Werkhaus19 Mindset – ein Rückblick

Wir haben Nessie gesehen. Am 17. Mai 2019 bei kühlem Regenwetter im GREATLIVE, urban und mitten in Köln, nicht in Great Glen. In diesem inspirierenden Veranstaltungsort sind wir uns beim Werkhaus19 Mindset begegnet. Haben uns gegenseitig überrascht, miteinander gelacht und gefeiert.

Mindset? Was ist das eigentlich genau? Wie kann ich mir meines eigenen Mindsets bewusst werden, kann ich es überhaupt, und wenn ja, wie verändern – und warum sollte ich dies tun? Das fragen wir uns, und gehen auf Spurensuche ins Innen und Außen – in einem Dreiklang aus Sensibilisierung, Identifizierung und Bewegung.

Wie entwickelt sich ein Mindset im Leben eines Menschen? Um einen Überblick, ein Big Picture, zu bekommen, haben wir uns bekannte Theorien und Ansätze zusammengetragen, und versucht, sie ins Verhältnis eines menschlichen Lebenszyklus zu setzen. Anhand des Lebenszyklus eines Menschen schauen wir, welche Theorien und Ansätze in welchen Lebensabschnitten oder -ereignissen auf das Mindset einzahlen. Das Bild ist nicht fertig und wird sich weiterentwickeln, aber hilft uns bereits jetzt, Zusammenhänge und Gleichzeitigkeiten bestehender Ansätze zu verstehen und die Mindset-Entwicklung wenigstens theoretisch einzuordnen.

Welche Glaubenssätze sind ausschlaggebend für mein Verhalten, worauf basiert mein Mindset, was würde passieren, wenn ich meinen Glaubenssatz aufgeben müsste, ist Verhalten gleich Mindset, und was hat das alles mit Unternehmen zu tun. In diversen Break out Sessions arbeiten wir zu Fragen wie diesen, sind sensibel, unser Mindset kommt in Bewegung, wir nähern uns bedachtsam einer Essenz.

Manchmal ist es leichter zuzuhören, als selber zu sprechen. Bei der Philosophischen Reise folgen wir dem intensiven Gespräch zwischen Jörg und Rüdiger Müngersdorff, das moderiert wird von Andreas Lindner. Dieses Format fördert unsere Sensibilisierung, denn wir als Zuhörende können uns zurücklehnen und das Gesagte wirken lassen, ohne selber formulieren zu müssen. Der Bogen wird gespannt, Mindset in Bezug auf kritische Theorie und alltagstaugliche Praxis kontextualisiert, wir hören Gedanken und Aspekte, und lernen über die Entstehung von Mindsets und die Bedeutung für Organisationen. Das Gespräch öffnet unseren Blick auf die vielschichtigen Dimensionen von individuellem und kollektivem Mindset.

Die Identifizierung des eigenen Mindsets und des anderer Menschen machen wir anhand von Pantominentheater besprechbar. Was glaube ich, was die Szene zeigt und bedeutet? Warum glaubst Du etwas anderes? In Korrelation des Mindsets entstehen Bewertungen. Wir müssen uns die Welt ordnen und vereinfachen. Ja, Komplexitätsreduzierung ist ein menschliches Bedürfnis, ebenso wie Kunst. Kunst ist ein Grundbedürfnis und macht uns zum Menschen, sagt Gerd Buurmann. Zusammen mit seiner Kollegin Gudrun Höpker vertreten sie Viertakt e.V., an den SYNNECTA die Hälfte der Teilnahmegebühren dieses Werkhauses spendet. Die andere Hälfte geht an den Kölner Verein Rainbow Refugees, vertreten durch Sina Vogt und Katja Schröder. Sie kümmern sich in ihrer wichtigen Arbeit um geflüchtete Menschen mit LGBTIQ Hintergrund (LGBTIQ steht für lesbian/gay/bisexual/transsexual/intersexual/queer).

Diese beiden Vereine liegen uns am Herzen, und wir möchten mehr Öffentlichkeit schaffen und auf Zustände aufmerksam zu machen. Denn Menschen und ihre Mindsets formen Gesellschaft und Kultur – und umgekehrt. Es ist uns ein Anliegen mit Veranstaltungen wie dem Werkhaus, Räume zu schaffen, in denen Menschen sich Zeit für sich und andere nehmen können, reflektieren können. So entstehen innere und äußere Räume für Sensibilisierung, Identifizierung und Bewegung.

Zur Reflektion am Ende des Werkhauses19 lautet die Einladung von Rüdiger Müngersdorff folgenden Satz zu vervollständigen: »Ich blicke auf die Welt und denke, die Welt ist ….«. Und spätestens hier wird uns allen klar, Nessie sieht für jede und jeden anders aus. Ihre Gestalt entsteht im Kontext der eigenen Wahrnehmung, Erfahrung und Bewertung des vermeintlich Gesehenen. Und nach einer kurzen Umbaupause geht es direkt weiter.

Nach dem Werkhaus ist vor der Feier

Abends feiern wir zusammen – das Jubiläum 20 Jahre SYNNECTA, Geburtstage, und das neue Buch von Rüdiger Müngersdorff. Die Geschichten unter den Hashtags #20jahresynnecta #wasunsbewegt und #hinterdenkulissen geben einen Eindruck über die bisherigen Jahre und vermitteln hoffentlich eine Idee, warum wir diese Ereignisse feierlich begehen.

Umrahmt sind all diese Festivitäten und runden Geburtstage von den unfassbar guten und aufmerksamen Servicekräften und Köch*innen der Cateringfirma Dreigang, die uns rund um die Uhr mit delikaten Speisen und Getränken versorgen. Die tolle Musik der Live Band Ayesha (@ayeshamusicnl) stimmt uns ein auf eine lange feierliche Nacht.

#mindset #werkhaus19 #myndleap #synnecta #20jahresynnecta #greatlive #wasunsbewegt #hinterdenkulissen

Hanna Göhler
Fotos: Gülfidan Sisko © SYNNECTA

Weitere Fotos sind in unserem Fotoalbum unsere Facebook-Kanals (auch abrufbar ohne Fb-Account): Klick hier zum Fotoalbum.

Achtsamkeit und agiles Arbeiten

Blogreihe: Agile Transformation braucht Achtsamkeit (4)

Agile Arbeitsformen wie Scrum unterstützen per se eher günstige Denkmuster durch die Dichte und Form der ritualisierten Kommunikationsprozesse. Auf der anderen Seite funktionieren diese Arbeitsformen dann besonders gut, wenn die einzelnen Akteure im agilen Arbeitsmodus und im Umfeld mentale Denkmuster kultivieren, die diese Rituale zur vollen Wirkung entfalten lassen. Agile Workframes, vornehmlich Scrum, haben Rituale geprägt, die Achtsamkeit auf kollektiver Ebene unterstützen.

Insbesondere die Retrospektiven ermöglichen den Helikopter-View auf sich und das Agieren des Teams im letzten Sprint oder in der rückwärtig betrachteten Periode. Immer wieder kann hervorgehoben werden, dass die ganze Präsenz (Check In) im gemeinsamen Betrachten und Optimieren, auch mit allen gemischten Gefühlen, wichtig ist für das gemeinsame Lernen und Gestalten.

Auch hier wird zunächst einmal vergangenes Geschehen (letzter Sprint) schlicht akzeptiert. Immer unter der Vorannahme, dass jeder Einzelne aus der damaligen Betrachtung und Möglichkeit heraus sein Bestes eingebracht hat. Um dann aus der distanzierten, gemeinsamen Betrachtung neue Möglichkeiten zu entwickeln.

Immer wieder also nimmt die Gruppe Distanz zum aktuellen Geschehen auf und betrachtet das Geschehen in der Rückschau und in der Vorausschau aus der Helikopter-Perspektive. Um dann im nächsten Sprint als Team in die Umsetzung zu gehen (Flow).

Die folgende Grafik veranschaulicht die Parallelen zwischen individueller Achtsamkeit und kollektiver Achtsamkeit in Ritualen agiler Workframes:

In diesem Sinne ergänzen sich Achtsamkeitsrituale und -haltungen und agile Arbeitsformen auf das Beste. Im Scrum-Workframe erlernt das Team und der einzelne Akteur neue Arbeits- und Kollaborationsformen, die den Flow in den gemeinsam geteilten Ritualen und agilen Ereignissen ermöglichen. Das sind selbstverständlich auch wieder Routinen. Wenn auch Routinen, die Beweglichkeit, Neujustierung und gemeinsames Vorgehen unterstützen.

Aber auch agilen Arbeitsformen (Routinen) dürfen und müssen sich weiterentwickeln und in neuen Kontexten erneuern und verändern. Sonst werden auch agile Arbeitsformen in ineffektiven vergangenheitsgefangenen Ritualen erstarren. Achtsamkeit kann auch hier wirksam sein, weil Sie die Haltung unterstützt, dass alle Modelle von Arbeiten und Leben absolut vorläufig sind – und sich immer wieder erneuern müssen.

Herbert Bittorf
Titelbild: Rosie Kerr on Unsplash

1. Achtsamkeit als mentale Plattform und Nährboden für Agilität
2. Wie Menschen in agilen Transformationsprozessen reagieren
3. Achtsamkeit: Individuelle und kollektive Ebenen
4. Achtsamkeit und agiles Arbeiten

Achtsamkeit: Individuelle und kollektive Ebenen

Blogreihe: Agile Transformation braucht Achtsamkeit (3)

Individuelle Denkmuster, die Erneuerung unterstützen, können durch Selbstregulationstechniken auf individueller und kollektiver Ebene gefördert werden. In meiner Erfahrung hat sich hier Achtsamkeit als ein sehr wertvolles Instrument erwiesen. Sobald Achtsamkeit als Denkhaltung, Mindset und als wertvolles Selbstmanagementtool eingeführt wird, erhöht es die Aufmerksamkeit für günstige kooperative Muster und Verhaltensweisen.

Die folgende Grafik fasst die Effekte von Achtsamkeit auf individueller und kollektiver Ebene zusammen. Wirkungen von Achtsamkeit auf individueller Ebene:

Diese Wirkungen werden unterstützt durch Haltungen wie Anfängerblick, Präsenz, Akzeptanz, Distanz zum eigenen Denken und Fühlen und Zuversicht. Uns Menschen fällt es in achtsamen Denkmodi leichter, die eigenen archaischen mentalen Mechanismen (Überlebenskampf-Modus etc.) mit Distanz zu betrachten und einfacher zu wechseln zwischen Helikopter-View und Flow-Erleben (Routinen). Genau diese Wirkmechanismen unterstützen die positive Ausgestaltung agiler Workframes.

Achtsamkeit zur Förderung günstiger kollektiver Denkmuster,
die Erneuerung ermöglichen

Auf kollektiver Ebene scheinen mir die individuellen Effekte eine noch größere Auswirkung im Zusammenspiel der Akteure zu haben. Aus meinen Erfahrungen möchte ich wesentliche Wirkungsrichtungen von Achtsamkeit beschreiben. Was wird mehr und was wird weniger:

Diese Effekte auf individueller und kollektiver Ebene sind aus meiner Sicht sehr lohnend. So lohnend, dass es mir fast unverantwortlich erscheint, achtsame Haltungen und Techniken in Veränderungsprozessen als Nährboden und hilfreiche mentale Plattform für gemeinsame Neugestaltung nicht als ein wesentliches Konzept zur Befähigung der beteiligten Akteure einfliessen zu lassen.

Herbert Bittorf
Titelbild: Chris Palomar on Unsplash

1. Achtsamkeit als mentale Plattform und Nährboden für Agilität
2. Wie Menschen in agilen Transformationsprozessen reagieren
3. Achtsamkeit: Individuelle und kollektive Ebenen
4. Achtsamkeit und agiles Arbeiten

Wie Menschen in agilen Transformationsprozessen reagieren

Blogreihe: Agile Transformation braucht Achtsamkeit (2)

Für alle Teams, die ich bis jetzt im agilen Kontext getroffen habe, bedeutet agiles Arbeiten immer die zumindest von Außen herangetragene Erwartung effektiver, beweglicher und schneller Outputs zu liefern. Mit der agilen Transformation soll etwas Neues entstehen. Die bisherigen Strukturen, Entscheidungsbereiche, Machtstrukturen und persönlich erarbeiteten Aspekte von Status, Einfluss, Sicherheit und Respekt stehen auf dem Spiel. Was kriege ich dafür, wenn ich das hier aufgebe?

Wenn etwas auf dem Spiel steht, löst das bei vielen Menschen Kampf- und Fluchtdynamiken aus, weil sie schlichtweg Angst haben. Aus den Neurowissenschaften wissen wir, dass unter Angst verstärkt die alten Routinen zur Lösung von neuen Bedrohungen herangezogen werden. Eine eher ungünstige innere Dynamik, um Erneuerung zu gestalten.

Sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeitende erleben diese Situationen häufig als kritisch und gefährdend für ihren Verantwortungsbereich, Status und ihre Reputation. Wenn eine Vielzahl von Akteuren in Transformationsprozessen in alte archaische Muster von Kampf, Verteidigung und Flucht verfallen, wird das gemeinsame Gestalten von neuen Formen der Zusammenarbeit richtig schwierig.

Hürden, wenn es um das Erlernen neuer Fähigkeiten geht

Gerade auch Menschen in Projekt- und Führungsverantwortung können in solchen Prozessen dank einer häufig sehr starken Selbstkontrolle und Disziplin äußerlich solche inneren Zustände (Überlebenskampf-Modus) überspielen. Im inneren Verabeitungsprozess sind die alten archaischen Muster aber trotzdem dominant. Der Überlebenskampf-Modus und die daraus resultierenden Denkmodi und Verhaltenstendenzen sind von einigen Neurowissenschaftlern und Stressforschern ausreichend beschrieben worden.

Tendenziell könnte man sagen, dass im aktuellen Bedrohungsmodus alte Routinen aktiviert werden, die häufig erprobt wurden (Wir können an Kampfsportler denken, die Bewegungen tausendmal im Training optimieren. Im Kampfmodus können diese kaum erprobt werden. Nur viele tausendmal erprobte Abläufe funktionieren in diesen Situationen). Mentale Bewertungsprozesse im Kampf- und Flucht-Modus führen jedoch immer wieder dazu, dass neue Ideen, kreative Gedanken anderer und neue Kooperationsformen tendenziell eher negativ bewertet werden und alte Lösungen und Ideen sich auf mentaler, interner Verarbeitungsebene stärker durchsetzen und Erneuerung behindern.

Generell werden Umwelt sowie andere Gestalter und Akteure im Überlebenskampf-Modus eher als feindlich und Bedrohung erlebt. Das kann der eine oder andere dann nachvollziehen, wenn sie/er einen stressigen Tag erlebt hat und dann nach Hause, womöglich zu Partner/in und und Kindern kommt. Sehr leicht werden diese geliebten Menschen dann auch situativ als bedrohlich erlebt….

Folgende ungünstige Effekte werden durch den Überlebenskampf-Modus bei Akteuren verstärkt:

  • Sieger-Verlierer-Wettbewerb: Es geht insbesondere ums Verlieren und Gewinnen. Das verstärkt Effekte auf das Selbstwertsystem und wird beim Verlieren verstärkt Kränkungseffekte hervorrufen.
  • Überlebenskampfmechanismen rücken in den Vordergrund: Der Bruch von Regeln, verdecktes Handeln und Taktieren werden ausgebaut.
  • Sunk Cost Bias (z. B. Studie INSEAD): Wenn man in alte Modelle, Projekte und Strukturen investiert hat, dann kann man diese ganz schlecht loslassen (Tote Pferde werden weiter geritten). Debiasing the Mind Through Meditation: Mindfulness and the Sunk-Cost Bias
  • Alte Routinen zur Durchsetzung, Koalitionsbildung, Verteidigung und Gestaltung werden deutlich stärker fokussiert. Die Offenheit für neue Kooperationsmöglichkeiten und Gestaltung sinkt deutlich.

Persönliche und kollektive mentale Denkmuster verstärken, die Erneuerung begünstigen

Stattdessen macht es also Sinn auf kollektiver und persönlicher Ebene daran zu arbeiten, dass möglichst viele Akteure in einem Transformationsprozess nicht zu oft in diese archaischen Denk- und Interaktionsmuster (Überlebenskampf-Modus) hineingeraten. Möglichst viele Akteure sollten immer wieder in mentale Zustände kommen, die Zuversicht, Verbundenheit und kreatives Neu-Denken ermöglichen. Was das im Detail bedeutet, darüber schreibe ich in meinem nächsten Blogartikel »Achtsamkeit: Individuelle und kollektive Ebenen.«

Herbert Bittorf
Titelbild: Josh Calabrese on Unsplash

1. Achtsamkeit als mentale Plattform und Nährboden für Agilität
2. Wie Menschen in agilen Transformationsprozessen reagieren
3. Achtsamkeit: Individuelle und kollektive Ebenen
4. Achtsamkeit und agiles Arbeiten

Achtsamkeit als mentale Plattform und Nährboden für Agilität

Blogreihe: Agile Transformation braucht Achtsamkeit (1)

Zunehmend erlebe ich eine große Bereitschaft und Offenheit bei Bereichen und Teams, sich auf agile Workframes einzulassen. Das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung. Tatsächlich wird dann jedoch im gemeinsamen Arbeiten erkennbar, dass dieses bewusste Einlassen begleitet wird von einer ebenso großen Kampfbereitschaft, wertvolle Errungenschaften, geschätzte Prozesse und hart erarbeitete Rollen aus der Vergangenheit zu verteidigen.

Diese gegenläufigen Tendenzen, die wir ja auch als Individuen alle in uns haben, werden auch hier in unterschiedlichen Gruppendynamiken auf dem Weg zu neuen Arbeitsformen deutlich. Vorfreude auf Neues – und die Angst vor dem Ungewissen, verbunden mit allen Gefahren für eigene Rollen, Anerkennung, Status und eigene Leistungsmöglichkeiten. Wir könnten diesen Modus Überlebenskampf-Modus nennen.

Werden die damit verbundenen Prozesse auf individueller Ebene bei vielen Akteuren dominant, dann steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass die daraus resultierenden Haltungen und Handlungsvarianten starke Auswirkungen auf gruppendynamische Prozesse im Transformationsgeschehen haben. Insbesondere, wenn Drehpunktfiguren, häufig auch Führungskräfte im Überlebenskampf-Modus agieren.

Gegenmittel Achtsamkeit

Interessant ist dabei die Beobachtung, dass Techniken und Haltungen aus dem Feld der Achtsamkeit einen Veränderungsshift im Klima von Interaktionen unterstützen, so dass Erneuerung, Perspektivenwechsel und Vertrauen in den Vordergrund rücken – nennen wir diesen Modus Kollaborationsmodus. Wie ist das zu erklären?

Dazu müssen wir zunächst auf die Wirkmuster von Achtsamkeit auf unsere Denkmodi schauen. Ellen Langer, die originelle Forscherin von der Harvard-University, hat im Laufe ihrer Forschungsarbeiten mehrere Kennzeichen von Menschen im Achtsamkeitsmodus beschrieben. Hier die wesentlichen Merkmale:

Wenn wir uns die linke Seite anschauen erkennen wir die Denkmuster, die achtsame Akteure prägen. Und genau solche Denkmuster sind sehr hilfreich, um aus einem »Überlebenskampf-Modus« in einen »Kollaborationsmodus« zu wechseln.

Ein wesentlicher Wirkmechanismus scheint dabei zu sein, dass Achtsamkeit dem Einzelnen ermöglicht, sich von eigenen (automatischen) schnellen Bewertungen, Vorurteilen und Routinen zu distanzieren. Dazu gehören bei erprobten Akteuren im Unternehmensumfeld insbesondere die Routinen, um sich durchzusetzen, sich zu verteidigen und zu gewinnen. Sobald diesen »Reflexen« nicht mehr unmittelbar gefolgt wird, entsteht Raum in der Kooperation, neue Gedanken und Ideen gemeinsam zu verfolgen und aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten.

Was kann Achtsamkeit als Selbststeuerungstool bewirken?

Achtsamkeit kann eine mentale Plattform sein, die Energien aus dem Modus der Kampfbereitschaft und Verteidigung in einen Modus der Fokussierung, Entschlossenheit, und gemeinsamen Gestaltungswillen zu transformieren. Eine achtsame Haltung ermöglicht die Distanz zu alten Auto-Pilot-Reflexen und eine Distanz zu Mechanismen, die aus Bedrohung und Angst entstehen.

Offensichtlich empfinden wir Abweichungen von alten Routinen und Mustern in der Selbstorganisation, neben der frohen Erwartung auf schönes Neues, sehr leicht als Bedrohung. Sobald aber interne Bedrohungs- und Angstroutinen unsere Denkmodi beherrschen, werden alte Muster bei Individuen und Kollektiven sehr mächtig und blockieren neue Wege.

Und obwohl wir eigentlich auf der rationalen, bewussten Ebene Veränderung wollen, fallen uns als Reaktionen auf bestimmte Situationen und der Gestaltung der Veränderung nur alte Lösungen ein. Oder noch präziser: Diese alten Reaktionsmuster passieren einfach.

Achtsamkeit ermöglicht die innere Distanzierung von alten Mustern – und ermöglicht so, auch unter Bedrohung, neue Handlungsmöglichkeiten. Damit ist eine gute Voraussetzung geschaffen, um neue Arbeitsformen, anderen Umgang mit Hierarchien und neues Lernen zu erleichtern.

Achtsamkeit als Nährboden für Haltungen, die agile Arbeitsformen unterstützen

Welche Haltungen erleichtern Kooperation, Erneuerung, Veränderung und Selbstverantwortung? Hier können mehrere Haltungen hervorgehoben werden. Da ist mit Sicherheit die Offenheit für Neues hervorzuheben. Achtsamkeit fördert und kultiviert den sogenannten »Anfängerblick«, die Haltung der »Präsenz« und die »nicht-wertende Betrachtung«.

Allein dieses Trio von Haltungen ist ein guter Nährboden für neue Arbeitsformen. Präsenz meint die Haltung, ganz da im Augenblick zu sein. Ergänzt durch den Anfängerblick wird die Bereitschaft erzeugt, Dinge neu und aus anderen Perspektiven zu betrachten. Unterstützt wird dieser Verarbeitungsprozess durch die »nicht-wertende Betrachtung«, die es ermöglicht, Erfahrungen nicht zu schnell in alte Denkschubladen einzuordnen und damit Neubetrachtungen zu unterbinden. Allein diese drei Haltungen sind sehr gute Voraussetzungen, um Geschäftsmodelle, eigene Rollen, Formen der Zusammenarbeit mit positiven emotionalen Bereitschaften neu zu denken.

In diesen Zeilen beschreibe ich meine persönlichen Erfahrungen als Begleiter von agilen Prozessen und setze diese in Beziehung zu den Erkenntnissen aus der Forschung zu Achtsamkeit. In meinem nächsten Blog schreibe ich über archaische Reaktionen von Menschen in agilen Transformationen und was wir tun können, um achtsame Haltungen einzunehmen.

Herbert Bittorf
Titelbild: Sanju M Gurung on Unsplash

1. Achtsamkeit als mentale Plattform und Nährboden für Agilität
2. Wie Menschen in agilen Transformationsprozessen reagieren
3. Achtsamkeit: Individuelle und kollektive Ebenen
4. Achtsamkeit und agiles Arbeiten