»Von einem der auszog, Agilität zu lernen«

»Agilität« und »Controlling« – das passt! Hatte das nicht zuletzt der diesjährige, große Münchner »Congress der Controller« schon mit seinem Titel, »Agiles Controlling in der digitalen Realität – Umbrüche erfolgreich managen«, postuliert? Oder passt es doch nicht – wie es in mancher kritischen Diskussion immer wieder heißt …? Ich habe ein fantastisches Angebot bekommen: Tief eintauchen ins Thema mit einer professionellen Ausbildung zum »Agile Culture Coach«! In Blog-Beiträgen werde ich hier davon berichten.

Ein Jahr lang beschäftigt mich diese Ausbildung mit fünf mehrtägigen Modulen: »Agile Führung und Beteiligung«, »Agilität und Persönlichkeit«, »Agile Methoden und Scrum«, »Agile Teams und Konflikte«, »Agile Organisation und Kultur«. Gemeinsam mit 13 anderen Teilnehmern erlebe ich diese Ausbildung durch die SYNNECTA, einer Beratung für Organisationsentwicklung und Change Management in Köln. Zum dritten Mal findet der Kurs inzwischen statt, den die Gastgeber mit sichtbarem Stolz als »das Original« bezeichnen.

»Agile Führung und Beteiligung«

Das erste 3-Tages-Modul ist mit »Agile Führung und Beteiligung« überschrieben. Ein spannender Einstieg, bei dem es schon um viel mehr geht, als nur um eine Orientierung einschließlich Begriffsklärungen. Behandelt werden: »Agile strategy« – Wie stellen wir uns auf?, »Agile leadership« – Was heißt das alles für die Führung? sowie »Agile mindset« – Warum Agilität? Was ist Agilität? Wie plane ich eine unvorhersehbare Zukunft?

Ja, was ist eigentlich »Agilität«? Verbreitet herrscht ein schwammiges Verständnis vor. Und es stimmt schon, was die beiden Trainer, Renate Standfest und Dr. Johannes Ries, sagen: Oft werde das Wort »agil« sogar als Entschuldigung für nicht eingehaltene Termine, Verpflichtungen missbraucht. Überzeugend machen sie klar, dass »jenseits von Effekthascherei und Bullshit Bingo« hinter dem Begriff »wertvolle Gedanken und Konzepte« stecken, die Teams, Organisationen und Führungskräfte in der heutigen Zeit – sie nennen diese »VUCA-Situation« – handlungsfähig machen.

Unsere »heutige Zeit«, geprägt von Digitalisierung, politischen Umbrüchen, Klimawandel usw., wird bekanntlich als »VUCA-Welt« bezeichnet. Sie ist geprägt von »Volatility« – Instabilität, rasche, grundlegende Veränderlichkeit, von »Uncertainty« – Ungewissheit, ja Unberechenbarkeit, von »Complexity« – Komplexität und von »Ambiguity« – es gibt keine einfachen Ursache-Wirkungszusammenhänge mehr, deshalb dominiert Mehrdeutigkeit. Wenn in dieser VUCA-Welt »lineare Methoden« nicht mehr funktionieren; welche sind es dann?

»Agilität«? – Was ist das eigentlich? Unsere Kursleiter verweigern »die eine, 100-prozentige« Definition. Sie verweisen vielmehr auf die »Dimensionen von Agilität« und empfehlen als Grundlage das »Agile Manifest«. Dieses »Manifest für Agile Softwareentwicklung« (2001 unterschrieben von 17 Personen aus dem Programmierer-Umfeld) verweist auf einige Schwerpunkte:

  • Sie erachten »Individuen und Interaktionen« wichtiger als Prozesse und Werkzeuge;
  • einem »funktionierenden Produkt« räumen sie einen größeren Stellenwert ein, als umfassenden Dokumentationen;
  • sie favorisieren die »Zusammenarbeit mit dem Kunden« viel stärker als jede (Vertrags)verhandlung;
  • dem »Reagieren auf Veränderung« räumen sie den klaren Vorrang gegenüber dem Befolgen eines Plans ein.

Abgeleitet aus diesem Manifest zählen die SYNNECTA-Experten 12 Prinzipien auf: Kundenzufriedenheit, Offenheit für Veränderung, iteratives Entwickeln, intensive Zusammenarbeit, Fokus auf ein motivierendes Umfeld, Face-to-face-Kommunikation, funktionierende Produkte als Fortschrittsmaß, gleichmäßiges Tempo, technische Exzellenz und gutes Design, Einfachheit, Selbstorganisation und Selbstreflexion. »Diese Auflistung fasst gut das Mindset zusammen, welches für das Funktionieren aller agilen Praktiken und Konfigurationen notwendig ist«, so Ries.

Effectuation: von Mittelorientierung, leistbarem Verlust u.a.

Die Ausbildung ist agilen Praktiken und Methoden gewidmet, die genannten Prinzipien zu realisieren. Aus der Softwareentwicklung stammend und inzwischen darüber hinauswirkend stammt etwa »Scrum«. Diese agile Methode (wird in Modul III der Ausbildung gründlich behandelt) versucht die »Aufwandskurve« so gering wie möglich zu halten.

Ein höchst interessantes Thema im ersten Modul meiner Agile-Coach-Ausbildung ist »Effectuation«. Auch dabei geht es um ganz praktische Konsequenzen aus der sich verändernden Welt – insbesondere unserer Arbeitswelt. »Nicht das ›entweder oder‹, sondern das ›sowohl als auch‹ beherrscht sie«, erklärt SYNNECTA-Expertin Renate Standfest. »Wo die Zukunft ungewiss, die Umwelt gestaltbar und die Ziele verhandelbar sind, haben wir ein ideales Feld für Effectuation.« Während wir »linear-kausale Prozesse« der Problemlösung gewöhnt sind, gelte es nun, Umstände, Zufälle und Ungeplantes als Gelegenheiten zu nutzen und sich eben nicht dagegen abzugrenzen. Großes Interesse wecken bei mir die vorgestellten vier Prinzipien von Effectuation:

  • Prinzip der Mittelorientierung: Anstatt Mittel und Wege auszuwählen bzw. zu schaffen um ein vorher festgelegtes Ziel zu erreichen, gilt es hier, Ziele und Ergebnisse zu finden, die sich mit einem gegebenen Set an Mitteln erreichen lassen.
  • Prinzip des leistbaren Verlusts: Man orientiert seinen Einsatz am leistbaren Verlust – und nicht am erwarteten Ertrag.
  • Prinzip der Umstände und Zufälle: Umstände, Zufälle und Unerwartetes als Chancen nutzen, anstatt sich dagegen abzugrenzen.
  • Prinzip der Vereinbarungen und Partnerschaften: mit denen eingehen, die bereit sind mitzumachen.

Das Modul I meiner Agile-Culture-Coach-Ausbildung ist aufgeladen mit einer Menge höchst interessanter Impulse. Ich bin überzeugt; das passt für die Controlling-Welt! Der gebotene Stoff: fesselnd und reichlich für die ersten drei Tage. Viel, viel Neues erfahre ich: von Dimensionen und Prinzipien der Agilität über Effectuation und faszinierenden Methoden wie Landscaping, Stacey-Matrix, Daily Meetup etc. bis hin zu Spielerischem wie dem Team-bildenden »Marshmellow-Spaghetti-Contest« oder auch dem ganz persönlichen Vorstellen der einzelnen Kursteilnehmer mit Hilfe von Lego- und Duplo-Bausteinen.

(Bild: »Autoren-Selfie«. Wie sich der Autor den Kursteilnehmern »präsentierte«.)

Hans-Peter Sander
blog.icv-controlling.com

6. SYNNECTA Tischrunde: Komplexität? Agilität!

Im Rahmen unserer Reihe »SYNNECTA Tischrunde« für HR-Entscheider und Führungskräfte möchten wir Sie herzlichst zum folgenden Thema einladen:

Komplexität? Agilität!
HR im Aufbau einer agilen Unternehmenskultur

Mit bewährten Methoden wie Design Thinking, SCRUM oder Kanban werden agile Arbeitsweisen ins Unternehmen eingeführt. Jedoch wird dabei häufig das volle Potenzial der Methoden nicht ausgeschöpft. Einer der Gründe liegt darin, dass der erfolgskritische Faktor – ein agiles Mindset – als schon gegeben vorausgesetzt wird.

In dieser HR-Tischrunde stellen wir das agile Mindset ganzheitlich in den Fokus und fragen, wie sich dieses initialisieren und entwickeln lässt.

  • Wo macht Agilität überhaupt Sinn – und wo auch nicht?
  • Wie sieht eine Umgebung aus, in der Menschen in agiles Handeln kommen können?
  • Wie werden im agilen Kontext Entscheidungen getroffen?
  • Wie begegnen wir dabei entstehenden Konflikten?
  • Und schließlich: Wie können Führungskräfte das Spannungsfeld zwischen effizienter Standardisierung und hierarchieverändernder Agilität produktiv gestalten?

Auf diese Fragen möchten wir mit Ihnen gemeinsam im Dialog zwischen Philosophie, Kampfkunst und Unternehmertum Antworten finden. Dabei werden wir das Thema selbst agil angehen und sogar körperlich erfahren.

Moderation: Maria Wagner, Dr. Jörg Müngersdorff, Dr. Johannes Ries (Ethnologe), Prof. Dr. Thomas Christaller (Aikidomeister)
Wann: am 12. Oktober 2017, von 10:00 – 17:00 Uhr
Wo: Zentrum für Bewegung und Lebenskunst, Kessenicher Straße 217, 53129 Bonn
Kosten: 250 EUR zzgl. MwSt., ohne Unterkunft.
Informationen & Anmeldung & Unterkunft: Wenden Sie sich hierfür bitte bis zum 18. September 2017 an unser Office Team in Köln:

Werkhaus 2017 – Stimmungsvolle Impulse. Keine Buzzwords.

Das erste SYNNECTA Werkhaus hat stattgefunden. Ein wertvolles Geschenk, die rege Gestaltung durch viele unterschiedliche Menschen, die im Altenberger Hof in Köln am 19. Mai 2017 zusammenkamen. Darüber freuen wir uns.

Entlang der Trends des Jahrtausends waren unsere Räume ausgerichtet: Agilität, Blended Learning, Diversität, Unternehmen in der Gesellschaft. Die Teilnehmenden bewegen sich im Open Space Prinzip durch die Räume, stellen sich und anderen Fragen, sind eingeladen auch die unmöglichen Antworten zu umarmen. Im Werkhaus sind wir kritisch, ehrlich und »agil«, probieren neue Arbeitstechniken, testen Ideen und prüfen Trends.

Oder lassen Trends entstehen. Denn eine Sache ist kaum trendig, aber nicht weniger wichtig, im beruflichen Kontext Fragen zur sexuellen Orientierung zu stellen. Weil das Thema einen bedeutenden Teil menschlicher Identität betrifft, haben wir nachgefragt, online und (zum dran gewöhnen) anonym. Damit wollen wir uns für die Relevanz des Themas für Organisationen aussprechen.

Wer Unternehmen bewegen will, muss Menschen bewegen, so unsere Idee als Organisationsentwickler. Dazu braucht es Menschen, die bereit sind, ihr Denken und Handeln kritisch zu hinterfragen. Robert Franken, Feminist und Experte für digitale Potenzialentfaltung, weist uns in seinem Impulsvortrag auf die Notwendigkeit hin, sich dem eigenen Unconscious Bias bewusst zu werden. In welcher (gesellschaftlichen) Ordnung entstehen meine Gedanken über mich und andere? Auch wenn es mit Unbehagen besetzt ist, sich den eigenen Vorurteilen zu stellen: Erst wenn wir den Deutungsrahmen halbwegs verstanden haben, können wir Änderungen erwarten.

Wie fühlt es sich an, durch einen 400qm Raum zu stolpern? Michael Moritz lädt uns dazu ein, die Angst und Bedenken zuzulassen, um sie loszulassen. Lass dich fallen, du fängst dich schon auf. Der Schauspieler übt mit uns, wie wir stolpern, sogar hinfallen. Die Bedeutung von »Risiko + Mut« im eigenen Leben wahrzunehmen, welche Risiken gehe ich ein, wann bin ich mutig, wie stehe ich auf und gehe weiter – all das körperlich zu spüren und sich dem hinzugeben, dazu hat uns Michael Moritz in seiner anregenden Session motiviert.

Mit dem Blick auf Unternehmen im Wandel bleibt das Thema »Agilität« nicht aus. Wann nützt es »agil« zu sein, haben wir uns gefragt. Und haben den Praxistest gemacht. In komplexen Situationen bieten agile Vorgehensweisen und Methoden diverse Vorteile. Das haben uns die engagierten Teilnehmenden unserer Ausbildungsgruppe »Agile Culture Coach« (Staffel 2) mit dem Ubongo Flow Game gezeigt. Learning: Selbstorganisation steigert Verantwortungsbewusstsein, Motivation und Zufriedenheit.

Vom einzelnen Menschen hin zur Gesellschaft: Im Filminterview (Produktion von Filmkontor), sprach Rüdiger Müngersdorff mit Martina Merz, Maschinenbauerin, ehemalige CEO, Aufsichtsrätin. Die Frage: Was ist wichtig in der heutigen VUCA-Welt? Ihre Antwort: »Denken, und am besten auch noch Denken ohne Geländer.« Eine gute Voraussetzung, wenn es um strategische Bedeutung von Sinn und um gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen geht.

Es sind die kritischen Themen, die uns bewegen. In Formaten wie dem Werkhaus möchten wir als OrganisationsentwicklerInnen dazu anregen, sich damit zu befassen, was Menschen betrifft. Gedacht ist keine Wiederholung von modernen Buzzwords, sondern das Raum-öffnen für eben diese menschliche Fragen und Antworten. Weil in Unternehmen Menschen arbeiten.

Neben all den Diskursen und interessanten Impulsen haben wir uns am Abend mit der Geburtstagsfeier von Jörg Müngersdorff ein weiteres Geschenk gemacht, geselliges Zusammenkommen mit KollegInnen, unseren Kunden, Freundinnen und Freunden. Angestimmt mit Musik von Tobias Langguth, der unseren Abend mit Jazz, Bossa Nova und Blues begleitete.

Erhalten Sie hier Einblicke und Details aus den einzelnen Workshops:

Agilität – Sei Pippi nicht Annika!

In vier Sprints haben wir mit den Teilnehmern engagiert debattiert und verschiedene Dimensionen der Agilen Transformation beleuchtet.

  • Organisation
  • Führung
  • Zusammenarbeit
  • Mindset

Die lebendige Diskussion wurde live in Skizzen durch Susanne Ferrari – eine professionelle Zeichnerin der Visual Facilitators festgehalten. Ausgangspunkt jedes einzelnen Sprints war die Frage, warum das Thema Agilität aktuell in allen Unternehmen und Organisationen so heiß diskutiert wird.

Dabei wurde schnell deutlich, dass Agilität mehr als ein Buzzword ist. Unsere Welt wird immer mehr zur VUCA-World, Planbarkeit und Sicherheit gehören mehr und mehr der Vergangenheit an. In Zukunft sind Prognosen kaum mehr möglich, unklare Ziele und Regeln, die sich laufend ändern, sind die neue Realität. Erfolgreiche Organisationen ermöglichen Beteiligung und Resonanz, sie entwickeln ein gesundes Maß an Resilienz. Für Unternehmen ist Agilität existentiell! Dies kann auf den ersten Blick bedrohlich wirken, aber es steckt auch eine Riesen-Chance darin. Der Umgang mit Disruption und Vielfalt macht den entscheidenden Unterschied. Raus aus dem Labor, hin zum Feldversuch, sich einlassen auf iterative Prozesse, Lösungen für Probleme, die vor einer Stunde noch nicht bekannt waren, entwickeln und neue Ökosysteme entdecken – die Kraft der ungebremsten Beteiligung spüren, das ist Vitalität!

Das Ergebnis unserer vier Sprints macht deutlich – Agilität ist mehr als neue Methoden und Prozesse. Erfolgreiche agile Transformation gelingt dann, wenn die Organisation sich einer neuen Kultur öffnet, wenn neue Formen der Zusammenarbeit etabliert werden, wenn sich ein anderes Verständnis von Führung breit macht und wenn sich die beteiligten Menschen offen und mit Zuversicht den Prozess aktiv gestalten. Dieser Mindset macht Lust auf die Zukunft!

Renate Standfest

Diversity – Jenseits des Feigenblatts

Wenn ich du wäre, und sie er, was wäre dann.
Du bist nicht ich, umgekehrt auch nicht, wir sind zwei oder mehr.
Ich bin ich, aber wie und warum.

These 1: Diversity ist eine Zumutung, These 2: Diversity beginnt bei uns selbst.

Warum es eine Zumutung ist, liegt am Begriff selbst, denn Zumutung entstammt dem Wort zuschreiben, abgeleitet aus dem lateinischen imputare. Bei Vielfalt geht es auch immer um Zuschreibungen und Bilder im Kopf, die wir über uns selbst und andere haben, dem unconscious bias.

Im Workshop erlebten wir ein außerordentliches Interesse an der Auseinandersetzung mit dem Thema Privilegien und daraus entstehenden Un-/Möglichkeiten im Leben Dinge zu tun, etwa im Bereich der Karrierewege. Sich persönlichen Fragen zu öffnen, bedeutet Risiko. Etwas persönliches preiszugeben, ist im Privaten vielleicht nichts Besonderes, im Beruflichen durchaus. Denn die Beschaffenheit und Logik aller Strukturen, in denen wir handeln, sind unter anderem auch beeinflusst von Machtverhältnissen, und das wirkt sich auf uns als Person aus. Unsere Identität ist davon bestimmt. Im Wort Zumutung steckt, jedenfalls in dessen Schreibweise, auch »Mut«. Diesen brauchen wir, wenn wir uns selbst beschreiben. Mehr zu Diversity bei SYNNECTA lesen Sie hier.

Hanna Göhler

Unternehmen in der Gesellschaft

Im Werkhaus haben wir das Thema als offenes Format in vier Einheiten bearbeitet. Nachdem unsere Berater Detlef Däke und Eike Reinhardt das Thema eingeführt haben, hat unser Gast Prof. Dr. Wolfgang Stark mit einem Impuls zur Frage »Welche Unternehmensverantwortung braucht unsere Gesellschaft in der Zukunft« den Diskurs eröffnet:

Corporate Social Responsibility (CSR) und Corporate Citizenship (CC) haben Einzug gehalten in die interne Auseinandersetzung vieler Unternehmen und werden durch Projekte, Stiftungen und die Bereitstellung von Sach- und Geldmittel erlebbar. Strategische Bedeutung für Sinn und Ausrichtung der Unternehmen und die Übernahme von Verantwortung für die gesellschaftliche Entwicklung ist damit jedoch nicht verbunden. Unternehmenskultur ist nach innen orientiert und wird geprägt von einer Orientierung nach dem business case und der Erreichung von KPIs. Bedeutung wird CSR aber erst erlangen, wenn sich in den Unternehmen eine gesellschaftlich relevante Engagementkultur entwickelt.

(Wolfgang Stark war viele Jahre als Professor für Organisationsentwicklung an der Universität Essen/Duisburg tätig und begleitet heute mit dem Strascheg Center for Entrepreneurship Startups und junge Unternehmer.)

Wie aber kann sich eine geänderte Rolle von Unternehmen in der Gesellschaft entwickeln? Unserem CoCreation-Ansatz folgend haben wir mit den interessierten Teilnehmern des Werkhauses diskutiert und uns dabei am Quadruple Helix Model orientiert, das eine Kooperation der Systeme Verwaltung, Bildung, Unternehmen und Zivilgesellschaft beschreibt. Gemeinsam sind wir überzeugt, dass eine enge Kooperation dieser Stakeholder auf Augenhöhe ein hohes Innovationspotenzial für Gesellschaft und Unternehmen bietet, wenn junge Menschen neuen Lebensmodellen folgen und gleichzeitig der demografische Wandel den Wettbewerb um Fachkräfte immer weiter verschärft. Offen geblieben sind Antworten auf die Fragen, welche Regeln eine solche Kooperation benötigt und welche Form von Führung in einer engagierten Gesellschaft erforderlich ist.

Wir wollen die Ansätze aus dem Werkhaus weiterführen und Angebote entwickeln, die als Orte des Dialogs und des Diskurses die verschiedenen gesellschaftlichen Systeme zusammenführt.

Detlef Däke

Trendlabor Blended Learning

Im Trendlabor untersuchten die Teilnehmenden an mehreren Stationen die aktuellen Entwicklungen im Bereich des Corporate Learning. In jeder der vier Runden wählten sie ein andereren Fokus für die Diskussion: Zu Beginn lichteten sie mit Hilfe eines Begriffs-Bingos den Dschungel der Terminologien (Blended Learning, WBT, F2F, SCORM …).

Runde 2 setzte den Schwerpunkt auf das soziale Lernen, das keineswegs auf die neuen Möglichkeiten durch öffentliche oder auch Corporate Social Media beschränkt ist. Das Königsthema »Nachhaltiger Lerntransfer« wurde anhand von rund 20 konkreten Ansätzen zur Übertragung von Gelerntem in den beruflichen Alltag sehr lebhaft diskutiert. Runde 4 schließlich beschäftigte sich mit Mikro-Lerneinheiten (Lern-Nuggets).

An den Technologie-Stationen der Anbieter Blink.it (Mobile Learning) und CBTL (Authoring) konnten die Teilnehmenden einen Einblick in aktuelle Formen des Lernens gewinnen. Zum Abschluss fassten die Teilnehmenden ihre Erkenntnisse aus dem Trendlabor in einem Satz zusammen und hielten diese ad-hoc in einem Smartphone-Video fest. Die Videos standen noch am gleichen Tag auf der Lernplattform allen Teilnehmenden zur Verfügung – ganz im Sinne des Social Learning.

Teilnehmer-Stimmen aus den Videos:

  • Der hohe Anwendungsbezug gefiel den Teilnehmenden: »Es war sehr interessant, die breite Auswahl an Lerntransfer-Möglichkeiten kennenzulernen und im beruflichen Kontext zu diskutieren.«
  • Für einige Teilnehmenden war es ein Augenöffner, dass modernes Learning Design auch zum Ziel hat, den Lernenden zum Lehrenden zu machen.
  • Manch ein Teilnehmender äußerte sich fast philosophisch: »Lehren hat auch viel mit Nicht-Wissen zu tun. […] Ich habe gemerkt, dass ich in der Haltung »Ich habe keine Antwort“« viel mehr lernen kann. Vielleicht ist das manchmal ganz gut – zurückzutreten.«

Daniel Goetz

SYNNECTA Werkhaus – Einleitung

Blickt jemand in den Sternenhimmel, so mag er erhabene Ruhe und Größe sehen oder Sphärenmusik hören – es sind Weisen in den Himmel zu schauen und zu hören –, Bilder, die wir uns machen. Heinrich Hertz hat als Hardcore-Naturwissenschaftler bemerkt, dass wir uns Bilder von etwas machen, die nur die Orientierung haben, mehr oder weniger unser Erklärungsbedürfnis zu stillen und unsere Handlungsoptionen zu erhöhen. Mit Hertz ist die zweierlei Weltsicht – »The world is fact and matter« oder »The world is words and stories« – so aufgelöst, dass jede Erkenntnis, jedes Bild von Wirklichkeit nur ein mögliches ist und so lange gilt, als es Nutzen stiftet und nicht als falsch gezeigt werden kann. Es sind Bilder, die unsere Erfahrungen mit der Welt bezeichnen und ordnen. Die ändern sich, wenn andere Perspektiven leistungsfähiger zu sein scheinen.

In der Organisationsentwicklung stehen wir vor einem solchen Bildwechsel – und alle Bildwechsel haben immer einen großen Einfluss auf das, was von uns im Verhalten, im Handeln gefordert wird. Wie lässt sich dieser Bildwechsel beschreiben?

Es gab eine erste, sehr wirksame Dichotomie in der Beschreibung von Unternehmen – sie begann mit nur einem Wort: wertschöpfend. Über Nacht veränderte sich das Denken – plötzlich waren bedeutsame Funktionen nicht mehr wertschöpfend und ihr Wert bestand darin, wertschöpfende Bereiche zu unterstützen. Eine Umwertung – mit der zugleich das Lean-Denken Einzug hielt. Generationen von Managern lernten, dass Reduzierung von Aufwand und konsequentes Effizienzdenken die Kunst des Managements seien. Kosten und deren Reduzierung, Entwicklung immer schlankerer Prozesse und deren Reproduktion waren das tägliche Brot der Führung. So entstand ein »Bild« von Führung und exzellenter Organisation. Es hat uns einen beispiellosen Wettlauf um das Kostengünstigste eingebracht.

Wir erleben eine neue Dichotomie – sie lässt sich mit dem Begriffspaar Agilität und Exzellenz (der Euphemismus für ein radikales Leankonzept) beschreiben. Sie trennt die Organisation in zwei distinktiv unterschiedliche Unternehmungen, eine Ausbringungs- oder Supply Chain Organisation und auf der anderen Seite die dann als agil beschriebene, in kleineren Einheiten agierende, marktnahe mit Innovationen, Produkt- und Geschäftsmodellen beschäftigte Organisation. Man kann den Grund für diese zweite Dichotomie im Digitalisierungsschub sehen, in einem reversen Globalisierungsschub, im Übergang zu einer Wissensgesellschaft – wir sehen es mehr als Reaktion auf die Erwartung von nicht linearen Ereignissen, gegenüber denen auch Smart Data blind sind, in einem etwas modischeren Wort: in Disruptiviät. Auf diese drängend werdende Erwartung, dass etwas Unvorhergesehenes eintritt und das Spiel neu bestimmt, reagieren Unternehmen mit der Zielsetzung selbst, die Quelle der Disruptivität zu sein – also innovativ oder wenigstes hoch adaptiv zu sein, also agil.

Dieses Ziel lässt sich mit der hierarchisch ebenenreich gestaffelten Organisation und mit der klassischen europäisch-amerikanischen Planungs- und Strategielogik nicht erreichen. Es besteht die Notwendigkeit inkrementelle Arbeits- und Planungsformen einzuführen, eher mit Visionsräumen zu arbeiten und neben Kosten- und Ertragszielen auch Verschwendungsziele zu setzen. Am deutlichsten wird der Unterschied der zweiten Dichotomie in der Bedeutung des Fehlers. Er war und er ist in der Ausbringungsorganisation ein Planungs- und Prozessfehler, eine Unterbrechung des wohl Kontrollierten, und es gilt, ihn unmittelbar und für immer zu beseitigen.

In der agilen Organisation ist der Fehler eine Leiter, die zu Neuem führen kann oder notwendiger Teil des flexiblen Ausprobierens, das zu neuem Lernen führt. Im Fehler verstehen wir. So wird für die agile Organisation das Spielen wieder zu einem Leitbegriff und kann dabei auf die Gedanken der Klassik zurückgreifen, z.B. auf Friedrich Schiller, der bemerkte, dass der Mensch nur da ganz Mensch sei, also im Vollbesitz seiner Möglichkeiten, wenn er spielt. Diese »andere« Art und Logik des Arbeitens gilt aber nur dort, wo das Ereignis droht oder erhofft wird – in der Ausbringungsorganisation gilt weiter die bewährte Planungs-, Prozess- und Standardisierungslogik.

Wir stürzen uns als Organisationsentwickler auf das Neue, die zweite Seite der Dichotomie, wobei wir manchmal vernachlässigen, dass die erste Seite der Dichotomie, das Alte, die Basis ist und bleibt. Psychologisch erleben wir eine ähnliche Reaktion, wie wir sie bei der ersten Dichotomie – der Unterscheidung wertschöpfend oder nicht wertschöpfend – erlebt haben: das Gefühl der Entwertung auf der einen Seite und kraftvoller, euphorischer Narzissmus auf der anderen Seite.

Was heißt das für uns? Auch wir müssen unsere Unterstützungsangebote der Dichotomie anpassen. Was benötigt die Ausbringungsorganisation psychologisch, motivatorisch …? Es wird nicht möglich sein, die für den Erfolg wesentlichen Organisationseinheiten in eine Kultur umzuwandeln, die der von Amazon Warehouses oder der von Apples Foxcom Organisation entspricht. Es wird auch in einem radikalen Leankonzept nötig sein, den Kopf und das Herz der Menschen zu gewinnen – das gilt umso mehr, als wir mit Industrie 4.0 einen deutlich höheren Ausbildungsgrad der Mitarbeiter verlangen. Neben flexiblen Bildungskonzepten, wie sie in Kombinationen mit Blended-Learning-Ansätzen zur Verfügung stehen, halten wir eine kraftvolle Wiederbelebung des Kaizen für eine Notwendigkeit – denn hier geht und ging es ja nicht zuvörderst um das eingebrachte Sparpotenzial, sondern um die motivierende, Verantwortungsübernahme anregende Kraft dieser Ansätze. Selbstwirksamkeit muss auch an diesen hoch standardisierten Arbeitsplätzen eine Möglichkeit sein. Es wäre ein großer Fehler, unter den Gesichtspunkt der Effizienz den menschlichen Faktor in der Ausbringungsorganisation zu unterschätzen.

Die Aufmerksamkeit und das Geld fließen derzeit aber vor allem in die agilen Organisationsteile – hier floriert neben dem Methodentraining (Scrum/Designthinking …) vor allem das Ausprobieren neuer Organisationsformen. Vielfältige Fragen, wie denn eine selbstorganisierte Einheit geführt werden kann usw., werden behandelt, und es werden Unterstützungsangebote für die Teams und relativ selbständigen Einheiten, wie z.B. der »Agile Coach«, entwickelt. Wir erleben, dass das Arbeiten in solchen relativ freien Teams sehr bereichernd und lustvoll sein kann, aber es ist in seiner Sozialdynamik auch anstrengend und manchmal bedrohlich, denn es geht auch viel von dem Schutzcharakter von Führung verloren. Es florieren Begleitungsangebote und es wird sichtbar, dass es mit dem einmaligen Teamtraining nicht getan ist. Gruppendynamik ist dynamisch und in ihrem Verlauf irrational – so denken wir über interne und externe dauerhafte Begleitung nach – auch hier kann Blended Learning ein zusätzliches Unterstützungselement sein.

Zugleich wirft eine agile Arbeitsform eine Menge organisatorischer Fragen auf – sie beschränkten sich anfangs auf den Übergang von einem Projektteam zu einem agilen Team. Inzwischen gilt es, die ganze Organisation zu betrachten – Hierarchieebenen werden überflüssig, eine ganze Menge an Fragen der Kontrolle und Transparenz sind weiter ungeklärt – es gibt also vielfältige Unruhe. Es geht darum, die Verantwortung und die Handlungsfreiheit an die Ränder der Organisation zu verlagern und eine Organisation so eher als in der Breite ausgedehnt zu betrachten anstatt in die Höhe der Pyramide.

Wir beginnen gerade zu lernen, wie solche Organisationen funktionieren und geführt werden. Zudem erwarten wir, dass Organisationsteile an das Unternehmen andocken werden, die nicht im klassischen Sinne Teil des Unternehmens sind, was die Aufgabe der Führung noch komplizierter macht. Reicht es auf charismatische Führer zu verweisen – die ja politisch derzeit en vogue sind, oder bedarf es einer tieferen Neubestimmung des Führungsverhaltens, wie es in Bruchstücken mit den Konzepten der transformationellen Führung abstrakt vorliegt?

Wir greifen einen Aspekt heraus: Agilität – als Beschreibung einer flexibel, schnell, ideenreich und verantwortungsübernehmend handelnden Organisation – wird nur möglich sein, wenn das Unternehmen Diversität der eigenen Mitarbeiter lebt – was heißt, die Unterschiede nicht normativ zu verwischen, sondern sich mit dieser »Andersheit«, der Differenz, stetig auseinanderzusetzen. Nur so erfüllt sie eine der großen Hoffnungen, die mit einer agilen Organisation verbunden sind: die Tendenzen, Erwartungen, Bewegungen der Gesellschaft innerhalb der eigenen Organisation abbilden und verstehen zu können – also dem Zielzustand eines innovativen und hoch adaptiven Unternehmens zu entsprechen.

Unterschätzt wird die Auswirkung auf die sogenannten Governance- und Serviceeinheiten der Unternehmen. Sie werden zukünftig eine Plattform anbieten müssen, an die unterschiedlichste Einheiten mit unterschiedlichsten Unterstützungsbedürfnissen andocken können. Hier ist ein Ort der Excellence, der die eigenen Leistungen den agilen Einheiten zur Verfügung stellt. Diese Einheiten müssen sich von der dauernden Diskussion, nicht genügend Durchsetzungsmacht zu haben, lösen und sich hin zu einem Anbieter von entlastenden, ebenfalls flexiblen Lösungen entwickeln.

Und zuletzt verweist uns eine Organisation, die sich selbst stetig vorläuft, um sein zu können, was sie wird sein müssen, auf den Platz, die das »Unternehmen« in Gesellschaften einnimmt. Menschen stellen Sinnfragen, Menschen möchten in einem Kontext leben, der das Gewissen nicht belastet. Wir sind hier zu vielerlei Selbsttäuschung in der Lage, aber der Anspruch bleibt: Mein Unternehmen soll ein guter Ort sein – und er ist es in einer agilen Welt nicht nur innerhalb der Grenzen des Unternehmens, sondern in seiner vielfältigen Verbundenheit mit Gesellschaften.

Unternehmen werden daher kaum umhinkommen, sich immer wieder die Fragen zu stellen: Warum eigentlich duldet die Gesellschaft unser Gewinnstreben? Was ist es, was wir geben, dass uns das Recht zu einem egoistischen Gewinnstreben gegeben wird? Pharmakonzerne, die Geld in die Entwicklung von Medikamenten für Kinder stecken, wissen, dass dies nicht das große Geschäft sein wird, aber sie können sich entscheiden, genau dies zu tun, weil sie eine, wohl in der Wahl freie, aber im Ganzen unbedingte Pflicht haben, dem Ganzen zu nutzen. Und blicken wir in die Welt, sind dann die großen Konzerne nicht einer der wenigen Orte, an denen globale Fragen verhandelt werden? Oder wann haben Sie zuletzt in den Nachrichten von der UNO gehört?

Rüdiger Müngersdorff

Warum dynamische Fähigkeiten jetzt so wichtig werden

Die Anforderungen an Organisationen wachsen stetig, die private und Geschäftswelt wird komplexer und zunehmend weniger vorhersagbar. Nicht nur die Digitalisierung als eine der großen Treiber, sondern auch andere Trends wie Urbanisierung, fortschreitende Globalisierung, Fragen der Umwelt oder politische Entwicklungen fordern uns täglich heraus und sind auch immer wieder für Überraschungen gut, wie die jüngste Vergangenheit ja deutlich gezeigt hat.

Viele Unternehmen sind für diese Entwicklungen eher schlecht vorbereitet und nutzen ihre eigenen Potenziale und das Wissen von eigentlich bestens qualifizierten Mitarbeitern nur unzureichend. Sehr oft verharren sie in bisher erfolgreichen Verhaltensweisen und reagieren auf neue Anforderungen mit bekannten Mustern. Vor allem das Management nutzt noch immer in großem Umfang Methoden, die ihren Ursprung im Industriezeitalter hatten und vielfach wenig geeignet sind, die neuen Anforderungen zu bewältigen. Obwohl die Einsicht ja grundsätzlich da ist und auf vielen der unzähligen Konferenzen immer wieder bestätigt wird, ändert sich in der Realität bislang nur wenig und wenn, dann eher langsam.

Warum ist das so? Weshalb wird dieses ja vorhandene Wissen nicht in dem Maße umgesetzt, wie es erforderlich wäre? Die Antwort ist relativ einfach: klassische Managementprinzipien waren in der alten Welt über viele Jahrzehnte erfolgreich. Sie zu ersetzen oder zu verändern, bedeutet sich auf unbekanntes Terrain zu begeben und damit ein Risiko einzugehen. Insbesondere für über viele Jahre gewachsene Organisationen führt das zu großer Unsicherheit. Denn immerhin gibt es ja ein bestehendes Geschäft, das man nicht gefährden möchte. Wo und wie also anfangen?

Die Erfahrung zeigt, dass sehr häufig detaillierte Kenntnisse über den Zustand der eigenen Organisation fehlen, oder aber die Einschätzungen und Bilder auf der oberen Führungsebene erheblich divergieren. Oft mangelt es auch an Informationen, wo denn konkret eine erfolgreiche Intervention angesetzt werden kann, oder es gibt negative Erfahrungen mit am Ende dann doch eher wirkungslosen Veränderungsprojekten. Die Führungskräfteentwicklung, insofern sie überhaupt als festes Element besteht, verfehlt oft die gewünschte Wirkung, was dann ein klares Signal für verpasste oder unzureichende Umsetzungen ist. Ursachen und Zusammenhänge für diese oft zu beobachtenden Effekte sind vielschichtig und zumeist nicht auf den ersten Blick offensichtlich.

In einem zunehmend dynamischen (VUCA-)Umfeld, in dem Unternehmensführung immer anspruchsvoller wird, wirken etablierte Rezepte und Vorgehensweisen, die vielfach noch aus stabilen und damit besser planbaren Zeiten stammen, eher schlecht. Oder sie verfehlen gänzlich ihre Wirkung, wenn sie die falschen Antworten auf aktuelle Herausforderungen liefern.

Ein typisches Beispiel dafür ist das noch immer weit verbreitete Instrument der Führung über Ziele (Management by Objectives, MbO). Oft sind Ziele bereits überholt, wenn sie vereinbart werden oder sie passen nach kurzer Zeit nicht mehr zu den veränderten Anforderungen des Geschäfts. Neue Entwicklungen, die asynchron, also innerhalb des Ziele-Zeitraums entstehen, können nicht entsprechend bedient werden, wenn sie nicht zu den zuvor vereinbarten Zielen passen, was dann oft dazu führt, dass keine Ressourcen, Budgets, und ähnliches verfügbar sind. Darüber hinaus verführt eine konsequente Zielentfaltung bis hinunter auf den einzelnen Mitarbeiter vielfach zur Selbstoptimierung des Einzelnen statt des Unternehmens(-bereichs).

Effekte wie diese gibt es zahlreich, sie etablieren sich oft über Jahre, schleichen sich unwissentlich und unbeabsichtigt als immer größere Störungen gegenüber einem sich verändernden Umfeld ein und werden letztendlich manifestierter Teil einer Unternehmenskultur. Diese zu ändern, ist äußerst schwierig und letztendlich nur über eine veränderte Führung möglich.

Führungskräfte haben die Aufgabe, ein Umfeld mit möglichst wenigen Störungen zu schaffen, damit Spitzenleistungen möglich werden. Der wichtigste erste Schritt ist dabei die Erarbeitung des präzisen Wissens um die Art und Wirkung dieser »Störungen« über eine vollständige und umfassende Analyse des Status-quo. Um eine solche Analyse sinnvoll machen zu können, braucht es ein umfassendes (Management-)Modell, das die wichtigsten Aspekte und ihre Wechselwirkungen im Unternehmenskontext ausreichend berücksichtigt.

Das Performance-Dreieck, über Jahre entwickelt von Lukas Michel und seinem weltweiten Agility Insights-Netzwerk, ist ein solches wissenschaftlich fundiertes Modell und bildet eine Brücke zwischen den Fähigkeiten von Menschen und den Herausforderungen von Organisationen.

Der Kerngedanke dabei ist, frühzeitig zukünftige organisationale Fähigkeiten zu identifizieren, so dass man hierfür die notwendigen Talente, Teams und Strukturen entwickeln kann.

Menschen mit ihren Talenten und Fähigkeiten sind das Herzstück des Dreiecks. Im Sinne der Erkenntnis, dass »Selbstverantwortung eine wesentliche Grundlage für Wissensarbeit und Motivation ist« (Peter F. Drucker) und dass »Vertrauen führt« (Reinhard K. Sprenger), fördert das die Geschwindigkeit in Organisationen durch kompetente Entscheidungen an der Kundenfront, die Nutzung des Wissens fähiger Mitarbeiter und eine Führung, die vorrangig als Befähiger agiert.

Kultur, Führung und Systeme bilden die Ecken des Dreiecks. Gute Entscheidungen und effektive Handlungen erfordern eine Kultur, die einen gemeinsamen Kontext schafft. Führung muss den Dialog und die Interaktion über Sinn (»purpose«), Orientierung und Leistung (»performance«) aktiv fördern. Systeme müssen diagnostisch arbeiten, um die Aufmerksamkeit auf das Wichtige zu lenken und jederzeit Korrekturen ermöglichen. Intensive Interaktionen und eine diagnostische Steuerung sind grundlegende Fähigkeiten agiler Organisationen, da sie die frühe Erkennung und Interpretation von Signalen und entsprechende Handlungen ermöglichen.

Gute Entscheidungen von Menschen erfordern neben Wissen vor allem Sinn, was gleichzeitig eine entscheidende Grundlage für intrinsische Motivation ist. Interne und externe Beziehungen helfen, dieses Wissen kontinuierlich weiter zu entwickeln, auszutauschen und als Mehrwert für den Kunden zu nutzen. Kombiniertes Wissen, die gemeinsame Erfahrung und der geteilte Nutzen daraus lässt Neues entstehen und fördert die Innovationskraft. Sinn, Zusammenarbeit und Beziehungen sind jene organisationalen Fähigkeiten, die helfen, unerwartete externe Schocks und Einflüsse gut abfedern zu können. Sie halten als Seiten das Dreieck von Kultur, Führung und Systemen zusammen.

Das Performance-Dreieck führt über Geschwindigkeit, Agilität und Resilienz zur Handlungsfähigkeit. Organisationen mit diesen Fähigkeiten nutzen das Wissen in den Netzwerken von Mitarbeitern und schaffen gleichzeitig die organisationalen Fähigkeiten, um mit der Dynamik des Umfelds bestmöglich umzugehen.

Unternehmen mit einem handlungsfähigen Management, das die eigene Organisation für ihre (Wissens-)Mitarbeiter aktiv gestaltet und die Menschen in den Mittelpunkt stellt, haben das Potenzial, als Gewinner der neuen Ära hervorzugehen.

Diagnostisches Mentoring ist der zugehörige Prozess, der die systematische Entwicklung dieser dynamischen Fähigkeiten ermöglicht. Er beruht auf 3 Schritten:

  1. Decodieren
    Analyse der bestehenden Fähigkeiten durch umfassende Diagnostik und Benchmarking (Online-Tool)
  2. Gestalten
    Erarbeiten des Zielbilds der zukünftigen organisationalen Fähigkeiten (CEO-Briefing und Executive Team-Workshops)
  3. Entwickeln
    Erarbeitung von Veränderungsschritten und deren Umsetzung über das Performance-Dreieck unter Einbindung der operativen Organisation (Mentoring und Tages-Workshops)

Auch wenn es für das Diagnostische Mentoring eine Fülle von Hilfsmitteln und Unterstützung durch speziell ausgebildete Mentoren aus dem Agility Insights-Netzwerk gibt, so bedeutet diese Weiterentwicklung für die betroffenen Unternehmen immer eine Transformation, die Verhaltensweisen und Kompetenzen grundlegend verändert, Bestehendes in Frage stellt, in etablierte Abläufe eingreift, und somit immer auch Risiken beinhaltet.

Eine grundlegende Entwicklung betrifft die Entscheidungskompetenzen. Führungskräfte müssen sich im Rahmen der Weiterentwicklung entscheiden,

  • wie sie Mitarbeiter involvieren bzw. einbinden wollen
  • wie Arbeit koordiniert und gesteuert wird
  • wie Ziele gesetzt und verfolgt werden
  • wie Veränderungen / Anpassungen erfolgen
  • wie Entscheidungen gefällt werden

Bei jeder dieser 5 Schlüsselfragen besteht die Wahl und Notwendigkeit einer Festlegung für entweder

a) mehr Selbstverantwortung der Mitarbeiter oder
b) Steuerung durch die Führung.

Abhängig von der Kombination der Antworten ergeben sich jeweils andere Konzepte für das Management und die Organisation.

Diese »Arbeit am System«, das richtige Design von Führung und Organisation, ist keine Aufgabe für die Belegschaft oder etwa das untere und mittlere Management. Sie kann nicht delegiert werden, sondern muss im Führungsteam an der Spitze einer Organisation beginnen.

Idealerweise steht am Anfang eine saubere Diagnose, Analyse und Interpretation der Ergebnisse sowie im Konsens getroffene Antworten auf die oben aufgeführten fünf Grundsatzfragen. Erst dann beginnen die Konkretisierung in den verschiedenen funktionalen Bereichen der Organisation und die Formulierung von präzisen Interventionen.

Es ist und bleibt die Verantwortung und Entscheidung der Geschäftsführung, die notwendigen Veränderungen anzupacken, um damit die Potenziale zu aktivieren und diese zu Gunsten der Organisation, der Kunden und des Geschäfts umzusetzen.

Rüdiger Schönbohm
TYSCON Management Consulting & Business Partner Agility Insights

Bilder und einzelne Textpassagen
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