Wie jedes Jahr werden zum Jahreswechsel die ehrgeizigen persönlichen Veränderungsprozesse gestartet und mit Manifesten der guten Vorsätze und Ziele untermauert.

Und wie bei so vielen Veränderungsprozessen in Unternehmen, die nie den angestrebten Zielzustand erreichen, lösen sich auch die hehren Ziele der Neujahrsvorsätze schnell in Luft auf. Nur ca. 9% werden tatsächlich erfolgreich und nachhaltig umgesetzt. Eine bescheidene Erfolgsquote fürwahr! Und was braucht es, wenn wir es ernst meinen und nicht einfach in Champagnerlaune ein paar Sehnsüchte als Vorsätze verkünden?

Ein sehr konkretes Ziel wäre hilfreich, gerne eingebettet in einen Traum. Der Traum von der schlanken, sportlichen Version unserer Selbst ist verlockend und konkrete verbindliche Schritte führen dorthin. Der bloße Vorsatz (bzw. meistens ist es nur ein Wunsch, »Ich will abnehmen und mich mehr bewegen«) wird kaum zum Ziel führen. »Wir wollen ein agiles Unternehmen werden« übrigens ebenso wenig. Welche Begründung, welcher Traum und welche konkreten Ziele sind daran gebunden? Wie kann ich konkret Selbstverantwortung fördern, schädliche Nebenwirkung hierarchischer Führung eliminieren, wie eine »angstfreie« Organisation erreichen, in der Engagement und Kreativität blüht?

Das Bild meiner sportlichen, schlanken Version kann ein attraktives Zielbild sein, und 3 x die Woche 20 Minuten joggen oder 10 Liegestütze jeden Morgen vor dem Duschen, 3 Liter Wasser am Tag trinken und das Gewicht einmal die Woche wiegen, um ein festes Gewichtsziel zu einem fixierten Zeitpunkt zu erreichen, können uns schon eher in Richtung unseres Traums und unserer konkreten Ziele führen. Die Ziele sollten wohl besser nicht zu groß gesetzt werden, im besten Falle SMART (Spezifisch, Messbar, Attraktiv, Realistisch, Terminiert).

Auf dem Weg der Veränderung kommt sehr schnell die umgekehrte Proportionalität von Motivation und Disziplin ins Spiel. Ist meine Motivation sehr hoch, was meistens in der schwungvollen Anfangsphase der Fall ist, dann brauche ich wenig Disziplin, aber wehe, wenn die Motivation nachlässt, was entweder nach den ersten Rückschlägen oder zu leichten Erfolgen geschieht, dann kann nur Willenskraft und Disziplin helfen.

Da unser Leben zu mehr als 80% aus dem Unbewussten/Unterbewusstsein bestimmt wird und der Einfachheit halber aus Routinen und Gewohnheiten besteht, braucht es schon eine hohe Aufmerksamkeit, ein waches Bewusstsein, um gewohntes Verhalten zu verändern. Bei gleichen Situationsbedingungen werden wir unser Verhalten wiederholen, das gelernte Programm abrufen. Das heißt auch, dass wenn ich in einer Hierarchie sozialisiert wurde, der Appell zu Selbstverantwortung ins Leere gehen wird. Die kleinsten hierarchischen Trigger werden mich sofort zu gelerntem Verhalten verführen, das ja auch im alten System belohnt wurde.

Warum es so schwer ist, gewohntes Verhalten zu verändern, hat neben der Disposition aus den Programmen des Unterbewusstseins psychologische und neurologische Gründe.

Psychologische, weil das Gehirn grundsätzlich keine großen Veränderungen will, da dies aus der archaischen Prägung Gefahr bedeuten könnte. Große Veränderungen widersprechen daher grundsätzlich dem Selbsterhaltungstrieb des Menschen. Und der Widerstand wird umso größer, je größer die Veränderung empfunden wird. Eine reale, aber auch schon eine empfundene oder befürchtete Veränderung löst diesen Widerstand aus. Eine große Herausforderung für jede Initialkommunikation am Beginn eines Veränderungsprozesses.

Neurologische Gründe, weil noch keine neuronalen Pfade im Gehirn für das neue Verhalten angelegt sind. Sie bilden sich erst durch konsequente Wiederholung von Handlungen und entwickeln sich bildlich mit der Zeit von kleinen Trampelpfaden zu Wegen, Straßen bis hin zu Autobahnen. Und eine neue Gewohnheit ist erst nach ca. 60 Tagen entstanden!

Veränderungsprozesse und Neujahrsvorsätze haben sehr ähnliche Erfolgskriterien.

Es braucht eine bewusste Entscheidung für die Veränderung, eine glaubwürdige Begründung und ein attraktives Zukunftsbild. Es hilft mir für den Neujahrsvorsatz sehr, wenn ich ihn transparent mache und in meinem Umfeld kommuniziere. So erhalte ich Unterstützung und Ermunterung. Dass eine Change Vision im Unternehmen kommuniziert werden sollte, ist selbstverständlich. Sie wird jedoch noch überzeugender, wenn sie bereits gemeinsam geformt wurde und viele Menschen aus allen Regionen, Funktionen und Ebenen (so es sie noch gibt) beteiligt waren.

Welche Geschichten können wir erzählen, um das Zukunftsbild auch emotional zu vermitteln und attraktiv werden zu lassen? Wenn sich die Selbstbeschreibung ändert, die Antworten auf die Fragen »Wer sind wir?« und »Wie wollen wir sein?«, dann ist bereits viel erreicht. Wenn das individuelle Verhalten allerdings in den gewohnten Routinen abläuft oder durch »Trigger« im alten Belohnungssystem verharrt, wird auch die große Veränderungsgeschichte stecken bleiben. Intensiver Dialog und Achtsamkeit, wohlwollende Feedback-Partnerschaften und Belohnungssysteme für selbstgewähltes neues Verhalten unterstützen den Erfolg.

Wenn das Narrativ und das individuelle Verhalten zusammenfinden, bekommt die Veränderung Kraft und Dynamik.

Wir wünschen viel Erfolg beim Verwirklichen der Neujahrsvorsätze 2021 und den spannenden Veränderungsprozessen in der neuen Wassermann-Zeit! Der Weg zum Himmel ist mit erfüllten Vorsätzen gepflastert!

Jörg Müngersdorff