»Von einem der auszog, Agilität zu lernen«, Teil 2

Passen »Agilität« und »Controlling« zusammen? – Der große Münchner »Congress der Controller« 2017 trug den Titel »Agiles Controlling in der digitalen Realität – Umbrüche erfolgreich managen«. Ich habe ein fantastisches Angebot bekommen: Tiefer Eintauchen ins Thema mit einer professionellen Ausbildung zum »Agile Culture Coach«. In Beiträgen für das ICV-ControllingBlog berichte ich davon. Heute: Modul 3: Agile Methoden und Scrum.

War es im ersten Modul I der Ausbildung, wie hier berichtet, um »Agile Führung und Beteiligung« gegangen, folgte im Mai Modul II zum Thema »Agilität und Persönlichkeit«. Hier rückte »Das Konstrukt Persönlichkeit« in den Mittelpunkt, wurden u.a. Struktur- und Persönlichkeitstests behandelt.

Im Juli stand mit Modul III das Thema »Agile Methoden und Scrum« auf dem Programm. Es wurden verschiedene agile Formate, Design Thinking, Strategietools sowie Konferenzformate behandelt. Wir 14 Teilnehmer sollten die Logik agiler Methoden und die damit verbundenen wichtigsten Werkzeuge kennenlernen. Ziel: In Organisationen Scrum-Teams aufbauen und fundiert begleiten können.

Beim Schwerpunkt Scrum ging es zunächst um das Scrum Framework mit Rollen, Artefakten, Regeln etc., es ging um Fragen wie Emergent Architecture und Reporting. Ausführlich wurden Scrum Teams und die Aufgaben des Scrum Masters behandelt. Gut aufpassen war auch deshalb angesagt, weil ein weiteres Ziel dieses Moduls darin bestand, das nötige Wissen für eine erfolgreiche Prüfung zum Professional Scrum Master zu bekommen.

Als Ausbilder hatte Veranstalter SYNNECTA mit Jean Pierre Berchez und Johannes Ries zwei ausgewiesene Experten aufgeboten. Sie führten souverän und fesselnd durch einen ganzen Berg von neuem Wissen. Berchez (Bild) ist seit 1995 mit Scrum vertraut. Der zertifizierte Scrum-Trainer und -Coach organisiert u.a. Scrum-Zertifizierungsworkshops mit den Erfindern von Scrum, Dr. Jeff Sutherland und Ken Schwaber. Johannes Ries hilft Menschen in Organisationen in der unvorhersehbaren VUCA-Welt Antworten zu finden für Unternehmensplanung, Strategie und Organisationsentwicklung.

Potenziale von Teams vereinen

Agile Teams sind VUCA-resilient, wenn sie sich für jede Situation durch ein Höchstmaß an Diversität und Interdisziplinarität gewappnet haben. Schnell können Teams bzw. Projekte »anschwellen«, der »Aufgabendschungel« immer unübersichtlicher werden. Oft arbeiten Team-Mitarbeiter an verschiedenen Standorten, evtl. sogar in diversen Zeitzonen. Da sind wirksame Tools für die Aufgabenverwaltung unerlässlich.

Für »Agiles Projektmanagement« behandelte das Ausbildungsmodul Scrum – eine agile Methode für komplexe Entwicklungsprojekte. Scrum macht effektiv, indem es die Fähigkeit der Beteiligten fördert, ihr Potenzial zu vereinen. Dafür sieht das Scrum-Konzept verschiedene, klar definierte Rollen vor, wie Product Owner, Development Team, Scrum Master. Der aus dem Entwicklungsteam heraus gewählte Scrum Master etwa unterstützt und überwacht den gesamten Prozess. Die Arbeitsabläufe sind klar strukturiert, in einem gemeinsam gepflegten Taskboard sind die zu erledigenden und die erledigten Aufgaben für das Team transparent. Wir Teilnehmer lernen verschiedene Scrum-Tools genauer kennen – und probieren sie selbst mit einem eigenen fiktiven Scrum-Projekt aus. Da ist z.B. das »Product Backlog«, eine vom Product Owner gepflegte Liste mit User Stories bzw. Anforderungen. Da gibt es z.B. die »Sprints« – jedes Inkrement ist eine Time-Box von i.d.R. 30 Kalendertagen – und da ist das »Sprint Backlog«, eine Liste von Aufgaben, die erforderlich sind, um die für den Sprint ausgewählten Anforderungen des Product Backlogs in ein auslieferbares Produkt umzusetzen.

Auch unser Ausbildungsmodul III war in (vier) Sprints gegliedert. Im Sprint 1 bildeten wir Kursteilnehmer Teams, in denen wir in diesen zwei Tagen Scrum aktiv erleben konnten. Im Sprint 2 lernten wir als »Scrum-Team-Member« das »Warum« für Agile und Scrum verstehen, um es später in unseren Organisationen nutzbringend vertreten zu können (Warum Agilität? #Cynefin #VUCA #Simulation). Im Sprint 3 lernten wir Teilnehmer das Scrum Framework verstehen, um es effektiv einsetzen zu können (und die Zertifikatsprüfung zu bestehen) (#Rolle #Practices/Tools #Events #Artefakte #Mythen). Und im Sprint 4 schließlich führten unsere Teams ein Scrum-Übungsprojekt durch, bei dem wir Scrum in Aktion erleben konnten (#Vision #Product Backlog mit User Stories #Priorisieren der Backlog Items #Schätzen).

Einleuchtend, aber keineswegs simpel

Das agile Vorgehen und Scrum leuchten mir nun ein: Durch klare Priorisierungen werden z.B. wirklich jene Produkte verfügbar gemacht, die der Kunde am dringendsten braucht. Auslieferbare (Teil-)Produkte werden in z.B. monatlichen Abständen, am Ende jeder Iteration vorgelegt. In der gesamten Produktentwicklung ist der jeweils erreichte Stand jederzeit transparent. Läuft etwas in die falsche Richtung oder türmen sich Hindernisse auf, kann mit den täglichen Überprüfungen durch das gesamte Team schnell reagiert werden. Dieses häufige, regelmäßige Feedback im Tagesrhythmus sorgt für kontinuierliche Verbesserungen, sowohl im Prozess als auch beim Produkt.

Die Grundprinzipien klingen einleuchtend, Scrum ist aber sicher nicht simpel. Trainer und auch einige Kursteilnehmer mit ersten Scrum-Erfahrungen machen in spannenden Diskussionen deutlich, dass die praktische Umsetzung in komplexen Systemlandschaften und Organisationen alles andere als einfach ist. Denn in der Praxis gibt es keine homogenen Systemumgebungen. Und die größte Herausforderung sehe ich in den notwendigen Veränderungen der Organisation für einen geeigneten Rahmen.

(Berichte von weiteren Modulen der Agile Culture Coach Ausbildung folgen.)

Hans-Peter Sander
blog.icv-controlling.com

Warum Agilität und Diversity zusammengehören, Teil 1

»Noch keine Antwort«

Denken wir uns eine Menschengruppe. Alle sind unterschiedlich, nicht gleich, und sie haben eine Gemeinsamkeit, sie arbeiten zusammen. Man arbeite jetzt agil und mit Diversity, das wurde gesagt. Alle haben genickt. Ausgebildet sind sie alle gleich, kennen die Regeln und Ziele. Aber die Zusammenarbeit gelingt nicht. Sie kaufen neue Methoden, von Experten. Seid doch mal anders. Schneller, agiler. Bloß keiner versteht, was zu tun ist. Alle machen, was sie kennen. Bis jemand eine Frage stellt und gut zuhört. Das ist neu und anders. Es wurde nach dem Sinn gefragt. Und das hat sie inspiriert. Sie merken, Mindsets kann man nicht kaufen. Agilität und Vielfalt auch nicht. Sie sagen sich, wir stellen erst einmal Fragen und hören gut zu. Das ist eigentlich nicht neu, hat sich aber noch nicht flächendeckend etabliert.

Hanna Göhler
Bild: freepik.com

»Von einem der auszog, Agilität zu lernen«

»Agilität« und »Controlling« – das passt! Hatte das nicht zuletzt der diesjährige, große Münchner »Congress der Controller« schon mit seinem Titel, »Agiles Controlling in der digitalen Realität – Umbrüche erfolgreich managen«, postuliert? Oder passt es doch nicht – wie es in mancher kritischen Diskussion immer wieder heißt …? Ich habe ein fantastisches Angebot bekommen: Tief eintauchen ins Thema mit einer professionellen Ausbildung zum »Agile Culture Coach«! In Blog-Beiträgen werde ich hier davon berichten.

Ein Jahr lang beschäftigt mich diese Ausbildung mit fünf mehrtägigen Modulen: »Agile Führung und Beteiligung«, »Agilität und Persönlichkeit«, »Agile Methoden und Scrum«, »Agile Teams und Konflikte«, »Agile Organisation und Kultur«. Gemeinsam mit 13 anderen Teilnehmern erlebe ich diese Ausbildung durch die SYNNECTA, einer Beratung für Organisationsentwicklung und Change Management in Köln. Zum dritten Mal findet der Kurs inzwischen statt, den die Gastgeber mit sichtbarem Stolz als »das Original« bezeichnen.

»Agile Führung und Beteiligung«

Das erste 3-Tages-Modul ist mit »Agile Führung und Beteiligung« überschrieben. Ein spannender Einstieg, bei dem es schon um viel mehr geht, als nur um eine Orientierung einschließlich Begriffsklärungen. Behandelt werden: »Agile strategy« – Wie stellen wir uns auf?, »Agile leadership« – Was heißt das alles für die Führung? sowie »Agile mindset« – Warum Agilität? Was ist Agilität? Wie plane ich eine unvorhersehbare Zukunft?

Ja, was ist eigentlich »Agilität«? Verbreitet herrscht ein schwammiges Verständnis vor. Und es stimmt schon, was die beiden Trainer, Renate Standfest und Dr. Johannes Ries, sagen: Oft werde das Wort »agil« sogar als Entschuldigung für nicht eingehaltene Termine, Verpflichtungen missbraucht. Überzeugend machen sie klar, dass »jenseits von Effekthascherei und Bullshit Bingo« hinter dem Begriff »wertvolle Gedanken und Konzepte« stecken, die Teams, Organisationen und Führungskräfte in der heutigen Zeit – sie nennen diese »VUCA-Situation« – handlungsfähig machen.

Unsere »heutige Zeit«, geprägt von Digitalisierung, politischen Umbrüchen, Klimawandel usw., wird bekanntlich als »VUCA-Welt« bezeichnet. Sie ist geprägt von »Volatility« – Instabilität, rasche, grundlegende Veränderlichkeit, von »Uncertainty« – Ungewissheit, ja Unberechenbarkeit, von »Complexity« – Komplexität und von »Ambiguity« – es gibt keine einfachen Ursache-Wirkungszusammenhänge mehr, deshalb dominiert Mehrdeutigkeit. Wenn in dieser VUCA-Welt »lineare Methoden« nicht mehr funktionieren; welche sind es dann?

»Agilität«? – Was ist das eigentlich? Unsere Kursleiter verweigern »die eine, 100-prozentige« Definition. Sie verweisen vielmehr auf die »Dimensionen von Agilität« und empfehlen als Grundlage das »Agile Manifest«. Dieses »Manifest für Agile Softwareentwicklung« (2001 unterschrieben von 17 Personen aus dem Programmierer-Umfeld) verweist auf einige Schwerpunkte:

  • Sie erachten »Individuen und Interaktionen« wichtiger als Prozesse und Werkzeuge;
  • einem »funktionierenden Produkt« räumen sie einen größeren Stellenwert ein, als umfassenden Dokumentationen;
  • sie favorisieren die »Zusammenarbeit mit dem Kunden« viel stärker als jede (Vertrags)verhandlung;
  • dem »Reagieren auf Veränderung« räumen sie den klaren Vorrang gegenüber dem Befolgen eines Plans ein.

Abgeleitet aus diesem Manifest zählen die SYNNECTA-Experten 12 Prinzipien auf: Kundenzufriedenheit, Offenheit für Veränderung, iteratives Entwickeln, intensive Zusammenarbeit, Fokus auf ein motivierendes Umfeld, Face-to-face-Kommunikation, funktionierende Produkte als Fortschrittsmaß, gleichmäßiges Tempo, technische Exzellenz und gutes Design, Einfachheit, Selbstorganisation und Selbstreflexion. »Diese Auflistung fasst gut das Mindset zusammen, welches für das Funktionieren aller agilen Praktiken und Konfigurationen notwendig ist«, so Ries.

Effectuation: von Mittelorientierung, leistbarem Verlust u.a.

Die Ausbildung ist agilen Praktiken und Methoden gewidmet, die genannten Prinzipien zu realisieren. Aus der Softwareentwicklung stammend und inzwischen darüber hinauswirkend stammt etwa »Scrum«. Diese agile Methode (wird in Modul III der Ausbildung gründlich behandelt) versucht die »Aufwandskurve« so gering wie möglich zu halten.

Ein höchst interessantes Thema im ersten Modul meiner Agile-Coach-Ausbildung ist »Effectuation«. Auch dabei geht es um ganz praktische Konsequenzen aus der sich verändernden Welt – insbesondere unserer Arbeitswelt. »Nicht das ›entweder oder‹, sondern das ›sowohl als auch‹ beherrscht sie«, erklärt SYNNECTA-Expertin Renate Standfest. »Wo die Zukunft ungewiss, die Umwelt gestaltbar und die Ziele verhandelbar sind, haben wir ein ideales Feld für Effectuation.« Während wir »linear-kausale Prozesse« der Problemlösung gewöhnt sind, gelte es nun, Umstände, Zufälle und Ungeplantes als Gelegenheiten zu nutzen und sich eben nicht dagegen abzugrenzen. Großes Interesse wecken bei mir die vorgestellten vier Prinzipien von Effectuation:

  • Prinzip der Mittelorientierung: Anstatt Mittel und Wege auszuwählen bzw. zu schaffen um ein vorher festgelegtes Ziel zu erreichen, gilt es hier, Ziele und Ergebnisse zu finden, die sich mit einem gegebenen Set an Mitteln erreichen lassen.
  • Prinzip des leistbaren Verlusts: Man orientiert seinen Einsatz am leistbaren Verlust – und nicht am erwarteten Ertrag.
  • Prinzip der Umstände und Zufälle: Umstände, Zufälle und Unerwartetes als Chancen nutzen, anstatt sich dagegen abzugrenzen.
  • Prinzip der Vereinbarungen und Partnerschaften: mit denen eingehen, die bereit sind mitzumachen.

Das Modul I meiner Agile-Culture-Coach-Ausbildung ist aufgeladen mit einer Menge höchst interessanter Impulse. Ich bin überzeugt; das passt für die Controlling-Welt! Der gebotene Stoff: fesselnd und reichlich für die ersten drei Tage. Viel, viel Neues erfahre ich: von Dimensionen und Prinzipien der Agilität über Effectuation und faszinierenden Methoden wie Landscaping, Stacey-Matrix, Daily Meetup etc. bis hin zu Spielerischem wie dem Team-bildenden »Marshmellow-Spaghetti-Contest« oder auch dem ganz persönlichen Vorstellen der einzelnen Kursteilnehmer mit Hilfe von Lego- und Duplo-Bausteinen.

(Bild: »Autoren-Selfie«. Wie sich der Autor den Kursteilnehmern »präsentierte«.)

Hans-Peter Sander
blog.icv-controlling.com

6. SYNNECTA Tischrunde: Komplexität? Agilität!

Im Rahmen unserer Reihe »SYNNECTA Tischrunde« für HR-Entscheider und Führungskräfte möchten wir Sie herzlichst zum folgenden Thema einladen:

Komplexität? Agilität!
HR im Aufbau einer agilen Unternehmenskultur

Mit bewährten Methoden wie Design Thinking, SCRUM oder Kanban werden agile Arbeitsweisen ins Unternehmen eingeführt. Jedoch wird dabei häufig das volle Potenzial der Methoden nicht ausgeschöpft. Einer der Gründe liegt darin, dass der erfolgskritische Faktor – ein agiles Mindset – als schon gegeben vorausgesetzt wird.

In dieser HR-Tischrunde stellen wir das agile Mindset ganzheitlich in den Fokus und fragen, wie sich dieses initialisieren und entwickeln lässt.

  • Wo macht Agilität überhaupt Sinn – und wo auch nicht?
  • Wie sieht eine Umgebung aus, in der Menschen in agiles Handeln kommen können?
  • Wie werden im agilen Kontext Entscheidungen getroffen?
  • Wie begegnen wir dabei entstehenden Konflikten?
  • Und schließlich: Wie können Führungskräfte das Spannungsfeld zwischen effizienter Standardisierung und hierarchieverändernder Agilität produktiv gestalten?

Auf diese Fragen möchten wir mit Ihnen gemeinsam im Dialog zwischen Philosophie, Kampfkunst und Unternehmertum Antworten finden. Dabei werden wir das Thema selbst agil angehen und sogar körperlich erfahren.

Moderation: Maria Wagner, Dr. Jörg Müngersdorff, Dr. Johannes Ries (Ethnologe), Prof. Dr. Thomas Christaller (Aikidomeister)
Wann: am 12. Oktober 2017, von 10:00 – 17:00 Uhr
Wo: Zentrum für Bewegung und Lebenskunst, Kessenicher Straße 217, 53129 Bonn
Kosten: 250 EUR zzgl. MwSt., ohne Unterkunft.
Informationen & Anmeldung & Unterkunft: Wenden Sie sich hierfür bitte bis zum 18. September 2017 an unser Office Team in Köln:

Werkhaus 2017 – Stimmungsvolle Impulse. Keine Buzzwords.

Das erste SYNNECTA Werkhaus hat stattgefunden. Ein wertvolles Geschenk, die rege Gestaltung durch viele unterschiedliche Menschen, die im Altenberger Hof in Köln am 19. Mai 2017 zusammenkamen. Darüber freuen wir uns.

Entlang der Trends des Jahrtausends waren unsere Räume ausgerichtet: Agilität, Blended Learning, Diversität, Unternehmen in der Gesellschaft. Die Teilnehmenden bewegen sich im Open Space Prinzip durch die Räume, stellen sich und anderen Fragen, sind eingeladen auch die unmöglichen Antworten zu umarmen. Im Werkhaus sind wir kritisch, ehrlich und »agil«, probieren neue Arbeitstechniken, testen Ideen und prüfen Trends.

Oder lassen Trends entstehen. Denn eine Sache ist kaum trendig, aber nicht weniger wichtig, im beruflichen Kontext Fragen zur sexuellen Orientierung zu stellen. Weil das Thema einen bedeutenden Teil menschlicher Identität betrifft, haben wir nachgefragt, online und (zum dran gewöhnen) anonym. Damit wollen wir uns für die Relevanz des Themas für Organisationen aussprechen.

Wer Unternehmen bewegen will, muss Menschen bewegen, so unsere Idee als Organisationsentwickler. Dazu braucht es Menschen, die bereit sind, ihr Denken und Handeln kritisch zu hinterfragen. Robert Franken, Feminist und Experte für digitale Potenzialentfaltung, weist uns in seinem Impulsvortrag auf die Notwendigkeit hin, sich dem eigenen Unconscious Bias bewusst zu werden. In welcher (gesellschaftlichen) Ordnung entstehen meine Gedanken über mich und andere? Auch wenn es mit Unbehagen besetzt ist, sich den eigenen Vorurteilen zu stellen: Erst wenn wir den Deutungsrahmen halbwegs verstanden haben, können wir Änderungen erwarten.

Wie fühlt es sich an, durch einen 400qm Raum zu stolpern? Michael Moritz lädt uns dazu ein, die Angst und Bedenken zuzulassen, um sie loszulassen. Lass dich fallen, du fängst dich schon auf. Der Schauspieler übt mit uns, wie wir stolpern, sogar hinfallen. Die Bedeutung von »Risiko + Mut« im eigenen Leben wahrzunehmen, welche Risiken gehe ich ein, wann bin ich mutig, wie stehe ich auf und gehe weiter – all das körperlich zu spüren und sich dem hinzugeben, dazu hat uns Michael Moritz in seiner anregenden Session motiviert.

Mit dem Blick auf Unternehmen im Wandel bleibt das Thema »Agilität« nicht aus. Wann nützt es »agil« zu sein, haben wir uns gefragt. Und haben den Praxistest gemacht. In komplexen Situationen bieten agile Vorgehensweisen und Methoden diverse Vorteile. Das haben uns die engagierten Teilnehmenden unserer Ausbildungsgruppe »Agile Culture Coach« (Staffel 2) mit dem Ubongo Flow Game gezeigt. Learning: Selbstorganisation steigert Verantwortungsbewusstsein, Motivation und Zufriedenheit.

Vom einzelnen Menschen hin zur Gesellschaft: Im Filminterview (Produktion von Filmkontor), sprach Rüdiger Müngersdorff mit Martina Merz, Maschinenbauerin, ehemalige CEO, Aufsichtsrätin. Die Frage: Was ist wichtig in der heutigen VUCA-Welt? Ihre Antwort: »Denken, und am besten auch noch Denken ohne Geländer.« Eine gute Voraussetzung, wenn es um strategische Bedeutung von Sinn und um gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen geht.

Es sind die kritischen Themen, die uns bewegen. In Formaten wie dem Werkhaus möchten wir als OrganisationsentwicklerInnen dazu anregen, sich damit zu befassen, was Menschen betrifft. Gedacht ist keine Wiederholung von modernen Buzzwords, sondern das Raum-öffnen für eben diese menschliche Fragen und Antworten. Weil in Unternehmen Menschen arbeiten.

Neben all den Diskursen und interessanten Impulsen haben wir uns am Abend mit der Geburtstagsfeier von Jörg Müngersdorff ein weiteres Geschenk gemacht, geselliges Zusammenkommen mit KollegInnen, unseren Kunden, Freundinnen und Freunden. Angestimmt mit Musik von Tobias Langguth, der unseren Abend mit Jazz, Bossa Nova und Blues begleitete.

Erhalten Sie hier Einblicke und Details aus den einzelnen Workshops:

Agilität – Sei Pippi nicht Annika!

In vier Sprints haben wir mit den Teilnehmern engagiert debattiert und verschiedene Dimensionen der Agilen Transformation beleuchtet.

  • Organisation
  • Führung
  • Zusammenarbeit
  • Mindset

Die lebendige Diskussion wurde live in Skizzen durch Susanne Ferrari – eine professionelle Zeichnerin der Visual Facilitators festgehalten. Ausgangspunkt jedes einzelnen Sprints war die Frage, warum das Thema Agilität aktuell in allen Unternehmen und Organisationen so heiß diskutiert wird.

Dabei wurde schnell deutlich, dass Agilität mehr als ein Buzzword ist. Unsere Welt wird immer mehr zur VUCA-World, Planbarkeit und Sicherheit gehören mehr und mehr der Vergangenheit an. In Zukunft sind Prognosen kaum mehr möglich, unklare Ziele und Regeln, die sich laufend ändern, sind die neue Realität. Erfolgreiche Organisationen ermöglichen Beteiligung und Resonanz, sie entwickeln ein gesundes Maß an Resilienz. Für Unternehmen ist Agilität existentiell! Dies kann auf den ersten Blick bedrohlich wirken, aber es steckt auch eine Riesen-Chance darin. Der Umgang mit Disruption und Vielfalt macht den entscheidenden Unterschied. Raus aus dem Labor, hin zum Feldversuch, sich einlassen auf iterative Prozesse, Lösungen für Probleme, die vor einer Stunde noch nicht bekannt waren, entwickeln und neue Ökosysteme entdecken – die Kraft der ungebremsten Beteiligung spüren, das ist Vitalität!

Das Ergebnis unserer vier Sprints macht deutlich – Agilität ist mehr als neue Methoden und Prozesse. Erfolgreiche agile Transformation gelingt dann, wenn die Organisation sich einer neuen Kultur öffnet, wenn neue Formen der Zusammenarbeit etabliert werden, wenn sich ein anderes Verständnis von Führung breit macht und wenn sich die beteiligten Menschen offen und mit Zuversicht den Prozess aktiv gestalten. Dieser Mindset macht Lust auf die Zukunft!

Renate Standfest

Diversity – Jenseits des Feigenblatts

Wenn ich du wäre, und sie er, was wäre dann.
Du bist nicht ich, umgekehrt auch nicht, wir sind zwei oder mehr.
Ich bin ich, aber wie und warum.

These 1: Diversity ist eine Zumutung, These 2: Diversity beginnt bei uns selbst.

Warum es eine Zumutung ist, liegt am Begriff selbst, denn Zumutung entstammt dem Wort zuschreiben, abgeleitet aus dem lateinischen imputare. Bei Vielfalt geht es auch immer um Zuschreibungen und Bilder im Kopf, die wir über uns selbst und andere haben, dem unconscious bias.

Im Workshop erlebten wir ein außerordentliches Interesse an der Auseinandersetzung mit dem Thema Privilegien und daraus entstehenden Un-/Möglichkeiten im Leben Dinge zu tun, etwa im Bereich der Karrierewege. Sich persönlichen Fragen zu öffnen, bedeutet Risiko. Etwas persönliches preiszugeben, ist im Privaten vielleicht nichts Besonderes, im Beruflichen durchaus. Denn die Beschaffenheit und Logik aller Strukturen, in denen wir handeln, sind unter anderem auch beeinflusst von Machtverhältnissen, und das wirkt sich auf uns als Person aus. Unsere Identität ist davon bestimmt. Im Wort Zumutung steckt, jedenfalls in dessen Schreibweise, auch »Mut«. Diesen brauchen wir, wenn wir uns selbst beschreiben. Mehr zu Diversity bei SYNNECTA lesen Sie hier.

Hanna Göhler

Unternehmen in der Gesellschaft

Im Werkhaus haben wir das Thema als offenes Format in vier Einheiten bearbeitet. Nachdem unsere Berater Detlef Däke und Eike Reinhardt das Thema eingeführt haben, hat unser Gast Prof. Dr. Wolfgang Stark mit einem Impuls zur Frage »Welche Unternehmensverantwortung braucht unsere Gesellschaft in der Zukunft« den Diskurs eröffnet:

Corporate Social Responsibility (CSR) und Corporate Citizenship (CC) haben Einzug gehalten in die interne Auseinandersetzung vieler Unternehmen und werden durch Projekte, Stiftungen und die Bereitstellung von Sach- und Geldmittel erlebbar. Strategische Bedeutung für Sinn und Ausrichtung der Unternehmen und die Übernahme von Verantwortung für die gesellschaftliche Entwicklung ist damit jedoch nicht verbunden. Unternehmenskultur ist nach innen orientiert und wird geprägt von einer Orientierung nach dem business case und der Erreichung von KPIs. Bedeutung wird CSR aber erst erlangen, wenn sich in den Unternehmen eine gesellschaftlich relevante Engagementkultur entwickelt.

(Wolfgang Stark war viele Jahre als Professor für Organisationsentwicklung an der Universität Essen/Duisburg tätig und begleitet heute mit dem Strascheg Center for Entrepreneurship Startups und junge Unternehmer.)

Wie aber kann sich eine geänderte Rolle von Unternehmen in der Gesellschaft entwickeln? Unserem CoCreation-Ansatz folgend haben wir mit den interessierten Teilnehmern des Werkhauses diskutiert und uns dabei am Quadruple Helix Model orientiert, das eine Kooperation der Systeme Verwaltung, Bildung, Unternehmen und Zivilgesellschaft beschreibt. Gemeinsam sind wir überzeugt, dass eine enge Kooperation dieser Stakeholder auf Augenhöhe ein hohes Innovationspotenzial für Gesellschaft und Unternehmen bietet, wenn junge Menschen neuen Lebensmodellen folgen und gleichzeitig der demografische Wandel den Wettbewerb um Fachkräfte immer weiter verschärft. Offen geblieben sind Antworten auf die Fragen, welche Regeln eine solche Kooperation benötigt und welche Form von Führung in einer engagierten Gesellschaft erforderlich ist.

Wir wollen die Ansätze aus dem Werkhaus weiterführen und Angebote entwickeln, die als Orte des Dialogs und des Diskurses die verschiedenen gesellschaftlichen Systeme zusammenführt.

Detlef Däke

Trendlabor Blended Learning

Im Trendlabor untersuchten die Teilnehmenden an mehreren Stationen die aktuellen Entwicklungen im Bereich des Corporate Learning. In jeder der vier Runden wählten sie ein andereren Fokus für die Diskussion: Zu Beginn lichteten sie mit Hilfe eines Begriffs-Bingos den Dschungel der Terminologien (Blended Learning, WBT, F2F, SCORM …).

Runde 2 setzte den Schwerpunkt auf das soziale Lernen, das keineswegs auf die neuen Möglichkeiten durch öffentliche oder auch Corporate Social Media beschränkt ist. Das Königsthema »Nachhaltiger Lerntransfer« wurde anhand von rund 20 konkreten Ansätzen zur Übertragung von Gelerntem in den beruflichen Alltag sehr lebhaft diskutiert. Runde 4 schließlich beschäftigte sich mit Mikro-Lerneinheiten (Lern-Nuggets).

An den Technologie-Stationen der Anbieter Blink.it (Mobile Learning) und CBTL (Authoring) konnten die Teilnehmenden einen Einblick in aktuelle Formen des Lernens gewinnen. Zum Abschluss fassten die Teilnehmenden ihre Erkenntnisse aus dem Trendlabor in einem Satz zusammen und hielten diese ad-hoc in einem Smartphone-Video fest. Die Videos standen noch am gleichen Tag auf der Lernplattform allen Teilnehmenden zur Verfügung – ganz im Sinne des Social Learning.

Teilnehmer-Stimmen aus den Videos:

  • Der hohe Anwendungsbezug gefiel den Teilnehmenden: »Es war sehr interessant, die breite Auswahl an Lerntransfer-Möglichkeiten kennenzulernen und im beruflichen Kontext zu diskutieren.«
  • Für einige Teilnehmenden war es ein Augenöffner, dass modernes Learning Design auch zum Ziel hat, den Lernenden zum Lehrenden zu machen.
  • Manch ein Teilnehmender äußerte sich fast philosophisch: »Lehren hat auch viel mit Nicht-Wissen zu tun. […] Ich habe gemerkt, dass ich in der Haltung »Ich habe keine Antwort“« viel mehr lernen kann. Vielleicht ist das manchmal ganz gut – zurückzutreten.«

Daniel Goetz

Agiles Talent Management (II): Neue Formate und Interventionen

Im letzten Blogbeitrag zum Thema Talent Management habe ich die Grundlagen des agilen Talent Managements beschrieben: ein entwicklungsorientierter Talentbegriff, das Talent Enabling, die Selbstorganisation und eine unterstützende Talentkultur. Ausgehend davon, möchte ich weitere Überlegungen bezüglich der konkreten Umsetzung in der Organisation anstellen.

Talent Management mit flexiblen Formaten

In agilen Umgebungen gestaltet sich Talent Management, oder besser Talent Enabling, dynamisch und nicht prozesshaft. Die vorgegeben Talent Management-Jahreszyklen sind damit in Frage zu stellen. Mitarbeitergespräche zu einem bestimmen Zeitpunkt im Jahr durchzuführen macht wenig Sinn, wenn Arbeitsstrukturen sich dynamisch ändern und Projektzyklen 30-Tage-Sprints sind. Dennoch ist das Mitarbeitergespräch weiterhin wichtig. Allerdings als prinzipielles Format und nicht als Prozessschritt. Das heißt, Feedback findet statt, individuelle Entwicklungswünsche und Trainingsbedarfe werden besprochen, Mitarbeiter beurteilt, wenn es einen Anlass dazu gibt. Nicht nur der Zeitpunkt, sondern auch die personelle Zusammensetzung der Formate ist variabel. So können bei Bedarf auch Teamkollegen miteinbezogen werden. Mitarbeiter und Führungskräfte müssen befähigt werden, diese Talentformate flexibel anzuwenden und sie sich nach Bedarf zu eigen zu machen.

Noch mehr als in traditionellen Organisationsformen, darf daher das Talent-IT-System nicht strukturgebend für Talententwicklung sein. Die Interaktion und das Erfahrungslernen stehen im Mittelpunkt. Und hieraus ergibt sich eine neue Flexibilität im Talent Management und in den unterstützenden Systemen. Anpassungsfähige und abrufbare Talentformate sind wichtiger als ein durchgängiger Talentprozess.

Neue Rollen im intrinsischen Karrieremanagement

Die im vorherigen Beitrag beschriebene Entwicklungsorientierung und die Selbstorganisation im Talent Management fordert neue Kompetenzen in der Organisation. Mitarbeiter sind nun stärker selbstverantwortlich für ihre berufliche Entwicklung. In traditionellen Unternehmen wird sich in der Karriereplanung häufig noch auf die Mechanismen des Systems verlassen: vorgezeichnete Karrierepfade, Promotionszyklen, Ernennung als High Potential, die den Mitarbeiter bei guter Leistung schon an den richtigen (und wichtigen) Platz in der Organisation bringen werden. In agilen Umgebungen funktionieren solche linearen Formate nicht mehr. Der Mitarbeiter muss selbstständig das eigene Kompetenzprofil herausbilden sowie persönliche Motive und Werte ehrlich und detailliert benennen können, um daraus Karriereziele und Aktionspläne abzuleiten. Diese Innensteuerung an den Tag zu legen verlangt ein Umdenken und neues Handeln. Angebote für Mitarbeiter zur Karriereplanung wie z.B. Standortbestimmung, Peercoaching, Jobhospitationen und Mentoring helfen hier, den Mitarbeiter in seiner Selbstorganisation zu stärken.

Aber auch Führungskräfte müssen umlernen und die Rolle eines Talentcoaches einnehmen. Wie ein professioneller Coach sind sie kein Entscheider in Karrierefragen, sondern begleiten den Mitarbeiter mit regelmäßigem Feedback und ressourcenorientierter Gesprächsführung. Sie helfen Lernfelder zu identifizieren und Lernerfolge zu erzielen, bieten Lernoptionen z.B. über neue Projekte an. Führungskräfte benötigen unter Umständen Unterstützung, z.B. durch Training, um diese Rolle umzusetzen. Allerdings ist hier neben dem Erlernen von konkreten Fähigkeiten auch eine neue Sicht auf die Führungsrolle, wie allgemein in agilen Unternehmen, nötig. Die Führungskraft nimmt nun auch im Talent Management eine moderierende und unterstützende Funktion ein.

Im agilen Talent Management sind also neue Formate und Interventionen gefragt. Neue Haltungen und Rollen müssen eingenommen und angenommen werden, um Flexibilität und Eigenverantwortung erfolgreich umsetzen zu können.

Anke Wolf