Der typische Ruhri ist ein Sprach- und Sprechökonom. Er benutzt gern Einwortsätze. Interpunktion und Grammatik sind Sache des Gefühls und nicht der Regel. Die Buchstaben S und T liegen im Alphabet so nah beieinander, dass er sie so einsetzt, wie es ihm gerade passt und nicht nach Politischer Korrektheit. Er trägt sein Herz auf der Zunge, macht also keinen Unterschied zwischen Impuls und Handlung und sagt direkt, wenn ihm was nicht passt. Und das herzlich ungeschminkt und ungefragt. Bekommt er den richtigen Impuls, lässt er jegliche Ökonomie sausen und redet ohne . und , drauflos, benutzt selten Leerzeichen zwischen einzelnen Worten und ist nicht mehr zu stoppen. Atmung entfällt. Ein liebenswerter Zeitgenosse also. Ich bin einer von ihnen – mein Taxifahrer allerdings auch.

Komme nach einer erfolgreichen Woche, quer durch die Republik, ziemlich abgekämpft Freitagabend kurz vor Mitternacht im Bahnhof Oberhausen an. Die DB hat mich wie so oft schmählich im Stich gelassen und für reichlich Verspätung gesorgt. Jetzt auf zum Taxi und ab nach Hause. Der Taxifahrer packt mein Koffergedöns ein und fährt los:

»Und?«

»Und wat?«

»Wohin?«

»Nach Hause!«

»Wo is dat?«

Gebe ihm die Adresse. Das Eis ist gebrochen.

»Urlaub?«

»Nee!«

»Arbeit?«

»Ja!«

»Montage?«

»Nee!«

»Wat’n dann?«

Will mir lange Erklärungen sparen und antworte mit Unternehmensberatung statt Organisationsentwicklung und Managementberatung. Böse Falle! Hätte bei Urlaub »ja« sagen sollen. Zu spät.

»WatsonArschbistduDathättichjanichtvondirgedachtMeinersterEindruckvondirwareinvölligandererGutdattichgefragthabe.«

»Hä? Wat is los?«

Hat er nicht gehört, redet einfach weiter.

»DerArschvon … hataucheineUnternehmensberatungreingeholtUndwatisdatEndevomLiedKuckdiran… watmitBabcockpassiertisArbeitsplätzewegdieZuliefererwartenheutenochaufihrGeldeinigemussten Konkursanmelden …«

»Und? Wat hab ich damit zu tun?«

Komme nicht mehr dazwischen. Er ledert weiter auf mich los. Erinnere mich an längst vergangene Zeiten, als meine Eltern mich mit schier endlosen Tiraden beglückten, wenn ich etwas angestellt hatte, von dem ich nicht mal ahnte, dass es Tiraden würdig war. Glücklicherweise fällt mir ein, wie ich damals reagiert hatte. Stelle meine Ohren auf Durchzug. Tue so, als ob es zwischen zwei Ohren keine Materie gibt. Links rein, rechts raus. Funktioniert nur teilweise. Den Inhalt seiner Worte höre ich nicht mehr, seine vorwurfsvolle Stimme schon. Kucke aus dem Seitenfenster gen Himmel und murmle leise vor mich hin: »Scotty, beam me up!«

Scotty antwortet nicht. Repariert sehr wahrscheinlich mit nem 9ner Schraubenschlüssel den Warp Antrieb. Den hätte ich jetzt gern. Is leider kaputt. Wenn ich einen brauche, funktioniert mal wieder keiner.

Nach gefühlt zehn Lichtjahren komme ich Zuhause an. Zahle schweigend. Der Taxifahrer schenkt mir zum Abschied noch ein: »So, jetzt weißte Bescheid!« hinterher und fährt los. Stehe mit meinem Koffergedöns vor unserem Haus und blicke etwas verloren in den Nachthimmel: »Scotty!!! Wenn ich sage beamen, dann meine ich auch beamen! Tu’s einfach!«

Scotty beamt mich in unser Gemäuer, dort angekommen begrüßt mich mein Schatz mit einem fröhlichen: »Na? Wie war dein Urlaub?«

Schaue ihr tief in die Augen und denke: Is ein Alien. Sage allerdings: »Von wegen Urlaub! Montage!«

Als ich ihr damals zum ersten Mal begegnete, dachte ich, sie is vom anderen Stern. Spätestens jetzt weiß ich es.

In diesem Sinne, falls mich jemand fragen sollte: Was arbeitest du? Ich bin derweil auf Montage.

Dieter Hetzel
Foto: Grant Lemons by unsplash.com