Ende Januar zitierte der Chef des Hanser Verlages, Jo Lendle, auf Twitter eine Buchhändlerin, die für den kommenden Bücherfrühling die folgenden drei Trends ankündigte. Erstens: weniger Blut im Krimi. Zweitens: Endzwanziger lesen nur Jugendbuch. Und drittens: Isabel Bogdan.
Mit Vorhersage Nummer 3 könnte die Buchhändlerin richtig gelegen haben. Denn »Der Pfau«, das ist der neue Roman der Hamburger Übersetzerin und Autorin Isabel Bogdan, zieht derzeit weite Kreise: in den Sozialen Medien, in der Welt der Bücherblogs und auch im Feuilleton. Um nicht zu spoilern, sei an dieser Stelle nur der Beginn des Romans genauer skizziert: Eine Gruppe von Bankern aus London besucht für eine Teambuilding-Maßnahme die schottischen Highlands. Die verwöhnten Großstädter haben ein Cottage von Lord und Lady McIntosh gemietet, das nicht den allerbesten Komfort bietet. Doppelbetten, veraltete Elektrik, schlecht isolierte Zimmer und eine lauwarme Tröpfeldusche.
Das allein könnte schon der Plot für eine unterhaltsame Geschichte sein. Es sind aber nicht die falschen Erwartungen der Banker an ihre Unterkunft, die die Story ins Rollen bringen, sondern ein verrückt gewordener, liebestoller Pfau, der sich in seinem Hormonstau gerne an bläulichen Dingen vergeht. So auch am blaumetallicfarbenen Sportwagen der Chefbankerin Liz. Um den Schaden zu vertuschen, greift Lord McIntosh zum Gewehr – und zu einer drastischen Maßnahme. Um es mit einem Juwel britischen Humors auszudrücken (hier ganz passend): Er macht aus dem Pfau einen Ex-Pfau.
Aber keine Sorge! Der Leser wird das durchgedrehte Federvieh auf den weiteren Seiten nicht vermissen. Es bleibt bis zum Ende des Buches präsent. Denn was nach dem rustikalen Eingriff des Lords in den Tierpark seines Anwesens folgt, ist eine lustige Kette von Verwechslungen und Fehldeutungen. Jeder sieht etwas, was der andere nicht sieht, und wie es scheint, ist nicht nur die Leiche eines Menschen schwer zu entsorgen, sondern auch die eines bunten Pfaus. Hitchcock (»Immer Ärger mit Harry«) lässt grüßen.
Wobei: Im Klappentext wird »Der Pfau« mit »Fawlty Towers« in Verbindung gebracht. Gemein haben das Buch und die englische Kultserie von John Cleese allenfalls die auf Verwechslungen beruhende Situationskomik. Ein Gag-Feuerwerk wie »Fawlty Towers« bietet »Der Pfau« nicht. Wenn man schon Mitglieder der Pythons als Referenz heranziehen möchte, erinnert das Buch von Isabel Bogdan eher an den schrulligen Humor von Michael Palin, an seinen Film »Magere Zeiten«, wo es ein Hausschwein zu verstecken gilt; oder an seinen Roman »Hemmingways Stuhl«, der ein aus der Zeit gefallenes Post Office im Südosten Englands als Schauplatz hat. Man muss sich diesen oder anderen Assoziationen aber nicht lange hingeben. »Der Pfau« ist auch auf eigenständige Weise sehr amüsant.
Und der Schreibtstil von Isabel Bogdan? Der ist bemerkenswert schlicht. Sie fabuliert oder schwadroniert nicht, obwohl sie als gefeierte Übersetzerin von Autoren wie Nick Hornby, Jane Gardam oder Jonathan Safran Froer zweifelsfrei die Kompetenz besitzt; sie erzählt einfach, schnörkellos, unprätentiös, frei von jeder Metapher, und dieser Linie bleibt sie sich bis zur letzten Seite treu. So verfällt sie auch zu keinem Zeitpunkt in Albernheiten, wie es bei deutschen Komödien, verfilmt oder als Buch, häufig der Fall ist. Hier nicht. Schottland-Expertin Isabel Bogdan präsentiert gekonnt feinen britischen Humor. Ein schönes, kurzweiliges Vergnügen für den Leser.
Isabel Bogdan: Der Pfau
Kiepenheuer & Witsch 2016 | 256 Seiten
Holger Reichard