Eine alte Fabel

Es fallen zwei Frösche in eine Schale mit Sahne. Die Innenwände sind sehr glatt. Sie können nicht mehr herausklettern. Der eine Frosch ergibt sich in sein Schicksal, er sinkt zum Boden und stirbt.

Der andere Frosch strampelt und strampelt und mit aller Energie, aller Entschlossenheit und Durchhaltevermögen tut er dies für eine lange Zeit. Und auf einmal merkt er, wie unter seinen Füßen sich etwas Hartes bildet, und mit zusätzlich gewonnener Hoffnung strampelt er weiter, bis er auf einem Hügel von Butter sitzt und aus der Schale springt. Die Moral: Gib niemals auf, versuche weiter, sei entschlossen, kämpfe und du wirst belohnt werden. (Wobei wir nie erfahren haben, was aus dem entschlossen kämpfenden Frosch geworden ist.)

Eine europäische Fabel, die gerne in Führungsseminaren erzählt wird.

Und diese Fabel erzählt in einem buddhistisch geprägten asiatischen Land?

Es fallen zwei Frösche in eine Schale mit Sahne. Die Innenwände sind sehr glatt. Sie können nicht mehr herausklettern. Der eine Frosch kämpft, strampelt mit all seiner Kraft, will mit aller Entschlossenheit aus der Schale, will wieder nach oben, zum Rand kommen. Er erschöpft sich und nach einer Weile sinkt er kraftlos zu Boden und stirbt.

Der andere Frosch bleibt mit ruhigen Bewegungen an der Oberfläche, nimmt wahr, was um ihn ist und in ihm ist. Und nach einer Weile schließt er die Augen und lässt sich friedlich zu Boden sinken. Und er öffnet die Augen und sitzt auf dem Tisch, denn die Schale war zersprungen. Eine Illusion war gegangen.
Und die Moral: Vertraue dem was geschieht, bleibe ruhig und es löst sich, was gelöst werden muss.

In welchen Situationen sollten wir welche Version erzählen?

Rüdiger Müngersdorff