Führungstraining – einmal nicht in ein Programm gepresst, sondern ein freier Austausch zwischen Menschen in Verantwortung. Sie fragen nach Orientierung jenseits der unternehmenseigenen Leitlinien. Es ist eine Gruppe asiatischer Führungskräfte. Wir lesen Abschnitte aus Max Webers Vortrag von 1919 »Politik als Beruf« und übertragen es auf Führungskräfte – ersetzen das Wort Politiker immer wieder durch das Wort Führungskraft. Wir verstehen unsere Aufgabe mit Webers bekannten Satz: »Man kann sagen, dass drei Qualitäten vornehmlich entscheidend sind für den Politiker (und wir setzen Führungskraft ein): Leidenschaft – Verantwortungsgefühl – Augenmaß.«

Es ist eine lange und intensive Diskussion und schließlich enden wir bei einem Satz Webers: »Einen ganz trivialen, allzu menschlichen Feind hat daher der Politiker (und wir ersetzen wieder Führungskraft) täglich und stündlich in sich zu überwinden: die ganz gemeine Eitelkeit, die Todfeindin aller sachlichen Hingabe und aller Distanz, in diesem Fall: der Distanz sich selbst gegenüber.« Am Ende frage ich mich, ob denn eine z.B. deutsche Führungsgruppe die Geduld und Offenheit hätte, einen solchen Text zu lesen und reflektierend auf sich selbst zu beziehen.

Führungstraining ohne Restriktion

Ein anderer Satz sorgte für Diskussion und intensivere Selbstreflexion – bei manchem mit dem Ergebnis, zwar ein guter Manager sein zu können, aber wohl doch nicht ein »Leader«. Max Weber in Politik als Beruf: »Nur wer sicher ist, dass er nicht daran zerbricht, wenn die Welt, von seinem Standpunkt aus gesehen, zu dumm oder zu gemein ist für das, was er ihr bieten will, dass er all dem gegenüber: ›dennoch!‹ zu sagen vermag, nur der hat den ›Beruf‹ zur Politik.« Politik hier wieder durch Leadership ersetzt.

Eintauchen in den offen vor uns liegenden Bildungsschatz bringt für die eigenen Selbstbestimmung oft mehr als die zu häufig Marketing getriebenen Konzepte der Managementliteratur. Und ganz nebenbei sorgt die Tiefe der Diskussion ganz von selbst für ein offeneres und ein ehrliches Teamklima.

Rüdiger Müngersdorff