Als Schopenhauer und Kraus sich über die Sprachverschluderung erregten, da hatten sie ein Publikum, das verstand, was sie sagten. Aber das war eine abgeschlossene historische Epoche. Jetzt verständigte man sich irgendwie.

In seinem neuen Roman »Das Blutbuchenfest« beschreibt Martin Mosebach seine Figuren sehr distanziert und hart, manchmal fast schon böse, aber dabei gleichzeitig so humorvoll, ironisch und sprachlich elegant, dass das Buch auf jeden Fall zu empfehlen ist.

Der Schauplatz ist wieder einmal Frankfurt, der Ich-Erzähler ein promovierter Langzeit-Kunststudent, der fast alle Klischees erfüllt, an die man bei Kunststudent denkt. Mit Ende 30 hat er beruflich immer noch nicht Fuß gefasst und folgt, mehr oder weniger unabsichtlich, dem Rat seines Doktorvaters, sich »schieben« zu lassen. Von einem Mann in seinem Bekanntenkreis, Wereschnikow, der unbedingt einen großen Kongress über den Zerfall Jugoslawiens organisieren will, erhält er den Auftrag, für diesen Kongress eine Ausstellung über einen Künstler zu organisieren und Gelder aufzutreiben. Der Künstler teilt den Nachnamen seiner bosnischen Putzfrau, Ivana Mestrovic, die das Verbindungsglied zwischen allen Figuren in dem Roman bildet.

Sie putzt nicht nur beim Erzähler, sondern auch bei Maruscha, die mit Wereschnikow ein Verhältnis hat, beim Ehepaar Breegen (Herr Breegen hat ebenfalls ein Verhältnis mit Maruscha und finanziert ihre Wohnung) und bei der Tante des Mädchens Winnie, in das sich der Erzähler verliebt, als er sie zufällig in der U-Bahn sieht. Winnie ist die Ex-Freundin des hochverschuldeten Geschäftsmanns Rotzoff, der das Fest des Titels organisiert, um durch den Verkauf der Eintrittskarten seinen Schuldenberg abzubauen. Das Fest findet bei einem weiteren von Ivanas Kunden statt, Dr. Glück, und natürlich ist sie diejenige, die am Ende den von den Partygästen verwüsteten Garten und das Haus aufräumen darf.

Das Fest findet genau an dem Abend statt, an dem Ivanas Familie die Flucht vor dem herannahenden Krieg ergreift. Trotzdem arbeitet sie und räumt am nächsten Morgen den von den Partygästen verwüsteten Garten und das Haus auf. Maruschas Liebhaber – inzwischen drei, weil sie dem Rat einer Jugendfreundin folgt, sich einen dritten Liebhaber zuzulegen, wenn sie mit zweien nicht klarkommt – geraten bei der Party aneinander und sie gelangt zu der Erkenntnis, dass sie ihr Leben nicht mehr nach den philosophischen Grundsätzen ihrer Freundin leben kann. Außer ihr ändert sich keine der anderen Figuren grundlegend, nicht einmal der Erzähler oder Ivana, trotz mehrerer tragischer Schicksalsschläge. Die Figuren und die Handlung sind in diesem Roman aber auch eher Nebensache, man muss ihn als sprachliches Fest lesen.

Martin Mosebach: Das Blutbuchenfest
Deutsch | Hanser 2014 | 448 Seiten

Sabine Anders