Im letzten Blogbeitrag zum Thema Talent Management habe ich die Grundlagen des agilen Talent Managements beschrieben: ein entwicklungsorientierter Talentbegriff, das Talent Enabling, die Selbstorganisation und eine unterstützende Talentkultur. Ausgehend davon, möchte ich weitere Überlegungen bezüglich der konkreten Umsetzung in der Organisation anstellen.

Talent Management mit flexiblen Formaten

In agilen Umgebungen gestaltet sich Talent Management, oder besser Talent Enabling, dynamisch und nicht prozesshaft. Die vorgegeben Talent Management-Jahreszyklen sind damit in Frage zu stellen. Mitarbeitergespräche zu einem bestimmen Zeitpunkt im Jahr durchzuführen macht wenig Sinn, wenn Arbeitsstrukturen sich dynamisch ändern und Projektzyklen 30-Tage-Sprints sind. Dennoch ist das Mitarbeitergespräch weiterhin wichtig. Allerdings als prinzipielles Format und nicht als Prozessschritt. Das heißt, Feedback findet statt, individuelle Entwicklungswünsche und Trainingsbedarfe werden besprochen, Mitarbeiter beurteilt, wenn es einen Anlass dazu gibt. Nicht nur der Zeitpunkt, sondern auch die personelle Zusammensetzung der Formate ist variabel. So können bei Bedarf auch Teamkollegen miteinbezogen werden. Mitarbeiter und Führungskräfte müssen befähigt werden, diese Talentformate flexibel anzuwenden und sie sich nach Bedarf zu eigen zu machen.

Noch mehr als in traditionellen Organisationsformen, darf daher das Talent-IT-System nicht strukturgebend für Talententwicklung sein. Die Interaktion und das Erfahrungslernen stehen im Mittelpunkt. Und hieraus ergibt sich eine neue Flexibilität im Talent Management und in den unterstützenden Systemen. Anpassungsfähige und abrufbare Talentformate sind wichtiger als ein durchgängiger Talentprozess.

Neue Rollen im intrinsischen Karrieremanagement

Die im vorherigen Beitrag beschriebene Entwicklungsorientierung und die Selbstorganisation im Talent Management fordert neue Kompetenzen in der Organisation. Mitarbeiter sind nun stärker selbstverantwortlich für ihre berufliche Entwicklung. In traditionellen Unternehmen wird sich in der Karriereplanung häufig noch auf die Mechanismen des Systems verlassen: vorgezeichnete Karrierepfade, Promotionszyklen, Ernennung als High Potential, die den Mitarbeiter bei guter Leistung schon an den richtigen (und wichtigen) Platz in der Organisation bringen werden. In agilen Umgebungen funktionieren solche linearen Formate nicht mehr. Der Mitarbeiter muss selbstständig das eigene Kompetenzprofil herausbilden sowie persönliche Motive und Werte ehrlich und detailliert benennen können, um daraus Karriereziele und Aktionspläne abzuleiten. Diese Innensteuerung an den Tag zu legen verlangt ein Umdenken und neues Handeln. Angebote für Mitarbeiter zur Karriereplanung wie z.B. Standortbestimmung, Peercoaching, Jobhospitationen und Mentoring helfen hier, den Mitarbeiter in seiner Selbstorganisation zu stärken.

Aber auch Führungskräfte müssen umlernen und die Rolle eines Talentcoaches einnehmen. Wie ein professioneller Coach sind sie kein Entscheider in Karrierefragen, sondern begleiten den Mitarbeiter mit regelmäßigem Feedback und ressourcenorientierter Gesprächsführung. Sie helfen Lernfelder zu identifizieren und Lernerfolge zu erzielen, bieten Lernoptionen z.B. über neue Projekte an. Führungskräfte benötigen unter Umständen Unterstützung, z.B. durch Training, um diese Rolle umzusetzen. Allerdings ist hier neben dem Erlernen von konkreten Fähigkeiten auch eine neue Sicht auf die Führungsrolle, wie allgemein in agilen Unternehmen, nötig. Die Führungskraft nimmt nun auch im Talent Management eine moderierende und unterstützende Funktion ein.

Im agilen Talent Management sind also neue Formate und Interventionen gefragt. Neue Haltungen und Rollen müssen eingenommen und angenommen werden, um Flexibilität und Eigenverantwortung erfolgreich umsetzen zu können.

Anke Wolf