erreicht?

Rufen Sie uns an!

TheQuestBySynnecta – Wozu sind wir?

Menschen in Unternehmen erwarten eine glaubwürdige Antwort auf diese Frage, um ihre Arbeit in einem sinnstiftenden und für sie bedeutsamen Zusammenhang stellen zu können. Unternehmen reagieren auf diese Herausforderungen und positionieren sich mit einem Unternehmenspurpose. Dieser wird bisher fast ausschließlich in einer Innenansicht entwickelt. Unternehmen existieren aber immer im Kontext ihres eigenen EcoSystems. Ein sinnstiftender Purpose lässt sich nur im Dialog mit den Stakeholdern des eigenen EcoSystems entwickeln. Unser Anliegen als SYNNECTA ist, diese Gesprächsprozesse wirklich multiperspektivisch zu gestalten und damit ein tieferes Verstehen der Unternehmensidentität zu ermöglichen.

Menschen haben ein Bedürfnis, in sinnvollen Zusammenhängen zu arbeiten

Es gibt Veränderungen und Verschiebungen in der Mentalität der Gesellschaften, die vor allem in den jungen Generationen wahrnehmbar werden. So steigt der Wunsch und das Bedürfnis, in sinnvollen Zusammenhängen zu arbeiten, der Wille, in und mit dem eigenen Beruf Nützliches für ein größeres Ganzes zu schaffen. Kurz: Bedeutsamkeit zu erleben.

Ebenso stellen die Gesellschaften an die Unternehmen die Frage, was sie denn zum Nutzen für die Menschen und Gesellschaften leisten. Dies tun sie sowohl als Bürger*innen, als auch als Mitarbeitende.

Unternehmen reagieren auf diese Herausforderungen und positionieren sich mit einem Unternehmenspurpose. Dieser ist oft noch sehr von Marketinggedanken getrieben. Bei der Erarbeitung eines Unternehmenspurpose wird an den alten Strukturen festgehalten. Eine ausgewählte Gruppe von Führungskräften formuliert einen Purpose, der dann mit erheblichem Aufwand nach Innen und Außen kommuniziert wird.

Häufig sind in der Entstehung die Perspektiven der sehr diversen Mitarbeiterschaft, der Kunden, der gesellschaftlichen Gruppen, der Märkte kaum vertreten. Bisher mangelt es an echtem und offenem Dialog zwischen den Interessensgruppen. Ein gemeinsames Verständnis, als Basis für einen Unternehmenspurpose, kann somit nicht entwickelt werden.

Die eigene Identität im Kontext des EcoSystems verstehen: »Wozu sind wir?«

Organisationen entstehen und existieren im Umfeld verschiedener Stakeholder: Märkte, Kunden, Wettbewerber, Partner, Gesellschaft, Mitarbeitende etc. All diese Systeme befinden sich in kontinuierlichem Austausch und beeinflussen sich untereinander, sie bilden miteinander ein EcoSystem. Da Organisationen immer ein Teil des EcoSystems sind, können sie sich selbst nur im Kontext ihres EcoSystems verstehen. Die Identität einer Organisation bestimmt sich im kontinuierlichen Dialog mit dem EcoSystem.

Bei der Entwicklung der verbindenden und sinnstiftenden Identität der Organisation steht eine Frage im Fokus:

  • Wozu sind wir? Was wollen wir in unserem EcoSystem beitragen?

Eine Antwort auf diese Frage, die allein im Inneren der Organisation gefunden wird, erzeugt eine eingeschränkte und oft verzerrte Perspektive. Sie basiert auf Hypothesen über sich und die Welt, die auf vielen Wegen entwickelt wurden, aber nicht im direkten Austausch mit eben dieser Welt, den Stakeholdern im eigenen EcoSystem.
Ein wirklich gutes Verständnis der eigenen Identität braucht den direkten Dialog mit den verschiedenen Stakeholdern des eigenen EcoSystems und zwar aus einer Perspektive, die von außen nach innen gerichtet ist:

  • Was braucht Ihr?
  • Was können wir für Euch tun?
  • Was können wir gemeinsam tun?
  • Wie sollten wir aus Eurer Sicht sein, damit wir attraktive Partner für Euch sind?

Dialog und gemeinschaftliche Auseinandersetzung mit dem eigenen EcoSystem

Wir gestalten mit den Stakeholdern des EcoSystems gemeinsame Dialogräume und ermöglichen damit eine gemeinschaftliche, multiperspektivische Auseinandersetzung zu einem gemeinsam geteilten Leitmotiv. Alle relevanten Perspektiven finden einen Ort, wo sie voneinander und miteinander lernen und verstehen – über sich selbst, über gemeinsame Interessen, über gemeinsame Möglichkeiten. Das unterstützt in der Folge die Beschreibung der eigenen Identität und des eigenen Purpose. Der gesteuerte Dialog lässt Synergien entstehen. Der multiperspektivisch angelegte Prozess erweitert das eigene Denken. Entstehung und Implementierung fallen zusammen und erzeugen ein hohes Engagement für die gemeinsame Sache.

Unser Vorgehen:

  1. Die Organisation wählt ein übergeordnetes Leitmotiv für den Dialog im EcoSystem.
  2. Ein möglichst großes Spektrum verschiedener Stakeholder wird zur gemeinschaftlichen Erkundung dieses Leitmotivs eingeladen.
  3. Mit den Stakeholdern werden die gemeinsamen, relevanten Fragen in Bezug zum Leitmotiv entwickelt.
  4. Mit Hilfe weiterführender Leitfragen wird ein inhaltlich hochwertiger Dialog moderiert, der grundsätzlich multiperspektivisch angelegt ist.
  5. Vielversprechende Impulse aus dem Dialog können aufgenommen werden und in zukünftige Initiativen und gemeinsame Projekte führen.
  6. Die Stakeholder können weitere individuelle Schlussfolgerungen und Maßnahmen aus den gemeinsamen Erkenntnissen entwickeln.

Entscheidend für den Erfolg ist die Auswahl der Stakeholder. Ein guter Dialog führt zu neuen Erkenntnissen und braucht daher hinreichend Fremdheit. Er braucht den konstruktiven Widerspruch. Hier liegt die große Herausforderung und Chance multiperspektiver Dialogprozesse: Unterschiede zuzulassen, sie wirken zu lassen und mit ihnen eine tiefere, gemeinsame Erkenntnis zu entwickeln.

Einige Gedanken zum Modebegriff »Mindset«

Was wir von der Welt um uns und der Welt in uns erkennen und wissen, ist nicht voraussetzungsfrei. Der Zweifel an der Abbildungstheorie der Erkenntnis hat eine lange Tradition. In der Erkenntnistheorie ist es spätestens seit Kant geteiltes Wissen, dass Erkenntnis an Voraussetzungen gebunden ist. Voraussetzungen, die der Erkenntnis vorausliegen, seien es die Anschauungsformen von Raum und Zeit für die Wahrnehmung oder e.g. die Kausalität für die Erkenntnis. Wir gestalten Erkenntnis der Realität, wir bilden sie nicht ab. Die Hermeneutik, die Sprachphilosophie haben diesen Gestaltungsaspekt der Wahrnehmung und Erkenntnis weiter differenziert. Was in der Erkenntnistheorie grundsätzlich analysiert wurde, findet sich in der Psychologie wieder – die Bedeutung unserer individuellen kognitiven und emotionalen Entwicklung für die aktuelle Wahrnehmung und Erkenntnis der inneren und äußeren Realität wird analysiert und in der Idee des Wiederholungsmotivs spezifiziert. Dem entsprechen die Arbeiten der Kulturanthropologie und Soziologie, die unter anderem mit dem Konzept der Mentalität zunächst der Wahrnehmung, der Erkenntnis und des Handelns vorausliegende schichtspezifische Muster identifizieren, was später auf die Konstruktion nationaler Wahrnehmungs- und Denkmuster ausgedehnt wird. In unserer Zeit setzte sich der radikale Konstruktivismus mit den Voraussetzungen des Zugangs zur Realität auseinander. Er hatte wesentlichen Einfluss auf das, was heute als »systemisch« bezeichnet wird, eine der modernen Grundlagen der Organisationsentwicklung.

Mit dem Einzug des systemischen Ansatzes wurde zum Beispiel deutlich, dass das Strukturierungskonzept der Ursache-Wirkungskette begrenzten Erkenntniswert hat, wenn es um das Verständnis individueller und kollektiver Wahrnehmungen, Denkweisen, emotionaler Zustände und dann folgend Entscheidungs- und Handlungsweisen geht. Die Mächtigkeit des Ursache-Wirkungsmotivs, das bei allen Dingen, die vom Menschen bewusst gemacht und hergestellt wurden, perfekt funktioniert, wird, wenn es um das Handeln von Individuen und Kollektiven geht, um das Konzept des Bedingtseins ergänzt. Dieses Konzept lässt die Eindeutigkeit des Ursache-Wirkungsprinzips vermissen; es gibt nicht die eine Bedingung, die uns ein Verhalten verstehen lässt. Auch dieses Konzept hat eine lange Tradition, es ist bereits im Buddhismus formuliert, was teilweise zu verstehen hilft, weshalb ein iterativer Arbeitsstil im asiatischen Raum so viel leichter verwirklicht wird.

Was in der Organisationsentwicklung lange unter dem Begriff Kultur abgehandelt wurde, findet sich jetzt gerne unter dem Begriffsfeld Mindset wieder. Beide Begriffe haben den Vorteil, dass sie sehr unspezifisch sind und so für sehr diverse Ansätze Verwendung finden. Auch wenn die Konzeptbildungen der Organisationsentwicklung immer auch unter dem Aspekt des Marketings betrachtet werden müssen, so gibt es dennoch einen Erkenntnisertrag aus den Kultur- und Mindsetanalysen der letzten Zeit. Wir konstruieren unsere Realität sowohl individuell als auch kollektiv aus dem Horizont unserer individuellen und kollektiven Gewordenheit – in den Konzepten des radikalen Konstruktivismus, nicht nur, aber auch als funktionale Anpassung. Und so finden unsere Entscheidungen und Handlungen sowohl individuell als auch kollektiv auf der Grundlage dieser, der gegenwärtigen Realität vorausliegenden Bedingungen statt.

Die neuere Mindsetarbeit hat den Vorteil, dass sie sich vor allem auf Methoden konzentriert, die durchaus in einem engeren Rahmen einen bewussten Zugang zu einigen dieser Voraussetzungen ermöglicht. Ein praktikabler Weg, um einigermaßen schnell erste Ergebnisse für das eigene Handeln zu generieren. Dabei wird der Aspekt des individuellen Mindsets überbetont – dem modernen Credo gehorchend: Ich bin der Herr meiner Wahrnehmung, Erkenntnis und meines Handelns. So nützlich dieser Glaube auch für die Aufrechterhaltung des in seinem Handeln autonomen Subjekts ist, so sehr verkürzt es auch die kollektive Bedingtheit unserer Wahrnehmungen, Erkenntnisse, Emotionen und schließlich unserer Entscheidungen und Handlungen. Ohne eine deutliche Betonung und daraus folgend eine methodische Erweiterung der Bedeutung des kollektiven Mindsets für die Organisationsentwicklung bleibt die Wirkung der Mindsetarbeit begrenzt.

Mit #Myndleap haben #sisko #oudheusden #muengersdorff einen Schwerpunkt auf die Veränderung ermöglichende methodische Arbeit an kollektiven Mentalitäten, Mindsets gesetzt. Nur so lässt sich ein nachhaltiger Gewinn für Organisationen gestalten.

Dabei gilt als Leitmotiv, was schon Ernst von Glasersfeld 1987 formuliert hat: Grundlegend ist da die These, dass wir die Welt, die wir erleben, unwillkürlich aufbauen, weil wir nicht darauf achten – und dann freilich nicht wissen -, wie wir es tun. Diese Unwissenheit ist alles andere als notwendig. Der radikale Konstruktivismus behauptet, ähnlich wie Kant in seiner Kritik, dass wir die Operationen, mit denen wir unsere Erlebniswelt zusammenstellen, weitgehend erschließen können, und dass uns dann die Bewusstheit des Operierens, (…) helfen kann, es anders und vielleicht besser zu machen (Ernst von Glasersfeld: Wissen, Sprache und Wirklichkeit, Braunschweig 1987).

Das »vielleicht« in Glasersfelds hoffnunggebenden Satz macht dabei deutlich, wie simplifizierend das Gerede von einem Growth Mindset ist. Und was gibt Hoffnung? Wir können individuell und kollektiv Bewusstheit über unsere weitgehend unbewussten Bedingungen des Wahrnehmens, des Erkennens, des Fühlens, des Entscheidens und Handelns gewinnen und uns so die Freiheit geben, es auch anders zu machen.

Rüdiger Müngersdorff
Foto: Danny Lines by unsplash.com

Unternehmen als urbane Infrastruktur. Eine Anregung.

Wir leben in einer Gesellschaft, in der Individualität und Diversität stetig wachsen. Damit treffen auch unterschiedlichste Identitäten, Lebensentwürfe und Wertvorstellungen aufeinander. In den urbanen Infrastrukturen erleben wir sowohl den Reichtum als auch die Konfliktanfälligkeit dieser Lage. Die Notwendigkeit, Dialog- und Verständigungsräume zu schaffen, sie lebendig zu halten und zu orchestrieren, wird kontinuierlich stärker. Wir werden zunehmend mit den Spannungen dieser Situation konfrontiert und wissen, dass es keine Rückkehr zu einer Welt gibt, in der Lebensgemeinschaften unhinterfragt in einem gemeinsamen Wertekosmos mit definierten Identitäten leben. Wir sind eine offene Gesellschaft, die auf Verständigung und damit auf einen nicht endenden Dialog angewiesen ist.

Hat das Auswirkungen auf Unternehmen und auf das, was wir Organisationsentwicklung nennen? Unternehmen sind Gemeinschaften, die den oben genannten Tendenzen, die in den urbanen Infrastrukturen deutlich sichtbar werden, ebenfalls unterliegen. Je globaler Unternehmen agieren, desto stärker erleben sie diese Dynamik. War es vor zehn Jahren noch ausreichend, in den Unternehmen einen gemeinsamen Werte- und Verhaltenskodex zu formulieren, so geht es heute darum zu gewährleisten, wie die unterschiedlichen »Identitätskonzepte« im Lebens- und Arbeitsraum Unternehmen Platz finden, und zwar so, dass gemeinsames, zielgerichtetes Handeln möglich ist.

Es sind Zweifel angebracht, ob die vorwiegend oligarchische Verfassung der Unternehmen die für diese Aufgabe geeignete Struktur bietet. Es gibt gute Gründe, weshalb die Organisationsentwicklung sich mit demokratischen Ansätzen beschäftigt, seien es auch vertikal demokratische. Paternalistische Kommunikationskonzepte, die in Wellen der Beeinflussung das richtige und gute Verhalten verkünden, gehen an der eigentlichen Frage vorbei. Diese lautet: Wie kann eine Gemeinschaft mit stetig wachsender Diversität, die sich durch eine Vielzahl von Wertorientierungen, Identitätsentwürfe und Verhaltenskodexe auszeichnet, dennoch zielgerichtet, abgestimmt und kooperativ handeln? Gut ist eine Unternehmenskultur, die Platz hat für die individuellen Eigenheiten der Unternehmensbürger und zugleich Nutzen für die Gemeinschaft stiftet. Diese Balance lässt sich nicht anweisen.

Es ist deshalb sinnvoll ein Unternehmen unter der Perspektive einer urbanen Infrastruktur zu betrachten. Diese hat Eigenheiten, die wir heute auch in den Unternehmen beobachten können. So verändert sich die Rolle einer Führungskraft – seine Anweisungsmacht besteht oft nur noch auf dem Papier. Seine Aufgabe ist zunehmend eine politische: Gemeinschaften zu bilden, ihnen Orientierung zu geben, Mehrheiten zu beschaffen. Um das zu erreichen erhöht sich der Kommunikationsaufwand um ein Vielfaches und er ist dialogpflichtig. Der Zeitaufwand für das Gespräch nimmt deutlich zu.

Eine andere Eigenheit urbaner Strukturen sind die Nischen, die Freiräume, der Raum für Ungeregeltes. Hier drückt sich die Individualität aus, hier bildet sich der Humus, auf dem Innovation und Verbesserung wachsen können. Diversität ist kein Statistikspiel, es kommt darauf an, dass Diverssein gelebt werden kann. Nur dann lassen sich auch die Vorteile einer diversen Gemeinschaft erleben.

Und schließlich: Urbane Infrastrukturen schaffen Orte der Zufälligkeiten, der nicht intendierten Begegnung. Hier geschehen Anregungen, Impulse außerhalb der Routinen. Und hier wird wesentlich Motivation gestaltet, die eben auch einen sozialen Aspekt hat und sich auf eine Zugehörigkeit bezieht.

Und blicken wir auf die sich deutlicher digitalisierende Arbeitswelt, so wird es eine Aufgabe sein, Urbanität in den digitalen Räumen zu gestalten.

Rüdiger Müngersdorff