Stadt, Unternehmen, Menschen

Wir (@Synnecta) haben die Stadt oft als Metapher für die Beschreibung von Unternehmen genutzt, z.B. im Konzept der Durchwegung. Oft haben wir dabei auf den informellen Untergrund von Stadt und Unternehmen verwiesen. Wir haben auf Jane Jacobs‘ wichtigen Satz über Städte hingewiesen, den wir in Konzepte der breiten Beteiligung in Unternehmen übersetzt haben.

»Cities have the capacity of providing something for everybody, only because and only when, they are created by everybody.«

Es ist diese offiziell kaum wahrgenommene informelle Schicht, die viel der Lebendigkeit und Anpassungsfähigkeit auch der Unternehmen bestimmt. Während viel über Strategien, Human Ressource Programme und Top-Down-Change-Projekte gesprochen wird, bleibt die informelle Schicht, die wesentlich die Lebendigkeit, Kreativität und Agilität bestimmt, ohne Worte. Es ist für uns ein wichtiger Teil der Arbeit – nur so kann sich Kultur verändern und entwickeln.

Ein Zitat aus @zeitonline über einen Artikel von Hanno Rauterberg erinnert uns wieder daran: Es reiche nicht, die Stadt weiter als Objekt zu behandeln, ausrechenbar und dem Willen der Planer unterworfen, schreibt Hanno Rauterberg. »Eine Stadt wird erst lebendig, wenn das Unbewusste, die Projektionen und Fantasien der Einzelnen ihren Raum haben.«

Rüdiger Müngersdorff
Foto: Joe Ciciarelli by unsplash.com

Umwegige Aspekte der Prozessberatung

Gespräche mit Führungskräften enden oft mit der Aufforderung, manchmal der Bitte: Zeig uns den kürzesten Weg, die schnelle Problemlösung, die gerade Linie von A nach B – glatt, kurz, eindeutig. Dieser Wunsch passt in die Welt der klassischen Beratung, er ist für eine »Prozessberatung« oder salopper gesagt die weiche Beratung, die über Kultur, Mindset, Beziehung, Einstellungen und Verhalten spricht und arbeitet, unerfüllbar. Kurven, Umwege, Holzwege sind hier angemessenere Bilder über den zu gehenden Weg.

Kommen wir zurück zum kürzesten Weg, der geraden Strecke. Was wenn genau dieser Weg nichts anderes ist als ein »mehr desselben« – nun am Anfang mit noch mehr Enthusiasmus, mehr Kraftaufwand und dann doch oft im Gehen schwindender Begeisterung. Man endet eben zu oft im Selben, und die Probleme, Barrieren tauchen wieder auf. Nun hilft dasselbe ja oft, wenn denn die Welt dieselbe bliebe. Was aber hilft, wenn die Welt (der Markt, die Technologien, die Bedürfnisse, die Politik usw.) sich unvorhersehbar verändern, also ein dynamisch kontingentes System sind? Für das, was auf uns zukommt, haben wir oft noch keine Begriffe, es ist noch undefiniert.

Vieles unserer konkreten Arbeit in Workshops besteht in der Kreation eines atmosphärischen Wechsels, der Ermöglichung von Zögern, von Langsamkeit – der Erlaubnis und der Möglichkeit zur Offenheit, Umweglichkeit und Nachdenklichkeit. Unser Beitrag ist nicht Problemlösung, sondern die Ermöglichung von anderen, öffnenden Perspektiven, Spielräumen. Das geht nur mit der Haltung einer Zielverzögerung, einem Wechsel des Horizonts, in dem die Kommunikation stattfindet. Es bedeutet, dass Erzählung wichtiger ist als Begrifflichkeit, dass wir uns im noch nicht festgelegten miteinander bewegen, denn nur so erreichen wir den Grund von Kreativität. Wir gehen gemeinsam durch Unsicherheit, in der dann auch anderes sichtbar wird – andere Zugänge zum Thema, andere Möglichkeiten der Problemlösung, das Entdecken von Wegen, die im Dickicht unserer Begriffe verborgen waren.

Es liegen so viel an Möglichkeiten, Perspektiven und Lösungen in den Individuen verborgen – soziale Faktoren, wie die Tendenz zur Gruppenanpassung, und kulturelle Faktoren wie die bevorzugten Mindsets (Mentalitäten) von Organisationen versperren uns den Weg zu diesem Potential. Die erste Aufgabe einer Prozessberatung und einer ästhetisch orientierten Organisationsentwicklung besteht in der Gestaltung von Offenheit, die nur im Prozess von Zielverzögerung und dem öffnenden Angebot von differenten Horizonten möglich ist. Einer Welt, die sich in einem offenen Horizont bewegt, können wir selbst nur mit offenen Formen der Wirklichkeitsrepräsentation begegnen, erst hierdurch öffnen sich alternative Zugänge zu den gestellten Aufgaben. In der verzögerten, nachdenklichen Kommunikation wird tentatives Handeln möglich, welches schließlich in stringentes Handeln zu münden vermag.

Rüdiger Müngersdorff
Foto: Kees Streefkerk by unsplash.com

Kurze Wege, zufällige Begegnung, informelle Gespräche

Die soziale Infrastruktur informeller Beziehungen steigert die Leistungsfähigkeit von Individuen und Gruppen und ist ein wesentlicher Innovationsfaktor. Hans Blumenberg beschrieb das im Rückblick auf sein Arbeiten an Universitäten, Erfahrungen innerhalb einer kleinen Universität der Nähe in Kiel bis zu einer Großstadtuniversität in Bochum:

»Man ging nach nebenan, um sich ins Bild zu setzen, Instrumente und Quellen zu nutzen, die man selbst noch nicht hatte, Präparate und Versuche zu sehen, die Signifikanz von Daten abzusichern, Aufgaben abzugeben, für die man größere Kompetenz vermutet. Kurze Wege ersetzen Zwischenträger und Teilüberdeckungsfächer. An Großstadtuniversitäten haben oft schon die weiten Wege derartiges verhindert, noch ehe die Anstalten übergroß wurden und keiner mehr keinen kannte.«

 

(Zwischenfachlich – ein Provisorium UNF 3368/69) zitiert nach R.Zill Der absolute Leser, S.280

Die neuen Bürokonzepte mit ihren inszenierten Begegnungsräumen, der Chance zur zufälligen informellen Begegnung waren sich dessen sehr bewußt. Vieles, was ein Unternehmen bewegt, was Verbesserungspotential und auch Erneuerungspotential trägt, findet in der informellen Struktur statt, jenseits der Organigramme und definierten Prozesse.

In einer weiter fortschreitenden Digitalisierung der Arbeitswelt und der Ausdehnung von Home Office Arbeiten wird es darauf ankommen, die informelle Ebene des Arbeitens, der Kommunikation, der Anregung nicht zu verlieren. Eine Kaffeepause im virtuellen Meeting ist etwas sehr anderes als eine Kaffeepause im analogen Treffen. Als analoge Wesen brauchen wir analoge Begegnung.

Rüdiger Müngersdorff

Caroline Criado-Perez: Unsichtbare Frauen

»Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert« ist der Untertitel von Caroline Criado-Perez‘ Buch »Unsichtbare Frauen«. Die britische Autorin, Journalistin und nicht zuletzt Feministin zeigt geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Erhebung wissenschaftlicher Daten auf. Was vielleicht erstmal ein bisschen trocken klingt, ist hochinteressant und mindestens genauso erschreckend. Dabei orientiert sie sich grundlegend an Simone de Beauvoirs »Das andere Geschlecht«. »Wenn wir ›Mensch‹ sagen, meinen wir meistens den Mann.« Das hat konsequenterweise Auswirkungen auf das Denken und Verhalten unserer Gesellschaft. Caroline Criado-Perez findet Beispiele aus Politik, Technologie, Medizin, der Arbeitswelt und unzähligen anderen Bereichen, in denen bei der Datenerhebung Frauen ausgeschlossen werden.

Eine der wichtigsten Feststellungen über die Gender Data Gap ist, dass sie keine bösen Absichten verfolgt oder auch nur bewusst erzeugt wurde. Im Gegenteil. Sie ist schlicht und einfach Ergebnis eines Denkens, das seit Jahrtausenden vorherrscht und deshalb eine Art Nicht-Denken ist. Sogar ein doppeltes Nicht-Denken: Männer sind die unausgesprochene Selbstverständlichkeit, und über Frauen wird gar nicht geredet. Denn wenn wir »Mensch« sagen, meinen wir meistens den Mann.

Jede Frau, die dieses Buch liest, wird sich auf den Seiten wiederfinden. Ständig. Die Autorin findet nicht nur Antworten auf die zunächst so banal wirkenden Fragen der nicht enden wollenden Schlange vor dem Damenklo oder weshalb Frauen öfter kalt ist, sondern erklärt auch, weshalb eine Frau bei einem Autounfall mit 47 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit als ein Mann schwer verletzt wird. Mit 71 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit mittelschwer verletzt. Und mit 17 Prozent höherer Wahrscheinlichkeit stirbt. Diese Zahlen basieren nur auf der Tatsache, wie und für wen Autos konstruiert sind.

Caroline Criado-Perez schreibt über die alltäglichsten Dinge wie eben Autofahren, Care Arbeit oder Hobbys – und gerade weil sie so alltäglich sind, stellt sich immer wieder die Frage, wieso nicht längst etwas gegen die dort vorherrschenden Ungerechtigkeiten getan wurde.

Ich persönlich habe eine Antwort darauf gefunden, warum ich auf dem Klavier bestimmte Akkorde nicht greifen kann: Die klassische Klaviatur ist an die Durchschnittsgröße einer Männerhand angepasst. Das ist für mich als Hobbypianistin lästig, aber nicht dramatisch, doch für Berufspianist*innen sieht das schon ganz anders aus, denn die Standardklaviatur benachteiligt 87 Prozent der erwachsenen Pianistinnen. Das ist ein Problem, das vermutlich nicht jede Frau beschäftigt, aber nicht nur Klaviaturen sind zu groß für viele Frauenhände, sondern auch die meisten Handys, und jetzt ist es wieder für alle interessant.

Caroline Criado-Perez stellt zurecht die Frage, was es bedeutet, wenn zukünftig Daten und Statistiken eine immer größere Rolle spielen. Allzu oft sehen wir in Daten die reine Wahrheit und behandeln sie als eine Art neutrales Wissen. Doch wenn Daten von Anfang an falsch und unzureichend erhoben werden, wird das in Zukunft dazu führen, dass sich die Ungerechtigkeiten zwischen Männern und Frauen vertiefen. In manchen Fällen wird das nur nervig sein, in anderen tödlich.

»Unsichtbare Frauen« ist ein Buch der Antworten. Es deckt so unfassbar viele Bereiche ab, dass ich sie hier nicht alle aufzählen kann. Dennoch hat sich die Autorin nicht zu viel vorgenommen. Das Buch zieht einen Querschnitt durch die Gesellschaft und zeigt: Geschlechterungerechtigkeit gibt es überall. Wir müssen nur hinsehen. Ich ziehe meinen Hut vor der unglaublichen Recherchearbeit, die sich hinter dem Buch verbirgt und hoffe, dass es so viel Menschen wie möglich lesen. Dieses Thema betrifft uns alle und wir können auch nur gemeinsam nach Lösungen suchen. Ob arm, reich, Schweden oder Somalia, Care Worker oder CEO. Und eine Lösung, die auch Caroline Criado-Perez vorschlägt, ist vermutlich die simpelste und auch effektivste: Man(n) muss einfach nur die Frauen fragen und sie und ihre Bedürfnisse sichtbar machen.

Caroline Criado-Perez: Unsichtbare Frauen | Deutsch von Stephanie Singh
btb Verlag 2020 | 496 Seiten

Mariel Reichard

Home Office Essentials: So arbeiten Sie und Ihr Team produktiv von Zuhause aus

Irgendwann wird die Corona-Krise Geschichte sein. Doch die Veränderungen, die sie ausgelöst hat, werden uns vermutlich noch länger oder gar dauerhaft begleiten. Und aktuell stellt die Situation für viele Menschen im Home Office eine enorme Herausforderung dar. Die gute Nachricht: Es gibt viele Tipps, wie man das Beste aus der Situation machen kann. Mit unserem »6 C« Modell wollen wir helfen, die erste Zeit im Home Office leichter zu gestalten.

Warum das Home Office aktuell so eine große Herausforderung ist

Mitarbeitende stehen drei Herausforderungen gegenüber:

  • Corona-Krise mit Sorge um die eigene Gesundheit und die der Angehörigen – ggf. Umgang mit Tod/Lebensbedrohung von geliebten Menschen
  • Herausforderung ad-hoc Home Office
  • Hoher Zielerreichungsdruck, der in vielen Branchen herrscht und der auch durch Corona kaum nachgelassen hat. Ein Beispiel dafür sind Einkaufsabteilungen in großen Industrieunternehmen, die aktuell mit großer Unsicherheit in der Supply Chain zu kämpfen haben.

Die individuellen Härten können variieren:

  • Für Singles: Hier wird das erzwungene Alleinsein leicht als Einsamkeit erlebt. Nicht nur die Kolleg*innen fehlen, auch die normalen sozialen Kontakte.
  • Sind Kinder (egal welchen Alters) im Haus, führt das Wegbrechen eingespielter Routinen leicht zum inner-familiären Kollaps. Alleinerziehende trifft es noch ärger als Paare.
  • Selbst Paare müssen sich ad-hoc an die ungewohnte und dauerhafte Nähe auch während des Tages und v.a. der Arbeitszeit gewöhnen.

Für alle gilt: Das natürliche »Ventil« der außerhäuslichen Zeit ist verstopft. Die Vermischung von Privatem und Beruflichem belastet das Gemüt. Es ist keine geplante und selbst gewählte Lebensführung, sondern eine ad-hoc aufgezwungene Lage.

Darum trifft »das bisschen Home Office« viele Mitarbeitende in der derzeitigen Lage so hart

  • Das Home Office ist in den seltensten Fällen als Büro geeignet: häufig kein eigener Raum; selten ein ergonomischer Arbeitsplatz (Licht, Tisch, Stuhl …); die Infrastruktur ist ggf. schlechter als im Büro (Lautstärke, Internetbandbreite).
  • Die soziale Unterstützung durch die Kollegen/Kolleginnen fehlt.
  • Für Familien mit Kindern und Jugendlichen ist es noch schwieriger: Diese sind in »Zwangsferien«, aber gleichzeitig stark eingeschränkt in den Freizeitmöglichkeiten (Treffen mit Freunden verboten; Sport-/Vereinsaktivitäten abgesagt). Der normale Tagesrhythmus ist verloren. Und jede Altersgruppe hat ihre eigenen Herausforderungen. Teenager haben mit der eigenen Identitätsentwicklung zu kämpfen und rebellieren ggf. gegen die Dauernähe der Eltern. Kleine Kinder verstehen die plötzlich eingetretenen Zwänge der Situation nicht so schnell. Dem Bewegungsdrang kann nicht mehr ausreichend Freiraum gegeben werden.

Privates und Berufliches vermischen sich

  • Das Gehirn braucht klare Hinweise, um Business und Familie unterscheiden zu können. Distanz (räumlich, zeitlich) und »Separatoren« helfen dabei.
  • Das hilft nicht nur bei der Work-Life-Balance, sondern ist auch für konzentriertes Arbeiten unerlässlich. Die Kernbotschaft des Bestsellers Deep Work von Cal Newport lautet: Social Media und andere ablenkende Aktivitäten radikal auf fixe Zeiträume begrenzen. Auch geschäftliche Emails sollten nicht ständig »gecheckt« werden, sondern nur zu festen Zeiten; ggf. muss man für dringende Fälle spezielle Absprachen treffen (oder Filter setzen).

Reflexion: Review der letzten Tage

  • Wann vermische ich Privates und Berufliches leicht? Wo sind meine »Work-Life-MASH-Ups«?
  • Bei welchen Gelegenheiten kann ich gut differenzieren? Was hilft mir dabei?

Wie wirken Krisenzeiten auf die menschliche Psyche?

  • In Krisenzeiten werden Menschen in ihrer Art »krasser«, d.h. bestehende Denk- und Verhaltensmuster verstärken sich. Die bisherigen Ausprägungen des Mindsets werden schriller. Plakativ gesprochen: Extrovertierte werden hektischer, Introvertierte stiller.
  • In Krisenzeiten wächst die Sehnsucht nach Sicherheit und klarer Führung. Die Augen richten sich stärker auf die Führungskräfte.
  • Verbundenheit im Team wird wichtiger denn je; umgekehrt lässt empfundene Einsamkeit die Alarmglocken schrillen.
  • Selbstwirksamkeit ist ein neurobiologisches Grundbedürfnis: Wo kann ich selbst etwas tun, um die (meine) Situation zu verbessern?

Dabei gilt natürlich, dass jeder Mensch anders ist und anders auf Krisen reagiert. Auch die individuellen Problemlösungsstrategien (»Coping«) variieren.

Home Office Essentials – so gelingt das Arbeiten von Zuhause

Für eine produktivere Arbeit von Zuhause aus können Sie sich an unserem »6 C« Modell orientieren. Es unterstützt dabei, mehr Klarheit im Home Office zu schaffen:

  • CLEAR SPACE
  • CLEAR VIEW
  • CLEAR SOUND
  • CLEAR RITUALS
  • CLEAR COORDINATION
  • CLEAR COMMUNICATION

Die in unserem Guide zusammengestellten Tipps gelten natürlich nicht nur für Corona-Zeiten, sondern sind auch generell für das produktive Arbeiten aus den eigenen vier Wänden nützlich. Schicken Sie uns einfach eine kurze Nachricht an info@synnecta.com – und Sie erhalten die praktischen Hinweise als knapp 20-seitiges PDF-Dokument – für Sie kostenlos und unverbindlich.

Eike Reinhardt
Der Artikel wurde vom Autor ursprünglich veröffentlicht im Blog von agateno.