Spektrum der Balance – Ein Kulturmodell für Organisationen

Das Kulturmodell »Spektrum der Balance« wurde von SYNNECTA entworfen und in Co-Creation mit Partner*innen aus der Unternehmenswelt weiterentwickelt. Es verleiht Kultur eine Sprache und damit Menschen in Organisationen eine Reflexions- und Diskussionsgrundlage. Das Modell ist beschreibend und im Gegensatz zu vielen populären Ansätzen nicht normativ. Es ist leicht verständlich und kann einfach und flexibel eingesetzt werden.

Zu Beginn eines umfassenden Transformationsprozesses in einem mehr als 30.000 Frau*Mann starken Industrieunternehmen betonte der verantwortliche CEO eindrücklich und wiederholend: 50% des Erfolgs bringe die Reorganisation und die Umsetzung der neuen Strategie, 50% liege jedoch in der Veränderung der Unternehmenskultur! Peter Drucker mit seiner Aussage »Culture eats strategy for breakfast« lässt grüßen.

Nun macht es aus unserer Sicht wenig Sinn Kulturveränderung als weiteres Projekt im Rahmen einer Veränderung auf- und umzusetzen, ganz nach dem Prinzip: Ist-Kultur analysieren, Leitkultur definieren und »Go« (siehe dazu »Unternehmensleitbilder in Zeiten hybrider Gesellschaften«). Warum?

Kultur ist einerseits allgegenwärtig und manifestiert sich permanent in unserem Fühlen, Denken und Handeln und somit in der Kommunikation, Zusammenarbeit und Führung von Organisationen. Andererseits ist Kultur wenig greifbar, ständig im Fluss und ihre Wirkung den Handelnden oft nicht bewusst. Vieles liegt im Zwischenmenschlichen verborgen und ist Teil der Beziehungen beteiligter sozialer Akteure. Subjektive Wahrnehmung und Interpretation der Individuen und sozialen Gruppen haben einen Einfluss auf das Erleben der Kultur. Zudem spielt der aktuelle Kontext eine wichtige Rolle. Folglich gibt es weder »die« oder »die richtige« Kultur für alle in einer Organisation, noch lässt sie sich im mechanistischen Sinne planmäßig transformieren.

Kultur und kulturelle Muster werden am besten über Reflexion und im gemeinsamen Diskurs erkannt und verstanden. Dies verlangt nach Worten und einer gemeinsamen Sprache sowie Möglichkeiten der Differenzierung. Nun existieren bereits viele Kulturmodelle, die man für diese Übung nutzen kann. Häufig beinhalten sie jedoch einen normativen Entwicklungsansatz (z.B. Spiral Dynamics oder auch das von F. Laloux in »Reinventing Organizations« beschriebene Stufenmodell).

Rüdiger Müngersdorff entwarf deshalb ein nicht-normatives Kulturmodell, basierend auf fünf kulturellen Aspekten bzw. Dimensionen, welches zunächst in einer SYNNECTA-internen Projektgruppe weiter ausgearbeitet wurde. Es kann im Gespräch mit Einzelnen und kleinen Gruppen ad hoc oder strukturiert in Workshops und Großveranstaltungen eingesetzt werden. Im Rahmen eines umfassenden kulturellen Transformationsprozesses mag es als grundlegendes Modell dienen. Inhaltlich-sprachlich sowie methodisch-prozessual lässt es sich kundenspezifisch anpassen. Wir konnten damit in unterschiedlichen Organisationen bereits vielfach positive Erfahrungen sammeln.

Darüber hinaus entwickelten wir unser Ursprungsmodell mit Partner*innen aus verschiedenen HR- und OE-Bereichen der Bosch-Gruppe weiter. Nach mehreren Iterationsschleifen in einem sieben-köpfigen Team (s.u.) setzt sich das »Spektrum der Balance« Kulturmodell nunmehr aus sechs kulturellen Aspekten zusammen:

  • Der Offenheitsaspekt (aquamarin)
  • Der Autonomieaspekt (gelb)
  • Der Gemeinschaftsaspekt (grün)
  • Der Bewegungsaspekt (orange)
  • Der Strukturaspekt (blau)
  • Der Energieaspekt (rot)

Zu jedem Aspekt gibt es eine prägnante Beschreibung in Form sogenannter Aspektkarten sowie eine Bewertungskarte, die mögliche Ausprägungen des jeweiligen Aspekts skizziert, wie dieser im positiven bzw. gesunden oder im negativen bzw. ungesunden Sinne von den Menschen erlebt werden kann.

Das SYNNECTA Ursprungsmodell beinhaltet zusätzlich Veränderungskarten, die erste Ideen und Hinweise geben, was je nach Ausgangssituation getan werden kann, um einen bestimmten Kulturaspekt in einer Organisation zu stärken. Die Modelle wurden bisher strukturiert in Workshops, Großveranstaltungen und im Rahmen von Open Office Veranstaltungen eingesetzt. Dafür existieren unterschiedliche Dramaturgien.

In einem nächsten Schritt der Co-Creation mit unseren Partner*innen ist angedacht kontextspezifische »Kulturbalancen« zu definieren und zu beschreiben (z.B. Kulturbalance »Digitale Transformation«), die als weitere Reflexionsmöglichkeit für Mitarbeiter*innen und Führungskräfte in Organisation dienen können.

Thomas Meilinger

Unsere Co-creativen Partner*innen: Benjamin Berger (Bosch Powertrain Solutions, Business Transformation), Germán Barona & Laura Heim (Bosch Corporate, Kulturentwicklung und Transformation), Harald Baumann (Bosch Rexroth, Business Excellenz), Sybille Payer & Anna Prieschl (ETAS GmbH, Personal- und Organisationsentwicklung)

Titelfoto: Paul Hanaoka by unsplash.com

»Same same, but different«

Vom Leben in Thailand und kulturellen Erlebnissen

»Same same, but different« –  Was will uns der Verkäufer an der Straßenecke denn damit sagen? Wo steckt der Sinn?

Flaniert man durch Bangkoks Straßen, fliegt einem dieser Satz von allen Seiten um die Ohren. Dieser Ausdruck ist Aufdruck unzähliger T-Shirts und aufgrund seiner Sinnlosigkeit mittlerweile Kult in Thailand. Was uns die Verkäufer damit sagen wollen? Ehrlich gesagt – wir wissen es nicht! Sie verwenden den Spruch nahezu universell, was ihn noch unsinniger erscheinen lässt.

Doch betrachtet man diesen völlig absurden Spruch in einem anderen Zusammenhang, ergibt er plötzlich einen Sinn. Wir Menschen sind anatomisch und physisch alle gleich, egal ob Inder, Franzose oder Mexikaner. Wir alle sind Menschen und somit »same same«. Lenkt man den Blick jedoch auf die einzelnen Kulturkreise, so unterscheiden sich diese voneinander und sind somit alle »different«. Wir werden geboren, wachsen auf und werden von unserer Umwelt geprägt. Wir nehmen die Werte, Normen und Traditionen unserer jeweiligen Kultur an und sind somit Teil einer Organisation. Dadurch entstehen weltweit viele Kulturkreise, die sich bezüglich diverser Charakteristiken voneinander unterscheiden. Wie groß diese Unterschiede sein können, erleben wir gerade am eigenen Leib.

Als wir uns vor ein paar Monaten dazu entschieden haben, ein Praktikum bei SYNNECTA in Bangkok zu absolvieren, wussten wir, dass wir uns in ein kulturelles Abenteuer stürzen werden. Und genau das erleben wir – eine anders tickende Welt. Uns begrüßten eine farbenfrohe und vielseitige Stadt, prunkvolle Tempel und sehr viele Menschen.

Nach den ersten drei Wochen in Bangkok haben wir die Thailänder als außerordentlich gelassene Menschen kennengelernt. Schon am Flughafen, einem Ort, der für uns Europäer an Hektik nicht zu übertreffen ist, war kaum ein Hauch von Stress zu spüren. Eine lockere Lebenseinstellung strahlen die Thailänder selbst an solch stressigen Orten aus. Sogar in dem überaus chaotischen und hektischen Berufsverkehr, den wir als wahnsinnig nervend empfinden, ist für den Thailänder ein Seufzer bereits genug, um über diese Situation hinwegzusehen.

Bangkok wird beherrscht von einer »take-it-easy«-Lebensweise. Diese wirkt sich jedoch auch auf den Umgang mit der Umwelt und der Nachhaltigkeit aus. Die Produktion von Müll ist enorm, die Beseitigung und Verarbeitung davon ist miserabel und eine dichte Wolke aus Abgasen liegt permanent über der Stadt. Der Bau der vielen Wolkenkratzer schränkt die Luftzirkulation über den Straßen in großem Maße ein, dies hat bereits gesundheitsschädigende Auswirkungen auf manche Bewohner.

Die bekannteste und ausgeprägteste Eigenschaft der Thailänder ist ihre Freundlichkeit. Egal, ob im Supermarkt, auf den Straßen oder in öffentlichen Verkehrsmitteln, die Menschen haben immer ein Lächeln parat und zeigen sich stets hilfsbereit. Vor allem im Verkauf verhalten sie sich extrovertiert. Klar erkennbar wird hier die Dringlichkeit des Wirtschaftens. Konsumgüter sind im Überfluss vorhanden und daraus ergibt sich ein hoher Konkurrenzdruck. Die unzählig vielen Straßenhändler versuchen ihre Ware anzupreisen und gehen dabei offen auf die potenziellen Kunden zu. Im privaten Leben jedoch belassen sie ihre Offenheit auf einer oberflächlichen Ebene und geben nur wenig von sich persönlich preis. Diese Verschlossenheit uns gegenüber lässt sich allerdings auch auf ihre schlechten Englischkenntnisse zurückführen.

Immer wieder findet man in Thailand diese Art von Gegensätzlichkeiten. Zum einen zeigt sich das Land von einer gänzlich übertrieben offenen Seite, die selbst manch einen Europäer überfordert. Zum anderen leben sie nach extrem konservativen Einstellungen und Traditionen.

All diese Eigenschaften sind einzelne Puzzelteile, die die Kultur von Thailland zusammensetzen. Die Kultur eines Landes ist nicht nur für ihre Bewohner ein essentieller Bestandteil, sondern auch für alle anderen Menschen, die mit diesem Land in Berührung treten. Gerade im beruflichen Kontext ist es von äußerster Wichtigkeit, Fingerspitzengefühl gegenüber der Kultur des Geschäftspartners zu zeigen. Denn wie beispielsweise Geert Hofstedes Studie »National Influences« zeigt, haben nationale Kulturen einen enormen Einfluss auf die Führung von Unternehmen.

Um bei einer interkulturellen Zusammenarbeit größtmöglichen Erfolg zu erzielen, ist es daher unumgänglich, sich intensiv mit der anderen Kultur auseinanderzusetzen und sich dieser angemessen zu verhalten. Damit diese Absicht auch optimal umgesetzt werden kann, ist es empfehlenswert, einen Berater aus dem jeweiligen Kulturkreis hinzuzuziehen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in den Menschen und damit auch in ihrer Kultur.

Alexandra Dick, Tonja Passolt