Krisenkommunikation II

Das Dilemma lokaler Führung oder Ein tiefer Loyalitätskonflikt

Es gibt den Beschluss. Kosten müssen reduziert werden, ein Personalabbau steht an, vielleicht die Schließung eines Standortes oder der Verkauf eines Teils des Unternehmens. Die lokale Führung hat die Aufgabe, den Beschluss umzusetzen. Eine schwierige Aufgabe, die viele Führungskräfte in Loyalitätskonflikte stürzt. Sie selbst sind verunsichert, wollen und sollen jedoch für ein überlegtes und sicheres Handeln sorgen.

Was passierte denn, bevor es zu einer breiteren Kommunikation kommt? Es gab eine Entscheidung der Zentrale – die lokalen Führungskräfte waren in diesem Prozess kaum einbezogen und wenn, dann vor allem als Zulieferer von Analysen, Daten und Informationen. Mit dem Beschluss liegt die Aufgabe der Umsetzung bei der lokalen Führung, die die sich einmischende Unterstützung der Zentrale zunächst als hilfreich, später aber doch vor allem als störend wahrnimmt. Die Aufgabe ist es jetzt nicht nur, die Menschen zu informieren, sie mit ihren Sorgen und Nöten ernst zu nehmen und zu begleiten, Sozialpakete zu verhandeln, Initiativen zu starten, um den betroffenen MA eine Chance außerhalb zu vermitteln, sondern auch noch bis zum letzten Tag die Produktivität aufrecht zu erhalten. Der Kontakt zu den eigenen Mitarbeitern wird intensiver, sie rücken mit ihrem Leben viel näher und es entwickelt sich die Erwartung, dass die lokale Führung alles tut, um die eigene Organisation zu schützen, zu erhalten. Natürlich entstehen hier Konflikte zwischen dem, was eine Zentrale will und dem, was die lokalen Mitarbeitenden erwartet – und die verantwortliche lokale Führung steht zwischen beiden Erwartungen. Die persönlich herausfordernde Aufgabe ist es nun, beide Interessen in einer Balance zu halten und selbst emotional im Gleichgewicht zu bleiben. Gute Führungskräfte fühlen sich beiden Seiten tief verpflichtet – den Mitarbeitenden in ihrer Not, ihren Sorgen und Unsicherheiten, dem Unternehmen, das eine solche Entscheidung aus guten Gründen und mit dem Blick auf das Ganze gefällt hat. Ein Dilemma, oft ein moralisches Dilemma, immer aber ein emotionales Dilemma.

Eine besondere Herausforderung ist es dabei, den schon mit dem Beginnen unvermeidlichen Verlust von Glaubwürdigkeit wieder auszugleichen. Am Anfang weiß die lokale Führung schon, was geschehen wird, ist aber durch sehr harte Vertraulichkeitserklärungen zu Stillschweigen verpflichtet. Kommt es dann zur Kommunikation, ist eine der ersten Vorwürfe der Mitarbeiter: Warum habt ihr so lange geschwiegen? Wie sollen wir euch eigentlich vertrauen, ihr habt doch das alles miteingefädelt?

Es ist eine schwierige Aufgabe, eine Aufgabe, die tief das eigene Glaubenssystem in Frage stellt. Es ist eine Aufgabe, auf die die meisten Führungskräfte nicht vorbereitet sind. Wie können sie sich verhalten? Wie können sie in den Widersprüchen, dem Kopf und dem Herzen gleichermaßen Raum geben? Wie können sie mit den eigenen Unsicherheiten und Sorgen umgehen und sich in ihrer Aufgabe davon nicht ablenken zu lassen?

Sollten Führungskräfte in solchen Aufgaben begleitet werden? In allen sozialen Berufen hat es sich bewährt, sowohl für die Individuen als auch für Teams Supervisionen anzubieten. Dabei geht es darum, auch in schwierigen Situationen sich über die Lage selbst und das eigene Handeln im Klaren zu sein. Nur eine geführte Selbstreflektion kann hier helfen, handlungsfähig zu sein und so am Ende im Interesse aller Beteiligten handeln zu können. Wir haben in all den Prozessen, die wir begleitet haben, mit einem Supervisionsansatz sehr gute Erfahrungen gemacht. Die Unterstützung hilft allen Seiten – der Zentrale, weil sie ihr Ziel erreicht, der lokalen Führung, weil sie das Interesse keiner Seite verrät und selbst mit einem geklärten Bewusstsein aus dem Prozess herausgehen kann und den Mitarbeitenden, weil nur eine stabile lokale Führung gewährleisten kann, dass auch in dieser Not neue Optionen für die eigene Zukunft entstehen können.

Rüdiger Müngersdorff/Fetiye Sisko
Foto: Mauro Mora by unsplash.com

Krisenkommunikation I

Transparenz macht glaubwürdig – zur Notwendigkeit von ehrlichem Führungsverhalten

Es ist eine klassische Ausgangssituation: Ein General Manager, ein/e Werkleiter*in, ein/e Bereichsleiter*in wird informiert, dass in seinem/ihrem Bereich signifikante Entlassungen anstehen, dass ein Standort geschlossen oder ein ganzes Geschäftsfeld verkauft wird. Es mag eine Ahnung da gewesen sein und es ist doch immer schockierend. Der/die Verantwortliche erlebt, was er/sie den Mitarbeitenden in naher Zukunft wird vermitteln müssen. Und er/sie spürt sehr schnell, dass er/sie sich alleingelassen fühlt und selbst nur scheibchenweise verlässliche Informationen erhält. Die Situation ist unübersichtlich und sie wird es eine ganze Weile bleiben. Es ist die erste Szene in einem nun folgenden Prozess, in der jede Szene wieder und wieder neu durchdacht und gestaltet werden muss.

SYNNECTA unterstützt seit vielen Jahren Unternehmen und verantwortliche Führungskräfte in der Gestaltung solcher Prozesse, in deren Mittelpunkt die Kommunikation steht. Es ist eine andere Art der Kommunikation – sie verlangt ein viel höheres Maß an Transparenz, Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit als die Standardkommunikationen und sie ist nicht delegierbar. Die Kommunikationskaskaden sind schon in normalen Zeiten problematisch, in der Krisenkommunikation sind sie gefährlich – es entstehen die unkontrollierbaren infektiösen Gerüchtetaschen.

Unsere selbst betroffene Führungskraft hat eine erste Aufgabe – sie muss ein Team, ein Führungsteam formen, das aus der eigenen Betroffenheit heraus in der Lage ist, sensibel mit der Situation umzugehen und bereit ist, im gesamten Prozess eine hohe Präsenz zu zeigen. Wir kennen den Schließungstourismus von Führungskräften, die in solchen Zeiten gerne die Zentralen besuchen. Das Führungsteam mit klarem Wissen um die Aufgabe und ehrlicher Bereitschaft, mit allen Mitarbeitenden diesen Weg zu gehen, ist das Rückgrat des Prozesses. Es ist der Zeitpunkt, in dem die lokal Verantwortlichen, die in Seminaren gelernte Mikropolitik und eigenes taktisches Verhalten hinter sich lassen müssen. Fetiye Sisko, die viele Unternehmen in diesen Phasen unterstützt hat, sagt dazu, dass am Anfang immer auch die Unterstützung darin besteht, eine gemeinsame Haltung zu entwickeln, in der deutlich wird, dass immer die Gesamtheit der betroffenen Menschen im Fokus steht.

Die mit der Kommunikation betrauten Menschen sind zu oft noch junge Mitarbeiter*innen, ohne eigenes Netzwerk, mit wenig Erfahrung und geringem inhaltlichen Einfluss. Ihr Engagement ist oft bemerkenswert und doch brauchen sie Unterstützung. Denn Krisenkommunikation weist ein paar Besonderheiten auf. Immer wieder erleben wir Phasen der Verwirrung, des Ärgers, der Wut, wenn Diskrepanzen auf den verschiedenen Kommunikationskanälen sichtbar werden. Insbesondere bedarf es einer synchronisierten Außen- und Innenkommunikation – jede Abweichung, die durch Presse, soziale Medien verbreitet werden, müssen in der internen Kommunikation aufgenommen werden. Nur so lässt sich vermeiden, dass die Irritationen von außen nach innen durchschlagen und hier starke emotionale Reaktionen verursachen. Differenzen in der Kommunikation macht Stimmung und die Situation ist stimmungslabil.

Die lebendige Q&A ist ein wichtiger Baustein in einer gelingenden Krisenkommunikation – jede Frage steht für ein Bedürfnis und eine Not, jede Frage muss beantwortet werden. Und lässt sie sich im Status des Prozesses noch nicht beantworten, muss genau dies gesagt und begründet werden. Nur so lässt sich der Stimmungsteil einer Krise aktiv gestalten und erfahrungsgemäß die emotionalen Ersatzhandlungen, wie Aktionen von Sabotage, von Arbeitsverweigerung etc. verhindern. Das macht auch deutlich, dass Krisenkommunikation ein iterativer Prozess ist, keine verläuft so, wie es sich sehr kluge Menschen, die weit vom Geschehen entfernt sind, im Vorhinein ausgemalt haben.

Wir sagten es schon, die Delegation an eine Kommunikationskaskade ist nicht hilfreich – sie erzeugt Unterschiede in der Kommunikation und sie ist von dem verantwortlichen Führungsteam nicht mehr kontrollierbar. Daher ist es für uns wesentlich, so oft wie möglich mit allen gleichzeitig zu kommunizieren. Dialog ist schon in einer normalen Situation wichtig, hier wird er entscheidend. Es ist ein Ziel der Krisenkommunikation, Gerüchte zu reduzieren und dafür bedarf es gemeinsamer Kommunikationserlebnisse. Sie sind emotional, zuweilen in der Mitte turbulent – aber was in einer Versammlung geschieht, das geschieht dann nicht mehr draußen. Natürlich bedarf es da einer erfahrenen Moderation, die auch in emotional heftigen Reaktionen den Überblick behält und mit angemessener Empathie sich gegenüber allen verhalten kann.

Wir haben gute Erfahrungen gemacht, die Kommunikationsversammlungen gemeinsam mit Betriebsrat/Arbeitnehmer*innenvertretung und Führung zu gestalten. Hier werden Gemeinsamkeiten sichtbar und hier werden Unterschiede transparent. Jede Seite hat eine andere Rolle und doch sind sie gemeinsam verantwortlich, die Situation für die Menschen zu gestalten. Und auch hier wieder, jedes Anliegen ist ernst zu nehmen. In einem Fall, die Führung hatte ein Abbauziel, das in ihren Augen marginal war (unter der 10% Marke) und hielt daher eine ausführliche Kommunikation für nicht nötig. An einem Morgen kamen die Führungskräfte in den Standort und sahen am Zaun 100 Vogelscheuchen mit schwarzen T-Shirts. Es war die Zahl derer, die abgebaut werden sollten. Es mag am Ende zwar 100 Menschen treffen, am Anfang aber trifft es jeden. Und es gilt der Grundsatz, was du einem tust, tust du allen.

Es gibt viele, wichtige Eigenheiten in der Krisenkommunikation – ihre Qualität macht einen großen Unterschied, für die betroffenen Mitarbeitenden und für das Unternehmen. Es braucht Erfahrung für die Gestaltung solcher Prozesse – immer auch eine hohe emotionale Kompetenz. Führungskräfte, die täglich mit verunsicherten Menschen umgehen müssen und die es ja oft auch selbst sind, brauchen in diesen Phasen eine Begleitung. Stimmt die Haltung im Führungskreis, dann ist ein stetes empathisches Verhalten lernbar. Transparenz, Ehrlichkeit und Empathie sind wesentliche Verhaltensaspekte in diesen Prozessen. Wir von SYNNECTA machen diese Aufgabe, auch da wo sie sehr schwierig ist, gern, wenn eins gegeben ist: Die verantwortliche Führung will den Prozess für alle Beteiligten so ehrlich und wertschätzend wie möglich gestalten.

Rüdiger Müngersdorff/Fetiye Sisko
Foto: Hanna Göhler

Warum Diversity ein Treiber für Innovationen ist

Nutzen Sie die Vielfalt Ihres Unternehmens für kreative Ideen

Wie werden wir innovativer?

Diese Frage wird für viele Unternehmen zunehmend dringlicher, um den Anschluss an den Wettbewerb nicht zu verschlafen. Ohne Innovationen läuft die Uhr für viele Unternehmen ab.

Der Countdown läuft:

  • Ist Ihr Unternehmen schon in den Startlöchern, um die nächste Innovation zu »launchen«?
  • Woher kommt die innovative Kraft in Ihrem Unternehmen?

Das Potenzial dafür schlummert bereits in vielen Unternehmen. Es gilt, dieses zu nutzen und das Unternehmen so von innen heraus zu stärken. Das kann bedeuten, Querdenkern Raum zu geben und auch einmal unbequeme Wege zu gehen. Mit einer disruptiven, innovativen Kraft kann sich selbst eine Monokultur öffnen – und so neue, innovative Perspektiven gewinnen.

Monokulturen weisen eine vergleichsweise geringe Komplexität auf – und produzieren zwar verlässliche, aber auch eher langweilige und vorhersagbare Antworten. Vielfalt hingegen erhöht die Komplexität; sie wirkt simplifizierenden Antwortmustern entgegen – sorgt somit für »unschärfere« Antworten mit höherer Ambiguität (Mehrdeutigkeit). Das ist anspruchsvoller – aber öffnet auch die Perspektive auf bessere, innovativere Lösungen.

Den Tiger reiten lernen – der Sprung zu mehr Innovation

Eine plausible These lautet:

»Ein Unternehmen kann nur denjenigen Markt bedienen, den es auch intern abbilden kann.«

So formuliert es Dr. Rüdiger Müngersdorff von der Managementberatung SYNNECTA, unserem Kooperationspartner in Sachen Organisationsentwicklung.

Abbildung: SYNNECTA Diversity-Einsichtbild®

Das Diversity-Einsichtbild® von SYNNECTA ist ein Werkzeug, mit dem Menschen in den Dialog gebracht werden. Die Themen rund um Vielfalt werden dadurch sichtbar und besprechbar.

Eine gesunde Vielfalt im Unternehmen sorgt also nicht nur dafür, dass die Produkte und Dienstleistungen treffsicher im Markt ankommen. Es sorgt auch dafür, dass eine vorwärtstreibende Spannung im Unternehmen herrscht, die neue Diskurse anstößt und Ideen generiert. Um die eigenen Gewissheiten immer wieder aufs Neue zu überdenken, zu reflektieren und damit auch morgen noch handlungsfähig zu sein.

»Spannungen im Unternehmen sollen gut sein?!«, fragen Sie sich jetzt vielleicht. – Hier ist es nützlich, zu differenzieren:

  • Eine negative Spannung bezeichnet z. B. ein Klima der Angst, der Verschlossenheit oder persönlichen Ränkespiele. Menschen fühlen sich dort unsicher, verschließen sich und machen eher »Dienst nach Vorschrift«.
  • Positive Spannung hingegen bezeichnet die kreative Energie, die durch das Zulassen unterschiedlicher Perspektiven entsteht. Kreative Prozesse sind keine Selbstläufer, sondern i.d.R. harte Arbeit. Das gemeinsame Ringen um die passende Lösung, das Überwinden von gedanklichen Barrieren – das sprichwörtliche »Out-of-the-box-Denken« – all das erfordert eine gewisse produktive Spannung.

Auch das agile Arbeiten oder Methoden wie das »Design Thinking« nutzen aktiv die non-konforme oder externe Perspektive, um die Vielfalt und damit die kreative Spannung innerhalb des Systems zu erhöhen. Wer sein Unternehmen zum Treiber von Innovationen – gar disruptiven Innovationen – machen möchte, muss diese kreative Spannung nicht nur aushalten, sondern aktiv zur Gestaltung nutzen. In der freien Interpretation eines chinesischen Sprichworts: Man muss lernen, »den Tiger zu reiten«.

Warum wird Vielfalt ein wichtiger Begriff für Unternehmen?

Die Vielfalt im Unternehmen zu fördern, ist einer der Ansätze, um die kreative, positive Spannung zu erhöhten. Vielfalt bzw. »Diversity« ist dabei ein Sammelbegriff für eine Vielzahl von Unterschieden. Mindestens folgende sogenannte »Diversity-Dimensionen« kann man differenzieren:

  • Kulturelle Unterschiede, häufig im Sinne ethnisch-kultureller oder religiöser Unterschiede, werden regelmäßig als relevante Differenzierung verstanden.
  • Eine Behinderung ist in der Gesellschaft noch allzu häufig ein Stigma, welches dazu führt, das Potenzial von Menschen mit Behinderung außer Acht zu lassen – aus Sicht eines Unternehmens eine naive Verschwendung von Ressourcen.
  • Gender: Der »kleine« Unterschied von Mann und Frau ist jedem klar. Seit 2017 unterscheidet das Bundesverfassungsgericht Menschen, die sich selbst keiner dieser beiden Kategorien zuordnen (offizielle Bezeichnung »divers«). Die Realität sah schon immer bunter aus. »Mädchen spielen mit Puppen – Jungs mit Autos.« Stimmt, wenn Sie jederzeit mitdenken (und am besten auch sagen), dass auch viele Mädchen mit Autos und viele Jungs mit Puppen und Figuren spielen.
  • Alter: Wir waren alle mal jung – und uns eint die Hoffnung, alt zu werden. Doch das bewahrt Unternehmen nicht vor Intergenerationen-Konflikten und -Missverständnissen in der Belegschaft. Der demografische Wandel befeuert diese Spannung: Gerade wenn junge Mitarbeiter ältere führen – oder wenn sich die »Jungen« von den »Alten« nicht verstanden fühlen – wird der Altersunterschied plötzlich relevant für die Zusammenarbeit im Unternehmen.
  • Sexuelle Identität oder Orientierung: »Ist doch Privatsache!« ist der Ausruf unbedarfter Konformisten. Denn wer zur Mehrheit gehört, versteht häufig die Sorgen der Minderheit nicht. Dabei ist es nicht so schwer: Wer das Gefühl hat, sich verstecken zu müssen, damit »die Privatsache« bloß nicht ans Tageslicht des Alltags von Büro oder Werkshalle kommt, wird verschlossener sein und seine Energie auf die Geheimhaltung richten – statt auf die nächste Innovation im Unternehmen.

Ein entscheidender Vorteil für Unternehmer: Studien belegen, dass Vielfalt im Unternehmen diesem wirtschaftlich gut tut. Unternehmen mit hoher Diversity sind innovativer, haben eine stärkere Arbeitgebermarke (Employer Branding) und ein besseres Arbeitsklima. Kurz gesagt: Diversity schafft Dividende. Vielfalt schafft Vermögen.

Perspektiven verstehen und Bedürfnisse erkennen als Basis für Innovationen

Wer die innovative Kraft im Unternehmen stärken will, sollte bei der Suche nach innovativen Angeboten die Perspektive wechseln können. Allzu häufig beginnen Innovationsprozesse noch mit der Frage: »Wie können wir unser Produkt verbessern?« – Klingt vernünftig, zäumt das Pferd jedoch von hinten auf. Die Ausgangsfrage sollte eher lauten:

  • Welche Lösung erhofft sich der Kunde von unserem Angebot?
  • Welches Problem löst unser Angebot für den Kunden?
  • Was wird aus seiner/ihrer Perspektive dadurch leichter, schneller, besser, günstiger …?

Dieses kleine 1×1 der Produktentwicklung (aber auch von Vertrieb, Marketing, Service) wird leider häufig vergessen und man schaut zunächst von der »technischen« Seite auf das eigene Angebot. Das Ergebnis sind dann zwar technische Verbesserungen – die aber für den Kunden keinen erkennbaren Nutzen stiften. Die Kernfrage lautet: »Welchen erkennbaren zusätzlichen Nutzen stiftet die Innovation für den Kunden aus dessen Sicht?« Jede Innovation muss durch das Nadelöhr der Kundenperspektive – sonst ist es keine Innovation, sondern nur eine Variation. Kurzum: Beginnen Sie mit der Perspektive des Kunden – nicht derjenigen Ihres Angebots!

Ein Beispiel aus dem Bereich Heimwerken: Statt die existierende Bohrmaschine aus Ihrem Programm weiter zu verbessern, etwa durch eine höhere Drehzahl oder einen günstigeren Preis, kommen Sie so vielleicht auf die disruptive Idee, einen starken Klebestreifen zu entwickeln, nachdem Sie verstanden haben, dass die meisten Menschen im Haushalt nur vergleichsweise winzige Löcher zum Aufhängen leichter Gegenstände benötigen (Handtuchhaken, Bilder, Wandspiegel).

Doch dieser Perspektivwechsel erfordert mindestens zweierlei Kompetenzen: Zum einen muss ich mich kognitiv auf den Kunden, dessen Kontext und seine Herausforderungen einlassen können. Zum anderen – und das ist häufig der der schwierige Part – muss ich seine emotionale Lage (seinen »Schmerz«) nachempfinden können. Ich muss die unterschiedlichen Bedürfnisse des Kunden erspüren können. Ich brauche also ein hohes Maß an sozialem Einfühlungsvermögen.

Und hier spannt sich der Bogen zum Aspekt Vielfalt und Diversity Management: Je komplexer mein interner Kosmos, den ich in meinem Unternehmen managen muss, desto eher kann ich auch die komplexen Welten meiner Kunden verstehen. Ein Dienstleistungsangebot für Frauen – nur von Männern entworfen; eine nur von deutschen Ingenieuren für den indischen Markt entworfene Maschine; ein nur von »alten Hasen« konzipiertes Angebot für Jugendliche? – Ja, alles möglich, aber die Chancen stehen hoch, dass hier knallhart an den Bedürfnissen der Zielgruppe vorbei entwickelt wird. Erfolgversprechender ist der Ansatz, die Vielfalt und Komplexität bereits frühzeitig in die eigenen Prozesse zu integrieren.

Warum Diversity die Agilität in Ihrem Unternehmen fördert

Diversity-Expertin Hanna Göhler weist darauf hin, dass für agile Organisationen der kompetente Umgang mit Vielfalt eine wichtige Voraussetzung ist, um das Potenzial der agilen Methoden auch nutzen zu können. Agilität ist ein Kulturthema. Sie stellt die These auf:

  • »Nur wer die Diversität in der Gruppe kennt, wertschätzt und nutzbar macht, kann wirklich agil sein und arbeiten. Damit ist es ein System-, Kultur-, Führungs- und ein individuelles Thema.«

Mehr dazu in ihrem lesenswerten Artikel »Warum Agilität und Diversity zusammengehören«. Dort erläutert sie auch das Konzept des »Diversity-Lernens« als Teil einer Lernkultur hin zu mehr Agilität. Hanna Göhler schreibt:

»Ambiguitätstoleranz« (also die Fähigkeit, Mehrdeutigkeiten und Unterschiede auszuhalten oder besser, diese zu akzeptieren), gilt als ein Merkmal von Diversity Awareness. Sie ist ebenso unabdingbar für das agile Mindset. Wenn diese Fähigkeit fehlt, reagieren Menschen auf mehrdeutige und oft unkontrollierbar erscheinende Situationen im agilen Setting mit »linearem Denken«. Sie verfallen in starre, alte, tradierte Muster, also dem Gegenteil von »being agile« und konstruktivem Diversity-Lernen.

Wie kann eine Basis geschaffen werden, aus der Innovationen wachsen können?

Für Führungskräfte ist es wichtig, eine gemeinsame Basis zu schaffen und einen stabilen Rahmen zu gewährleisten, in dem die kreative Spannung wirken kann und nicht destruktiv wird. Damit sind auch Fragen der Unternehmenskultur angesprochen, die von Vertrauen, offenem Feedback und einem ausgeprägten Gemeinsinn gekennzeichnet sein sollte. Nur so können Brücken gebaut und das typische Silo-Denken, z. B. zwischen Abteilungen oder Teams, vermieden werden.

Unterstützen Sie die Vielfalt und den übergreifenden Austausch im Unternehmen. Laden Sie zum offenen Diskurs und disruptiven Ideen ein. Setzen Sie in Workshops und bei größeren Veranstaltungen auf das Potenzial, das im cross-hierarchischen, cross-funktionalen oder auch cross-regionalen Austausch liegt. Lassen Sie etwas mehr »bunt« im Unternehmen zu und sorgen Sie dafür, dass Ihr Unternehmen ein Ort ist, an dem positive Spannung ihre kreative Kraft entfalten kann.

Zum Weiterlesen:

Daniel Goetz
Der Artikel wurde vom Autor ursprünglich veröffentlicht im Blog von agateno.
Foto: Matthew Schwartz by unsplash.com

Wie Sie die digitale Transformation erfolgreich mit den sieben Basisprozessen steuern

Im letzten Blog-Artikel haben wir gezeigt, warum die digitale Transformation kein Change ist – und wie Sie die Transformation meistern. Es ist klar geworden, welche grundlegende Veränderung die digitale Transformation darstellt und wie man mit einem ganzheitlichen Konzept systematisch die Auswirkungen der Transformation analysieren kann. Doch die spannende Frage ist: Wie kann man Menschen für den Wandel gewinnen?

Denn eines ist klar: Ohne die Menschen auf diesem Weg mitzunehmen, wird die digitale Transformation in der Sackgasse enden. Oder vielmehr: Die Unternehmen, die es schaffen, ihre Mitarbeiter auf dem Weg der digitalen Transformation mitzunehmen, werden erfolgreicher sein, als jene Unternehmen, die dies nicht schaffen. Wer sein Unternehmen erfolgreich transformieren will, muss sieben Basisprozesse beachten, die in jeder Veränderung wirken.

Die sieben Basisprozesse einer Transformation

Jedes Change-Projekt und vor allem jede tiefgreifende Transformation bedingen ein komplexes Zusammenwirken unterschiedlicher Prozesse. Im »Systemkonzept« nach Trigon (Professor Glasl) werden sieben fundamentale Prozesse identifiziert, die vorrangig beachtet und gemanagt werden müssen. Das Modell ist seit Jahrzehnten im Einsatz und hat sich in der Praxis als nützliches Hilfsmittel zur Steuerung von Transformationsprozessen bewährt. Die Terminologie der Prozesse ist teilweise etwas gewöhnungsbedürftig; wir orientieren uns hier jedoch aus Respekt gegenüber den Urhebern an der Taxonomie von Glasl, auch wenn wir selbst vereinzelt andere Begriffe wählen würden.

Überblick über die zentralen Aufgaben der sieben Basisprozesse in der digitalen Transformation

Die folgenden Prozesse sind in jeder Transformation oder auch jedem Change-Projekt wirksam und zu beachten.

  • Psychosoziale Prozesse dienen der Steuerung der emotionalen Aspekte einer Transformation.
  • Diagnoseprozesse sollen ein Bewusstsein für die Notwendigkeit der Veränderung schaffen.
  • Informations- und Kommunikationsprozesse teilen Neuigkeiten mit und ermöglichen Resonanz und Partizipation.
  • Lernprozesse vermitteln die für den Wandel erforderlichen Kompetenzen und Haltungen.
  • Zukunftsgestaltungsprozesse dienen der Willensbildung und Entscheidungsfindung.
  • Realisationsprozesse lassen die Ideen Wirklichkeit werden.
  • Change Management-Prozesse dienen der Planung, Steuerung und Organisation all dieser Prozesse.

Wichtig: Die Prozesse sind zwar miteinander verzahnt, folgen dabei jedoch keiner fixen Chronologie. Es sind also keine nacheinander ablaufenden Phasen, sondern zeitweise auch parallel laufende Entwicklungsstränge. Es gibt jedoch »typische« Vorgehensweisen, die sich in der Realität häufig als nützlich erweisen. Dazu mehr am Ende des Artikels.

Psychosoziale Prozesse

Die psychosozialen Prozesse sind zentral für den Erfolg jeder größeren Veränderung. Hinter diesem sperrigen Begriff verbergen sich die emotionalen Aspekte, die mit einem organisatorischen Wandel einhergehen. Häufig stehen diese zunächst nicht oben auf der Agenda der Entscheider. Sie sind jedoch die kritischen Erfolgsfaktoren aus Sicht der Organisationsentwicklung.

Die zentrale Aufgabe der psychosozialen Prozesse ist die positive Beeinflussung der emotionalen Aspekte einer Transformation. Veränderungsprozesse sind in der Realität immer mit Unsicherheit und Unwägbarkeiten verbunden. Gerade in der digitalen Transformation kann die Verunsicherung der Mitarbeitenden groß sein, da sich berufliche Identitäten verändern. Der Schutz bzw. die Befriedigung neurobiologischer Grundbedürfnisse ist hier nicht nur Aufgabe der Führung, sondern auch der Verantwortlichen einer Transformation.

Beispiele

  • Die »digitale Transformation« führt zu völlig neuen Berufsbildern – während alte Berufsbilder und Positionen wegfallen oder zumindest an Bedeutung verlieren. Für den Einzelnen Mitarbeitenden stellt sich also automatisch die Frage: »Wird es meinen Arbeitsplatz zukünftig noch geben?« – »Werden mein Einsatz, meine Kompetenzen, meine Expertise zukünftig noch gebraucht und wertgeschätzt?«
  • »Restrukturierungen« gehen mit der Unsicherheit über zukünftige Zuständigkeiten und manchmal auch disziplinarischen Verantwortlichkeiten einher: »Wer wird meine Vorgesetzte sein?« – »Wer gehört zum Team?«
  • Die Einführung agiler Arbeitsweisen (Scrum, Kanban, Design Thinking etc.) oder auch die »agile Transformation« einer gesamten Organisation führt zu völlig neuen Abläufen, die auch ein verändertes »Mindset« (Haltung) erfordern. Dieser Herausforderung will sich nicht jeder stellen müssen: »Werde ich diesen Veränderungen gewachsen sein?« – »Muss ich mir das noch antun?«

Diagnoseprozesse

Nicht jeder Ansatz oder jedes Tool funktionieren in jedem Unternehmen gleich gut. Was in dem einen Unternehmen zum Erfolg geführt hat, ist im nächsten Unternehmen möglicherweise Tabu oder unpassend. Wichtig: Die Vorgehensweise muss zur Unternehmenskultur passen. Diagnostische Erhebungen können zu allen Phasen eingesetzt werden: Je nach Veränderung können diese zu Beginn, im Verlauf oder auch am Ende eines Veränderungsprozesses sinnvoll sein.

Die zentrale Aufgabe von Diagnoseprozessen ist, neben der Prüfung des »kulturellen Fits«, vor allem ein »Bewusstsein zu schaffen« für die Notwendigkeit der Veränderung. Eine simple Erhebung kann zum Startschuss für eine Veränderung werden, wenn sie die Entscheidungsträger wachrüttelt.

Beispiele

  • Ein im ganzen Unternehmen durchgeführtes 360-Grad-Feedback kann erhellende Einsichten über die Führungskultur bringen.
  • Eine Mitarbeiterbefragung kann ein aufrüttelndes Stimmungsbild im Unternehmen erbringen und so der Auslöser für eine Umwandlung des Unternehmens sein – so geschehen bei der Hotelkette Upstalsboom mit ihrem Inhaber Bodo Janssen.
  • Mit Instrumenten zur Erhebung der Unternehmenskultur können die Charakteristika der Organisation erkannt werden.
  • Mit Onlinebefragungen, aber auch regelmäßigen hierarchieübergreifenden Präsenzworkshops mit den Führungskräften und Mitarbeitenden aus anderen disziplinarischen Bereichen, können die Wirkungen eines Veränderungsprozesses beobachtet werden.

Informations- und Kommunikationsprozesse

In der klassischen Welt des Change Managements wurden Veränderungsprozesse von oben nach unten, entlang der Hierarchie »ausgerollt«. Dabei wurden in zahllosen kleinen Gruppen Workshops zunächst die Vorgesetzten und erst im späteren Verlauf die Mitarbeitenden informiert und zumeist mit vorgefertigten PowerPoint-Folien über die Veränderungen informiert. Die Beteiligung war, wenn überhaupt, nur sporadisch vorgesehen und kaum mehr als ein Feigenblatt. Diese Vorgehensweise trug regelmäßig dazu bei, dass Veränderungsprojekte scheiterten. Der Schlüssel zum Erfolg einer Transformation liegt jedoch in der Partizipation der Mitarbeitenden. Daher sind Dialogveranstaltungen oder andere Beteiligungsformate erfolgsentscheidend. Gerade die digitale Transformation öffnet hier viele Möglichkeiten, über den schrittweisen Erfolg zu berichten und »Success Stories« mit der Mannschaft zu teilen.

Genau genommen lassen sich Informationsprozesse und Kommunikationsprozesse unterscheiden. Kommunikation ist dadurch gekennzeichnet, dass es nicht nur einen Empfänger und einen Sender gibt, sondern ein Dialog entsteht.

In diesem Sinne bezeichnet »Information« eine Einbahnstraße, auf der Entscheidungen und Neuigkeiten ausgesendet werden – z.B. in Form von Videoansprachen, E-Mails oder auch dem Aushang am schwarzen Brett. Dabei ist die Frage hoch relevant, wen ich wann wie genau über was genau informiere: Inhalt, Tonalität, Zeitpunkt, Medium, Zielgruppe. Hier spielen auch rechtliche Belange (z.B. Information des Betriebsrats) eine wichtige Rolle.

Bei einigen Transformationen ist besonderes Fingerspitzengefühl gefragt. Gerade wenn es um Personalabbau oder die Veränderung von Zuständigkeiten geht, sollte zunächst das direkte Gespräch mit den Betroffenen gesucht werden. Gleichzeitig muss die Kommunikation an das gesamte Unternehmen sehr zeitnah erfolgen, um den unvermeidlichen »Flurfunk« möglichst gering zu halten.

»Kommunikationsprozesse« zeichnen sich hingegen dadurch aus, dass sie zum Dialog einladen und explizit zu direkten Rückmeldungen auffordern. Typischerweise geschieht dies im Rahmen von Präsenzveranstaltungen, bei denen sowohl die Resonanz auf vorgestellte Inhalte abgefragt wird – als auch zur Beteiligung (s.u.) eingeladen wird. Dialogveranstaltungen dieser Art kombinieren also Aspekte von »Resonanz und Partizipation«. Als Entscheider kann ich auf diesen Veranstaltungen persönliches Commitment demonstrieren und zeigen, wie wichtig mir das Thema ist (Stichwort »Management Attention«).

Lernprozesse

Unter Lernprozessen im engeren Sinne kann man Schulungen und Qualifizierungen der Mitarbeitenden zusammenfassen. Der Ausgangspunkt ist dabei häufig die Frage: »Welche neuen Fähigkeiten und Kompetenzen benötigen die Mitarbeitenden, um im Sinne der neuen Zukunftsidee tatsächlich handeln zu können?« Darüber hinaus kann man im Sinne des sozialen Lernens auch Maßnahmen gestalten, um den Austausch der Mitarbeitenden untereinander zu fördern und so informelles Lernen zu unterstützen. Gerade der Wissenstransfer von »Tacit Knowledge« – also schlecht schriftlich oder grafisch zu vermittelndem Wissen – gelingt so leichter. Darüber hinaus ist soziales Lernen häufig Voraussetzung für eine Veränderung des Mindsets. Und ein aktualisiertes Mindset bzw. neue, veränderte Haltungen, sind bei Transformationen eher die Regel als die Ausnahme. Gerade in der digitalen Transformation sind es nicht nur die neuen Softwareprogramme und Abläufe, die es zu lernen gilt. Vielmehr muss sich das Verständnis bzw. Mindset herausbilden, das Lernen zur dauerhaften Entwicklungsbewegung macht. Früher erlernte man eine neue Oberfläche, die für die nächsten 10 bis 15 Jahre gültig war (Beispiel: SAP). Heute sind es eher unzählige »Apps«, die ein flexibles Einarbeiten erfordern. Was wir vom Smartphone bereits als selbstverständlich kennen, wird auch auf die Software im Business übergreifen. Auf dem privaten Smartphone haben wir gelernt, solange zu klicken und tippen, bis wir die (möglichst intuitive) Benutzerführung verstanden haben. Als Entscheider muss ich diesen Lernprozess unterstützen und den Mitarbeitenden auch im Unternehmen die Möglichkeiten zum Ausprobieren geben. Lernen ist ein Kulturmerkmal und ist daher eng verbunden mit der Feedback- und Fehlerkultur im Unternehmen.

Beispiele

  • Das Erlernen von neuer Software und neuen Prozessabfolgen
  • Führungs- und Feedback-Techniken
  • Methoden und Tools der Selbstführung
  • Reflexion des eigenen Mindsets in Bezug auf agile Vorgehensweisen

Lernen wird im besten Falle Teil der Unternehmenskultur. Die Formate zur Vermittlung von Kompetenzen (Wissen, Fähigkeiten und Haltung) sind dabei in jüngster Zeit vielfältiger geworden, wie die Trends zum »Corporate Learning« zeigen:

Zukunftsgestaltungsprozesse

Prozesse zur Gestaltung von Zukunftsvorstellungen dienen der Willensbildung innerhalb der Organisation und unterstützen die Verbindlichkeit (das »Commitment«) der Beteiligten. Gut gestaltet befördern sie also die Nachhaltigkeit und erhöhen die Erfolgsaussichten der späteren Umsetzung.

Vor wenigen Jahrzehnten noch waren Zukunftsgestaltungsprozesse die exklusive Domäne der Unternehmensführung. Heute setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass auch in der Gestaltung der Zukunftsideen eine frühe Beteiligung der Mitarbeitenden sinnvoll ist. Diese Einsicht bezieht sich nicht nur auf die Konzeptionierung neuer Ideen, sondern auch auf die nachhaltige Umsetzung im Verlauf der Veränderung. Kurz gesagt:

Menschen finden Ideen besser, an deren Entstehung sie selbst mitgewirkt haben.

Die neurobiologischen Grundbedürfnisse von Autonomie und Selbstwirksamkeit spielen hierbei eine zentrale Rolle. Das passende Ausmaß und die Art der Einbeziehung sind dabei stark vom jeweiligen Unternehmen abhängig. Die Aufgabe der Führung besteht darin, den Raum zur Beteiligung möglichst groß zu gestalten. Insbesondere die digitale Transformation erlaubt – oder erzwingt sogar – viele Freiheitsgrade – einfach aus dem Grund, dass viele Zukunftsideen noch in Bewegung sind und sich erst herausbilden müssen. Es gibt einfach keine Blaupause für die digitale Transformation. Umso wertvoller kann die Einbeziehung der Mitarbeitenden sein; in Bezug auf die Ideenfindung – und vor allem in Bezug auf die nachhaltige Umsetzung.

Beispiele

  • Workshops mit der Geschäftsführung zur Entwicklung einer Vision bzw. eines Leitbildes für das Unternehmen
  • Ausarbeitung einer aussagekräftigen Change Story mit dem Core Team
  • Großgruppenveranstaltungen (im Stile von Open Space und Barcamp), bei denen sich Mitarbeitende mit ihren Ideen einbringen können
  • Unterstützung von Initiativen, die seitens der Mitarbeitenden getrieben werden (vgl. »Working Out Loud« (WOL); mehr dazu im Beitrag zum Social Learning).

Realisationsprozesse

Die nachhaltige Verwirklichung der anvisierten Zukunftsidee ist das zentrale Anliegen jeder Transformation. Hier werden Projekte und Aufgaben realisiert und umgesetzt. Hier spielen auch Führungskräfte als Vorbilder für die neue Kultur eine große Rolle. Nicht selten ist ein moderneres Führungsverständnis sogar explizit Teil der Transformationsidee (vgl. unsere Serie zur Führung der Zukunft).

Wo früher Change-Projekte »ausgerollt« wurden, wird heute frühzeitig auf Beteiligung gesetzt. Und diese Beteiligung bezieht sich nicht nur auf die Wahrnehmung der Resonanz (wie bei den beschriebenen Kommunikationsprozessen), sondern bereits auf die Mitgestaltung der Zukunft sowie vor allem bei der Ausgestaltung der tatsächlichen Umsetzung der Ideen. Die Prozesse der Zukunftsgestaltung und der Realisation sind also eng verbunden und laufen in gewisser Weise parallel.

Häufig ist es sinnvoll, anvisierte Transformationen relativ zügig und in kleinen Schritten anzugehen und sichtbar zu machen. Die Realisation des Fortschritts sollte immer entsprechend wirksam kommuniziert werden (vgl. Informationsprozesse). Die digitale Transformation erlaubt dabei die Möglichkeit, Innovation auf innovativem Wege zu präsentieren. Als Entscheider kann ich Kommunikation so gestalten, dass Inhalt (digitale Transformation) und Medium hier eine Einheit bilden – im Sinne von »Walk the Talk«.

Beispiele

  • Kick-off-Veranstaltungen (»Big Bang Event«) geben den offiziellen Startschuss zur Umstellung einer Reorganisation oder zur Einführung einer neuen Software
  • Regelmäßige Updates zum Projektfortschritt über unterschiedliche Medien (Intranet bzw. ESN, Mailings, Veranstaltungen wie Open Office)
  • Symbolische Handlungen (»Schalter umlegen«) der Geschäftsführung

Change Management-Prozesse

Last but not least stehen die Change Management-Prozesse. Hierunter sind alle Maßnahmen zu verstehen, die der Planung, Steuerung, Koordination und Evaluierung der Transformation dienen. Im Grunde wäre der Begriff Transformationsmanagementprozesse zutreffender, da keineswegs nur befristete Change-Projekte betroffen sind. Der Aufbau eines Lenkungsorgans und ggf. einer weiteren Resonanzgruppe zählen dazu; aber auch der Kontakt zu den relevanten Entscheidungsträgern, um zügig Entscheidungen treffen zu können.

Aufgrund der zentralen Bedeutung dieser Aufgabe ist es wichtig, hier unternehmensintern stark aufgestellt zu sein oder sich externe professionelle Beratung dazu zu holen.

Typisches Vorgehen bei der Steuerung der Basisprozesse

Wie oben erwähnt, handelt es sich bei den Basisprozessen nicht um Phasen mit einer »natürlichen« Abfolge, sondern vielmehr um zwar verbundene, aber prinzipiell voneinander unabhängige Prozesse ohne chronologische Ordnung. Aus Sicht des Transformationsmanagements zeigen sich im Alltag der Organisationsentwicklung jedoch einige Abfolgen häufiger als andere und können als typisch bezeichnet werden. Dazu drei Beispiele.

Fall 1: Die Mitarbeitenden sind nach zahllosen Mitarbeiterbefragungen »umfragemüde«.
Statt einer erneuten Befragung (Diagnoseprozesse) ist es sinnvoll, an den Zweck der Veränderung zu erinnern (Zukunftsgestaltungsprozesse) und auf die emotionalen Befindlichkeiten der Mitarbeitenden einzugehen (Psychosoziale Prozesse). Zudem sollte es zügig sichtbare Veränderungen im Sinne von »Quick-wins« oder Sofortmaßnahmen geben (Realisationsprozesse), um den Glauben an die Veränderung zu stärken.

Fall 2: Das Klima zwischen den Beteiligten ist schlecht
und Konflikte verhindern die konstruktive Zusammenarbeit.

Zunächst steht die Klärung der Beziehungen im Vordergrund (Psychosoziale Prozesse), um wieder eine arbeitsfähige Basis für die Kooperation zu schaffen. Eine Befragung (Diagnoseprozesse) kann Klarheit über bislang unerkannte Stimmungen im Unternehmen bringen, die ggf. unabhängig vom individuellen Konfliktfall in der Organisation schwelen. Im Anschluss kann die Aufmerksamkeit dann auf die gemeinsame Zukunftsgestaltung gelenkt werden (z. B. Ausarbeitung einer Unternehmensvision/-strategie).

Fall 3: Die Mitarbeitenden misstrauen dem Veränderungswillen des Managements.
Wenn die Mitarbeitenden nach folgelosen Absichtserklärungen das Vertrauen in die Umsetzungsstärke der Führung verloren haben, können »starke« und sofortige Symbolhandlungen seitens des Managements »ein Zeichen setzen« und so das Vertrauen in den Veränderungswillen des Managements beleben (»Diesmal scheinen die da oben es erst zu meinen!«). Zukunftsgestaltungsprozesse und Realisationsprozesse sollten hier also zügig hintereinander erfolgen. Im Anschluss sollte das Management die Nähe zur Belegschaft suchen, um aufgebrochene Gräben zu überwinden (Psychosoziale Prozesse).

Natürlich sind die oben dargestellten Fälle stark vereinfacht und die Maßnahmen keineswegs als »Kochrezept« zu verstehen. Jeder Transformationsprozess ist individuell und bringt seine eigenen Herausforderungen – und Chancen – mit sich und erfordert ein individuelles Vorgehen. Zudem ist es wichtig im Hinterkopf zu behalten, dass jeder »Prozess« eine große Vielfalt an möglichen Maßnahmen umfassen kann.

Aus Sicht des Entscheiders ist es wichtig, alle Prozesse im Blick zu haben und durch interne und ggf. externe Transformationspartner koordinieren und steuern zu lassen. Je nach Transformation und Einzelfall kommen die Prozesse unterschiedlich zum Tragen. Allzu häufig scheitern Transformationen, weil einer oder mehrere der Aspekte ignoriert worden sind. Wenn Sie also Ihr Unternehmen transformieren wollen, achten Sie auf das professionelle Management der sieben Basisprozesse.

Daniel Goetz
Foto: anh-tuan-to-U by unsplash.com

Der Artikel erschien ursprünglich auf www.agateno.com.


 

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Warum die digitale Transformation kein Change ist – und wie Sie die Transformation meistern

Die digitale Transformation ist eine fundamentale Veränderung, die sich nur mit einem ganzheitlichen Modellansatz umfassend verstehen lässt. Die sieben Wesenselemente einer Organisation sowie deren wechselseitiger Zusammenhang lassen sich anhand des Beispiels der digitalen Transformation einer Einkaufsabteilung gut verstehen.

Zukunftsträchtige Unternehmen weisen ein besonderes Mindset auf, das Innovationen fördert. Innovative Unternehmen zeichnen sich durch eine Innovationskultur aus, die den Narren im Unternehmen Raum zur Entfaltung gibt und die Musterunterbrechungen unterstützt. Musterunterbrechungen fördern Innovationen. Auch das agile Arbeiten erfordert ein völlig neues Vorgehen. Denn gegenüber der traditionellen Herangehensweise ist beispielsweise das iterative Vorgehen der agilen Methode Scrum mit »Retros« und »Reviews« eine deutliche Musterunterbrechung. Darüber hinaus benötigt Selbstorganisation – sei es beim agilen Arbeiten oder auch ohne das spezifisch iterative Element – eine neue Beziehungskultur. D.h. es braucht neue Muster in der Beziehungsgestaltung. Last but not least spielen Musterunterbrechungen auch eine große Rolle beim Megathema: digitale Transformation. Dazu mehr in diesem Blogbeitrag. Beim Stichwort Innovationen denkt man häufig daran, »etwas« zu erfinden. Die digitale Transformation ist jedoch ein gutes Beispiel dafür, dass man auch »sich selbst neu erfinden« muss, um Schritt halten zu können und noch in die Zeit zu passen.

Transformation bedeutet mehr als nur Change

Der klassische »Change« beschreibt in der Regel eine lineare Veränderung von einem Ausgangszustand zu einem anvisierten Zielzustand. Bei einer echten »Transformation« hingegen weiß man vom Ausgangszustand aus betrachtet noch gar nicht so richtig, in welchem Zielzustand man landen wird. Das liegt daran, dass die Transformation hochkomplex ist und durch zahlreiche unvorhersehbare Parameter beeinflusst wird – Stichwort »VUCA-Bedingungen«.

Für diese umfassende Betrachtung der Transformation ist es nützlich, ein Modell zu haben. Wir verwenden dazu das »Systemkonzept« nach Trigon (Professor Glasl). Es beinhaltet die sieben Wesenselemente einer Organisation. Es ist sinnvoll, alle sieben Wesenselemente zu beobachten und zu analysieren, ob und inwiefern sie sich im Rahmen der Transformation verändern.

Die sieben Wesenselemente einer Organisation

Hier ein erster Überblick über den Charakter der sieben Wesenselemente einer Organisation:

1. Identität (hierzu zählen auch Konzepte wie Vision, Mission, Leitbild, Purpose der Organisation): Was ist unser fundamentales Selbstverständnis als Organisation? Was ist unser Beitrag für die Gesellschaft oder (etwas profaner) das Wirtschaftssystem, in dem wir tätig sind?

2. Strategie (auch Unternehmenspolitik): Wie lautet unser Businessmodell? Welche Prinzipien oder Grundregeln sollen uns beim Wirtschaften leiten?

Diese beiden Wesenselemente lassen sich als der Kopf der Organisation beschreiben (bzw. als »kulturelles Subsystem« in der Taxonomie von Glasl).

3. Strukturen: Hierzu zählen die Aufbaustruktur (das Organigramm), das Layout der Organisation sowie die Gestaltung der Führungshierarchie.

4. Funktionen: Wie sind die Aufgaben in Einzelfunktionen und Organe aufgeteilt?

5. Menschen: Wie lässt sich das Klima im Unternehmen beschreiben? Wie der Führungsstil? Wie ist das Mindset (Grundhaltung, Einstellung) der Mitarbeitenden? Wie wird mit Ambivalenzen (u. a. Konflikten und Diversität) umgegangen?

Diese drei Wesenselemente lassen sich als das Herz der Organisation beschreiben (»soziales Subsystem« in der Taxonomie von Glasl).

6. Prozesse: Wie sind die Arbeitsabläufe im Unternehmen gestaltet? Wie (transparent) wird informiert? Wer wird wann einbezogen? Wie werden Meetings gestaltet?

7. Physische Mittel: Wie (modern) ist die Infrastruktur im Unternehmen? Wie die Ausstattung mit Hard- und Software? Wie viele Standorte existieren und wie sind diese regional verteilt? Wie sind die Arbeitsplätze (Großraum- vs. Einzelbüros vs. Home Office) gestaltet?

Diese beiden Wesenselemente lassen sich als die Hand der Organisation beschreiben (»technisch-instrumentelles Subsystem« in der Taxonomie von Glasl)

Identität, Struktur und physische Mittel lassen sich als die stabilisierenden (und langfristig eher konstanten) Aspekte des Systems beschreiben, während Strategie, Funktionen und Prozesse demgegenüber eher kurzfristig und dynamisierend für das System der Organisation wirken. Es wird schnell deutlich, dass die verschiedenen Elemente interdependent sind – also wechselseitig voneinander abhängig: Verändere ich ein Element, so verändern sich auch andere Elemente des Systems direkt mit. Es geht also um die bewusste Analyse und Veränderung des gesamten Systems der Organisation. Eine isolierte Veränderung eines einzelnen Wesenselements ist nicht möglich. In der Businesspraxis wird jedoch leider häufig so getan, als könne man nur ein einzelnes Element verändern, ohne die übrigen anzutasten oder zu berücksichtigen.

Der praktische Nutzen des Systemkonzepts

Ein Modell wie dieses ist nicht dazu gedacht, einfache Antworten zu liefern. Vielmehr hilft es Entscheidern dabei, kluge Fragen zu stellen. Denn die richtigen, weil wichtigen Fragen sind häufig viel relevanter für den Erfolg eines Unternehmens als die schnellen Antworten. Daher ist auch die Frage »Was ist die beste Konstellation der sieben Wesenselemente?« ohne Berücksichtigung eines konkreten Kontextes sinnlos.

Es wird klar, dass es auf diese Frage nicht die eine »objektive« Antwort geben kann – sondern nur eine höchst individuelle und spezifisch auf das Unternehmen bezogene, temporäre Antwort. Daher müsste eine nützlicher formulierte Frage lauten: »Welche Konstellation ist für uns in der jetzigen Situation – vor dem Hintergrund unserer Historie und unserer daraus erwachsenen Ressourcen sowie mit klarer Ausrichtung auf unsere gewünschte Zukunft – angemessen und nutzenstiftend?«

Die digitale Transformation einer Einkaufsabteilung analysiert mit dem Modell der sieben Wesenselemente

Anhand eines Beispiels lässt sich das Modell der sieben Wesenselemente verstehen: Stellen wir uns dazu eine Einkaufsabteilung eines großen Industrieunternehmens vor, die durch eine digitale Transformation geht. Der Kosten- und Effizienzdruck auf die Einkaufsabteilungen steigt. Gleichzeitig wachsen die Möglichkeiten durch die digitale Transformation. Big Data, künstliche Intelligenz und Plattformökonomie sind nur einige der Schlagworte, die in diesem Zusammenhang fallen. Doch schon heute haben diese Schlagworte einen ganz konkreten Einfluss auf den Arbeitskontext und die Arbeitsgestaltung der Menschen.

Wie die Plattformökonomie den Einkauf verändert

Doch was sind die Auswirkungen einer konsequent durchdachten Plattformökonomie? Die Preisgestaltung wird zunehmend transparenter. Die Wertschöpfungsketten werden zunehmend integrierter – und bilden sich zu Wertschöpfungsnetzwerken aus. Die Kostenstruktur der Lieferanten, aber auch jene der Produzenten werden immer öffentlicher. Das »Pokerface« bei der Einkaufsverhandlung wird überflüssig, da jeder sein Blatt ohnehin offen auf den Tisch legt. Die Regeln des Spiels ändern sich fundamental. Vielleicht stellt man sogar fest, dass man ein neues Spiel erfinden muss, um weiterhin im Spiel bleiben zu können. Und dieser Punkt ist äußerst wichtig zu beachten: Es geht nicht nur um eine reine Digitalisierung der bestehenden Prozesse. Vielmehr gilt es, die Möglichkeiten der Digitalisierung voll auszuschöpfen. Und dies geht häufig mit einer Anpassung der Geschäftsmodelle einher.

Es sind also keineswegs nur die »Prozesse«, die angepasst werden müssen – auch wenn dies natürlich auf den ersten Blick die auffälligsten Veränderungen sind. Vielmehr ziehen die Veränderungen der Prozesse häufig auch Veränderungen der Hard- und Software nach sich (»physische Mittel«): Daten werden automatisiert aggregiert, analysiert und ausgegeben, so dass sich die Mitarbeitenden schnell einen Überblick verschaffen können. Das verändert die Entscheidungswege und auch die Art und Weise, wie sich die Menschen in der Abteilung abstimmen und zusammenarbeiten.

Doch das sind nur die offensichtlichen Veränderungen. Die veränderte Arbeitsweise kann Veränderungen im Zuschnitt der Einkaufsabteilung sinnvoll machen (z. B. Abbau von Silos – oder umgekehrt auch Aufbau von spezialisierten Unterabteilungen). Neben den »Funktionen« können davon auch Veränderungen der »Struktur« (Organigramm) betroffen sein. Es ist sogar möglich, dass die »Strategie« des Einkaufs angepasst werden muss, da Wertschöpfung nun auf andere Weise – nicht mehr durch »hartes Verhandeln« – geschieht.

Eine Transformation berührt das Selbstverständnis der Mitarbeitenden

Die fundamentalste Änderung betrifft jedoch die Menschen selbst – und zwar ihr »Selbstverständnis«, also ihre berufliche »Identität« als Einkäufer. Das Selbstverständnis als Einkäufer verändert sich nämlich durch die digitale Transformation. Wo der Einkäufer früher dafür bekannt war, gute Ergebnisse dadurch zu erzielen, auch in harten Verhandlungen ein Pokerface zu behalten, wird zukünftig durch die Plattformökonomien der beste Preis transparent und automatisch ausgehandelt. Der Mensch als Verhandler im engeren Sinne wird nicht mehr benötigt. Der Einkäufer muss seine Rolle und seine Funktion in diesem System also neu definieren. Zukünftig wird der Einkäufer vor allem als Problemlöser und Beziehungsmanager benötigt. Der Mensch wird vor allem dann gefordert sein, wenn Probleme mit dem Lieferanten bzw. dessen Produkten auftauchen. Dies erfordert völlig neue Kompetenzen bei den Einkäufern; andere Werte werden relevant für die Arbeit.

Kurzum: das Selbstbild des Einkäufers wandelt sich fundamental. Für den einzelnen Mitarbeiter und die einzelne Mitarbeiterin bedeutet dies, sich völlig neu erfinden zu müssen. Alte Kompetenzen und Patentrezepte funktionieren nicht mehr. Bisherige Werte müssen sich wandeln. Dem und der Einzelnen kann dies jedoch nur gelingen, wenn auch in dem Unternehmen selbst diese Werte gelebt werden. Sinnvollerweise ergeben sich durch die hier skizzierte digitale Transformation auch Auswirkungen auf die Kultur (und die »Menschen« in der Taxonomie des Systemkonzepts) des Unternehmens.

Die Gewinner dieser Transformation sind diejenigen, die sich an die neue Situation am schnellsten anpassen können. Wer seine (berufliche) Identität hier nicht als monolithisch, sondern als fluide begreift, hat die Vorteile auf seiner Hand. Auf dieses »fluide Selbst« werden wir in einem der kommenden Blogbeiträge näher eingehen. Hier werden wir auch Parallelen zum Konzept des »Transhumanismus« aufzeigen.

Die neurologischen Grundbedürfnisse des Menschen müssen in der Transformation geschützt werden

Die Führungskräfte sind in einer Transformation gefordert, nicht nur Vorbilder für die Transformation zu sein. Zudem muss die Führung die neurobiologischen Grundbedürfnisse der Menschen schützen und befriedigen. Das menschliche Bedürfnis nach Sicherheit und Gewissheit wird in der Transformation auf die Probe gestellt. Die Führung kann durch die Betonung und Förderung von »Verbundenheit« der Verunsicherung der Mannschaft entgegenwirken. Vor allem, wenn der wahrgenommene Status oder »Selbstwert« von Mitarbeitern – z. B. durch veränderte Rollen – in Gefahr ist, braucht es Fingerspitzengefühl seitens der Führung. Besonders in Zeiten von Transformationsprozessen ist es wichtig, Mitarbeitende aktiv mit einzubinden (Bedürfnis nach »Selbstwirksamkeit«).

Daniel Goetz
Foto: Ashwin Vaswani by unsplash.com

Der Artikel erschien ursprünglich auf www.agateno.com.


 

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