Agiles Talent Management (II): Neue Formate und Interventionen

Im letzten Blogbeitrag zum Thema Talent Management habe ich die Grundlagen des agilen Talent Managements beschrieben: ein entwicklungsorientierter Talentbegriff, das Talent Enabling, die Selbstorganisation und eine unterstützende Talentkultur. Ausgehend davon, möchte ich weitere Überlegungen bezüglich der konkreten Umsetzung in der Organisation anstellen.

Talent Management mit flexiblen Formaten

In agilen Umgebungen gestaltet sich Talent Management, oder besser Talent Enabling, dynamisch und nicht prozesshaft. Die vorgegeben Talent Management-Jahreszyklen sind damit in Frage zu stellen. Mitarbeitergespräche zu einem bestimmen Zeitpunkt im Jahr durchzuführen macht wenig Sinn, wenn Arbeitsstrukturen sich dynamisch ändern und Projektzyklen 30-Tage-Sprints sind. Dennoch ist das Mitarbeitergespräch weiterhin wichtig. Allerdings als prinzipielles Format und nicht als Prozessschritt. Das heißt, Feedback findet statt, individuelle Entwicklungswünsche und Trainingsbedarfe werden besprochen, Mitarbeiter beurteilt, wenn es einen Anlass dazu gibt. Nicht nur der Zeitpunkt, sondern auch die personelle Zusammensetzung der Formate ist variabel. So können bei Bedarf auch Teamkollegen miteinbezogen werden. Mitarbeiter und Führungskräfte müssen befähigt werden, diese Talentformate flexibel anzuwenden und sie sich nach Bedarf zu eigen zu machen.

Noch mehr als in traditionellen Organisationsformen, darf daher das Talent-IT-System nicht strukturgebend für Talententwicklung sein. Die Interaktion und das Erfahrungslernen stehen im Mittelpunkt. Und hieraus ergibt sich eine neue Flexibilität im Talent Management und in den unterstützenden Systemen. Anpassungsfähige und abrufbare Talentformate sind wichtiger als ein durchgängiger Talentprozess.

Neue Rollen im intrinsischen Karrieremanagement

Die im vorherigen Beitrag beschriebene Entwicklungsorientierung und die Selbstorganisation im Talent Management fordert neue Kompetenzen in der Organisation. Mitarbeiter sind nun stärker selbstverantwortlich für ihre berufliche Entwicklung. In traditionellen Unternehmen wird sich in der Karriereplanung häufig noch auf die Mechanismen des Systems verlassen: vorgezeichnete Karrierepfade, Promotionszyklen, Ernennung als High Potential, die den Mitarbeiter bei guter Leistung schon an den richtigen (und wichtigen) Platz in der Organisation bringen werden. In agilen Umgebungen funktionieren solche linearen Formate nicht mehr. Der Mitarbeiter muss selbstständig das eigene Kompetenzprofil herausbilden sowie persönliche Motive und Werte ehrlich und detailliert benennen können, um daraus Karriereziele und Aktionspläne abzuleiten. Diese Innensteuerung an den Tag zu legen verlangt ein Umdenken und neues Handeln. Angebote für Mitarbeiter zur Karriereplanung wie z.B. Standortbestimmung, Peercoaching, Jobhospitationen und Mentoring helfen hier, den Mitarbeiter in seiner Selbstorganisation zu stärken.

Aber auch Führungskräfte müssen umlernen und die Rolle eines Talentcoaches einnehmen. Wie ein professioneller Coach sind sie kein Entscheider in Karrierefragen, sondern begleiten den Mitarbeiter mit regelmäßigem Feedback und ressourcenorientierter Gesprächsführung. Sie helfen Lernfelder zu identifizieren und Lernerfolge zu erzielen, bieten Lernoptionen z.B. über neue Projekte an. Führungskräfte benötigen unter Umständen Unterstützung, z.B. durch Training, um diese Rolle umzusetzen. Allerdings ist hier neben dem Erlernen von konkreten Fähigkeiten auch eine neue Sicht auf die Führungsrolle, wie allgemein in agilen Unternehmen, nötig. Die Führungskraft nimmt nun auch im Talent Management eine moderierende und unterstützende Funktion ein.

Im agilen Talent Management sind also neue Formate und Interventionen gefragt. Neue Haltungen und Rollen müssen eingenommen und angenommen werden, um Flexibilität und Eigenverantwortung erfolgreich umsetzen zu können.

Anke Wolf

Agiles Talent Management (I): Was bedeutet Talent Management im ständigen Wandel?

In vielen Organisationen sehe ich, dass Talent Management vor allem über Talentidentifikation und Prozessmanagement gelebt wird. Die Flexibilität, die in komplexen, agilen Umgebungen benötigt wird, kann über diese starren Modelle aber selten eingelöst werden. Will Talent Management Mitarbeiterpotenziale auch in neuen Organisationsformen fördern und zugänglich machen, muss es das alte lineare Denken und Handeln verlassen und wie das Business auch nicht-linear, agil und flexibel werden.

Entwicklungsorientierter Talentbegriff

Hilfreich erscheint mir hier die Einführung eines entwicklungsorientierten Talentbegriffs. Im Gegensatz zu einem statischen Talentbegriff stehen dabei Kategorien wie Talent oder High Potential nicht im Vordergrund. Ein entwicklungsorientierter Talentbegriff bezieht sich auf alle Mitarbeiter und Talentausprägungen, sozusagen auf die »power of the many« und nicht auf die »vital few«. Ein Weg, um in Unsicherheit und Dynamik durch eine Mobilisierung aller, der Verteilung von Risiko und einer experimentellen Haltung, leistungsfähig und innovativ zu sein.

Leistungs- und Potenzialunterschiede sollen nicht negiert werden, sondern als veränderlich in der Zeit als auch in der Situation verstanden werden. So zeigt die Stanford Professorin Dr. Carol Dweck anhand von Studien und Beispielen aus Unternehmen einen erstaunlichen Effekt: Allein die Überzeugung, dass Fähigkeiten auf Basis von Anstrengung und Erfahrungslernen grundsätzlich immer verbessert werden können, hat einen erstaunlich positiven Einfluss auf den individuellen Lernerfolg und schließlich auch auf den Unternehmenserfolg. Starre Kategorien bzgl. Talent oder Intelligenz führen eher zu Statusdenken und letztendlich Stillstand (Carol Dweck: Mindset. Changing the way you think to fulfill your potential).

Weiterhin bedeutet Entwicklungsorientierung auch das Talent Management in agilen Umgebungen weniger planbar und stärker iterativ ist. Der »Management«-Aspekt im Sinne von Steuerung tritt mehr in den Hintergrund und kann durch »Enabling« ersetzt werden. Talent Enabling beschreibt besser, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter in die Lage versetzen, ihre Potenziale freizusetzen und für die Organisation zur Verfügung stellen.

Selbststorganisation im Talent Management

Im entwicklungsorientierten Talent Enabling sind Konzepte wie die Learning Agility (u.a. Center for Creative Leadership) hilfreich. Learning Agility umfasst Fähigkeiten wie den Status Quo in Frage zu stellen, Erfahrungslernen, Reflexion, Feedback und Risikobereitschaft. Aspekte, die überraschend deutlich an einen SCRUM Sprint erinnern. Starre Formate wie Karrierepfade haben hier wenig Platz. Nicht nur weil Karrierepfade in sich schnell drehenden Umgebungen mit fluiden Rollen wenig sinnvoll erscheinen, sondern vor allem weil agile Organisation von der Selbststeuerung und der intrinsischen Motivation der Mitarbeiter leben. Selbstorganisation heißt hier, Verantwortung für die Entwicklung an den Mitarbeiter zu geben ohne sich als Unternehmen und insbesondere als Führungskraft aus der Pflicht zu nehmen. Wenn Selbstorganisation im Sinne der Learning Agility heißt, dass Mitarbeiter Lernbedarfe identifizieren und durch Erfahrungslernen, Reflexion und Feedback ihre Fähigkeiten ausbauen, dann ist es Aufgabe der Führungskraft als Prozessbegleiter Impulse zu setzen, Feedback zu geben und aktiv Lernoptionen anzubieten. Und auch das Gesamtunternehmen braucht eine übergreifende Talentkultur, die jenseits von Rollenbeschreibungen und Organigrammen, Lernen, Ausprobieren (und damit auch Scheitern) und Reflexion des Mitarbeiters würdigt und fördert.

Talent Management in agilen Organisation braucht also neue Begriffe, Haltungen und eine Kultur, die nicht-lineare Entwicklung im Unternehmen aufgreift und integriert.

Anke Wolf

Wir freuen uns, dass wir gleichzeitig mit diesem Artikel eine unserer Associated Partner vorstellen dürfen: Anke Wolf von Anke Wolf Coaching & Consulting ist eine ausgewiesene Expertin für Talent Management und Leadership.

1. SYNNECTA Tischrunde für HR-Entscheider am 10. Juni 2015 in Köln

Transformationsprozesse sind für uns eine runde Sache.
HR und SYNNECTA im Dialog bei der SYNNECTA TISCHRUNDE

Die Gestaltung der Arbeitswelt von morgen liegt in der Hand eines jeden Unternehmens. Und der Bereich »Human Resources« ist der Schlüssel dazu. HR initiiert, gestaltet und steuert die entscheidenden Projekte der Unternehmensentwicklung. Sie bildet die erfolgskritische Schnittstelle zwischen Management, Mitarbeitern und Beratern.

Die Themen der Arbeitswelt der Zukunft sind spannend wie komplex – und zentrale Fragestellungen dabei noch unbeantwortet: Wie kann HR die wegweisenden Transformationsprozesse vorantreiben? Welche strategische Rolle übernimmt HR bei der Gestaltung der neuen Arbeitswelten? Wie entwickelt sich HR zum Role Model für die erforderlichen Transformationsprozesse? Und wie nutzt HR die zu initiierenden OE-Projekte erfolgreich zur eigenen Positionierung? Diesen Fragen möchten wir uns mit einer neuen Veranstaltungsreihe intensiv widmen. In der SYNNECTA Tischrunde bringen wir Schlüsselfiguren und Experten aus der HR zusammen und bündeln so die Expertise unserer Kunden.

Seien Sie dabei, um mit uns in regelmäßigen Abständen zukunftsweisende OE-Ansätze für die anstehenden Transformationsprozesse zu diskutieren. Lernen Sie neue, wirksame und kreative Interventionen kennen. Nutzen Sie die TISCHRUNDE für sich, um gemeinsam mit uns Antworten auf die für HR zentralen Fragestellungen zu finden. Und profitieren Sie anschließend von der gebündelten Dokumentation zu wertvollen Erkenntnissen aus der Runde.

1. SYNNECTA Tischrunde:
10. Juni 2015, 10:00 – 17:00 Uhr, SYNNECTA Haus, An der Münze 1, Köln

Neue Führung – auf dem Weg in eine zukunftsfähige Arbeitswelt
HR als Co-Creator neuer Führung

Die Anforderungen an Führung ändern sich gegenwärtig dramatisch. Der Ruf nach einem Führungsshift ist unüberhörbar und unvermeidbar. Im War for Talents werden bisherige Führungsansätze den Forderungen nach mehr Souveränität, Mitgestaltung, Sinnstiftung und Freude an der Arbeit zunehmend nicht mehr gerecht. Gleichzeitig stoßen Führungskräfte in einem volatilen und komplexen Marktumfeld als einsame Entscheider an ihre Grenzen. Gefragt ist eine neue Führung auf Augenhöhe. Eine Führung, die ihre Aufgabe darin sieht, Mitarbeitenden vertrauensvoll die bestmöglichen Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen sie geführt und selbstorganisiert ihre Fähigkeiten im Sinne des Unternehmenserfolges einsetzen können. Dieser Führungsshift bedarf innovativer OE–Dramaturgien, die Management, Führungskräfte und HR hierarchieübergreifend beteiligen und dabei bereits die neue Kultur und den Wertewandel der nachfolgenden Generationen abbilden. OE-Designs mit Methoden wie Open-Office, Social Media, Visualisierungsmethoden und Co-Creation betreten hier derzeit sehr erfolgversprechend Neuland. Wir werden diesen Tag von einem Visual Facilitator dokumentieren lassen.

Weitere SYNNECTA Tischrunden-Themen:

  • Komplexität? Agilität!
    HR im Aufbau einer agilen Unternehmenskultur
  • Unternehmen 2.0 führen – Transformation zu mehr Offenheit
    Die Rolle von HR bei der erfolgreichen Einführung
  • Wachsende Vielfalt – von Barrieren zur Ressource
    HR als Initiator für mehr Diversity Awareness
  • Industrie 4.0 – mit OE-Interventionen Fahrt aufnehmen
    HR als Wegbereiter für den Transformationsprozess
  • Resiliente Mitarbeiter & gesunde Unternehmenskultur als Erfolgsfaktoren
    Gesundheit im Fokus von HR