Mit Besorgnis sehen wir die aufkommenden Meinungen, den Tratsch, der sich gegen die »Fremden« richtet. Es formuliert sich ein Nationalismus, der sich vor allem aus Schuldzuweisungen, Verdächtigungen und Hass gegenüber anderen definiert. Gerade sind es Chinesen, die diese negative Selbstdefinition zu spüren bekommen. In Italien sind es, hoffentlich vorübergehend, die Deutschen. In beiden Fällen können die sich Abgrenzenden auf einer historischen Vorbelastung aufbauen. Die Haltungen, die sich in den sozialen Medien viral verbreiten, bleiben auch für den »Restart« nicht folgenlos. Wir beschädigen gerade eine gewachsene Vertrauensbasis und den Respekt vor dem Anderssein der Anderen.
Es steht zu befürchten, dass diese Haltungen stärker werden je länger die verschiedenen Gemeinschaften die Einschränkungen und Verluste der gegenwärtigen Pandemie spüren. Und damit gefährden wir einen wichtigen, in der Regel übersehenen positiven Effekt der Globalisierung.
Mit den offenen Märkten, der engen Kooperation zwischen unterschiedlichen Kulturen und Denktraditionen, haben alle Seiten die Chance erhalten, sich im Anderen zu spiegeln. Dieser Prozess diente nicht nur dem besseren Verständnis der anderen Kultur, sondern in großem Maße dem erweiterten Verständnis des Eigenen und war und ist so ein Sprungbrett für die eigene Entwicklung – im Jargon der Organisationsentwickler- zur gelingenden Transformation. Wir lernten unser jeweiliges intuitives Welt- und Selbstverständnis als nicht bewussten Hintergrund unserer Handlungen verstehen und konnten mit diesem Verständnis anders auf unseren Weltausschnitt schauen, was wiederum verändertes Handeln ermöglichte.
Es ist eine der Grundlagen unserer Innovationsfähigkeit, die es so, ohne die Herausforderungen des Fremden, nicht geben würde. Es sind reflexive Prozesse, die es uns ermöglichen sowohl unser Selbst- als auch unser Weltverständnis zu erweitern. Konkret: Diversität, mit dem Recht der Diversen zu sprechen und gehört zu werden, ist ein Beschleuniger der reflexiven Selbst- und Weltvergewisserung und so die Basis von Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit.
In einem »Restart« werden wir auch auf diesen Aspekt achten müssen und miteinander an dem gegenseitigen Vertrauen in den jeweils anderen arbeiten müssen und dürfen.
Rüdiger Müngersdorff