He now faced an adversary so formidable that his own strength was nothing in comparison, and he did not enjoy being in a position where boldness and determination count for almost nothing, and in which victory is measured only in survival.
Die Geschichte klingt wie der Stoff für einen typischen Boyle-Roman: Ein leicht größenwahnsinniger Mann ist besessen von einer verrückten fixen Idee und setzt sie gegen alle Widerstände in die Tat um. Obwohl die Aussichten auf Erfolg eher unwahrscheinlich sind, gelingt es ihm, Mitstreiter in seinen Bann zu schlagen, die ihm dann auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind. Er zieht sie mit ins Verderben und alle scheitern, aber großartig.
Die Rede ist von dem Antarktisforscher Ernest Shackleton. Der Autor, der die Geschichte erzählt hat, ist Alfred Lansing. Er beginnt sein Buch, das 1959 erschienen, aber bis vor einigen Jahren weitgehend in Vergessenheit geraten war, mit den Worten: »The story that follows is true.« T. C. Boyle hätte sich wahrscheinlich mehr dichterische Freiheiten erlaubt und die Geschichte dadurch etwas ansprechender erzählt, aber sie ist auch so sehr spannend zu lesen.
Da der Südpol seit 1911 schon erobert war, nimmt Shackleton sich vor, stattdessen den antarktischen Kontinent zu durchqueren – von Küste zu Küste über den Südpol hinweg. Er hatte zwar Schwierigkeiten, Sponsoren zu finden, die dieses Vorhaben finanziell überhaupt erst möglich machten, aber es war wohl überhaupt kein Problem, Mitfahrer anzuwerben: Angeblich bewarben sich mehr als 5.000 Personen, obwohl Shackleton die Bedingungen der Unternehmung nicht beschönigte.
Mit diesem Ziel, den antarktischen Kontinent zu durchqueren, bricht er 1914 in Richtung Antarktis auf – in einem Schiff mit dem passenden Namen Endurance. Denn im Weddell-Meer bleibt die Endurance im Eis stecken, mit dem sie einige Monate treibt, das sie jedoch schließlich zerdrückt und sinken lässt. Shackletons Expedition war damit bereits gescheitert, wurde aber berühmt, weil er es schaffte, alle seine Männer lebend wieder aus der lebensfeindlichen Eiswüste herauszuholen – wofür er allerdings Jahre brauchte. Nach monatelangem Campieren auf Eisschollen, die immer wieder auseinanderbrechen, beschließt Shackleton, per Boot eine der Inseln »in der Nähe« anzusteuern und von dort aus mit einem Teil seiner Mannschaft zur nächstgelegenen Walfangstation zu fahren, um Hilfe zu holen. Die Boote, die er dafür verwendete, wie auch die restliche Ausrüstung waren für keine der beiden Seereisen geeignet.
Aufgrund seiner Persönlichkeit, vor allem seiner Qualitäten als Führungskraft, schafft Shackleton es nicht nur, dass die einzelnen Männer sich selbst übertreffen und weit mehr leisten als das, wozu sie von sich aus in der Lage gewesen wären. Durch seine geschickte Auswahl, welche der Männer er auf die riskante Bootreise mitnimmt und welche auf der Insel im Eis zurückbleiben und auf Hilfe warten, verhindert er zudem, dass die Männer sich gegenseitig die Köpfe einschlagen oder aufessen – eine durchaus reale Gefahr angesichts der Lebensumstände in der Südpolregion.
Deswegen wird Lansings Buch heute manchmal auch Führungskräften als inspirierende Lektüre empfohlen, wie man ein aussichtsloses Unterfangen mit völlig inadäquaten Mitteln und einem bunt zusammengewürfelten Team zum Erfolg führen kann. Interessanterweise hat Shackleton nämlich bei der Rekrutierung der Expeditionsteilnehmer keine systematischen Vorstellungsgespräche geführt, sondern seine Begleiter hauptsächlich nach Laune und persönlicher Sympathie ausgewählt.
Einer der bemerkenswertesten Aspekte von Lansings Erzählung ist, wie zufrieden die Männer im ewigen Eis die meiste Zeit sind, wie sie ohne die Zerstreuungen der Zivilisation auf sich selbst zurückgeworfen sind und wie gut sie damit zurechtkommen. Lansings Schilderung basiert dabei auf Tagebüchern, aus denen er immer wieder wörtlich zitiert, und auf Gesprächen und seiner Korrespondenz mit einigen der Expeditionsteilnehmer.
Bemerkenswert ist auch Lansings Beschreibung der Naturgewalten, denen die Männer auf eine Weise ausgeliefert sind, die heute unvorstellbar ist. Die größten Probleme entstehen ihnen dadurch, dass sie ihre Position nicht immer genau bestimmen und das Verhalten des Wetters und der Meeresströmungen nicht durchschauen oder vorhersagen können. Einen Großteil der Zeit navigieren sie auf gut Glück und haben eine Menge Pech, geben aber nie auf.
Alfred Lansing: Endurance – Shackleton’s Incredible Voyage
Englisch | Basic Books 2014 | 357 Seiten
Sabine Anders